Rezension: Deliver Us Mars (PS5)

Astronautin Kathy bricht auf der Suche nach wertvoller Technologie in Deliver Us Mars zum roten Planeten auf.

In seinem Erstlingswerk Deliver Us The Moon hat das niederländische Studio KeokeN Interactive 2018 einen atmosphärischen Adventure-Ausflug zum Mond geboten. Viereinhalb Jahre nach der Erstveröffentlichung von Deliver Us The Moon, schickt uns das Indiestudio im Nachfolger Deliver Us Mars auf den titelgebeneden roten Planeten. Die Geschichte ist dabei etwa zehn Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils angesiedelt. Die Menschheit kämpft weiterhin auf der von Ressourcenknappheit und Klimaveränderungen geplagten Erde ums Überleben. Als plötzlich ein Signal von drei bereits lange vermissten Archen, hochmodernen Raumschiffen, empfangen wird, hegt die Raumfahrtbehörde WSA Hoffnung. Schließlich könnte die Technologie der Archen, der Menschheit, die Rettung bringen. Verschwunden sind die Archen bereits im Vorfeld von Deliver Us The Moon, als Kolonisten des Erdtrabanten sich mit diesen abgesetzt haben. Erst jetzt erfahren wir allerdings, wohin die Raumschiffe gereist sind: Zum Mars. Dass die Kolonisten dort über zehn Jahre überleben konnten, ist ein weiterer Hinweis auf die Möglichkeiten der Archen.

Stimmungsvolles Weltraumdrama

Bevor wir jedoch zum Mars gelangen, dürfen wir in den ersten Kapiteln bereits Hauptfigur Kathy Johansson kennenlernen. Die junge Astronautin und Technikerin wurde bereits im Vorgänger in Texten erwähnt und übernimmt nun die Hauptrolle. Dabei ist sie anders als der namenlose Protagonist aus Deliver Us The Moon eine ausgearbeitete und tragende Figur, die einen großen Anteil an der im Vergleich zum Vorgänger deutlich besser inszenierten und spannenderen Geschichte hat. Das wird bereits daran deutlich, dass wir Kathys Vergangenheit in mehreren Rückblicken, auch später im Spiel, erleben. Schon zu Beginn des Spiels erleben wir entsprechende Szenen ihrer Kindheit oder dürfen als Technikerin für die WSA auf der Erde tätig werden. Dieser ausführlichere Prolog hilft uns dabei Kathy und auch die anderen drei Astronauten, die zum Mars reisen, kennenzulernen. Hier zeigt sich ein weiterer Unterschied zum Vorgänger: In Deliver Us Mars sind wir nicht mehr die ganze Zeit alleine, sondern interagieren mit anderen Personen, die ihren Teil zur Geschichte beitragen.

Dabei spielen neben der Suche nach der Arche und der Hoffnung für die Menschheit auch Kathys persönliche und familiäre Beweggründe eine wichtige Rolle in der Geschichte. Auch das wird früh deutlich und verknüpft sich gekonnt mit der Handlung. Schließlich erwartet uns auf dem Mars wie schon im Vorgänger eine verlassene Kolonie, deren Geheimnisse ergründet werden wollen. Datenpads, Chatlogs und Hologrammaufzeichnungen liefern uns hierbei die nötigen Einblicke in die Geschehnisse auf der Kolonie. Doch zusätzlich zu dieser aus dem Vorgänger bekannten Erzählstruktur kommt die direkte Interaktion von Kathy mit der Spielwelt. Sie spricht nicht nur mit den anderen Figuren, sondern reagiert auch auf Hologramme oder gefundene Hinweise. Dadurch gelingt es Deliver Us Mars eine spannende Weltraumdrama-Geschichte zu erzählen. Gleichzeitig wird auch der Vorgänger aufgewertet, da kleinere Verweise auf die Mondmission dieser zusätzliche Tiefe verleihen. Der namenlose Protagonist aus Deliver Us The Moon erhält sogar endlich einen Namen. Zwingend erforderlich ist es aber nicht, den ersten Teil gespielt zu haben. Auch ohne Vorkenntnisse, kann der Geschichte von Deliver Us Mars problemlos gefolgt werden.

Rätselndes Erkunden

Beim Gameplay verlässt sich Deliver Us Mars vor allem auf die Grundlagen des Vorgängers. Entsprechend erkunden wir als Kathy den weitgehend linear gestalteten roten Planeten und lösen regelmäßig Rätsel, um weiterzukommen. Dabei setzt das Adventure neben gelegentlichem Einsatz von Kathys Laserschweißgerät, um etwa Abdeckungen zu entfernen oder Verbindungen zu trennen, hauptsächlich auf Energiestrahlrätsel. Bei diesen gilt es, Energiestrahlen von ihrem oft beweglichen Ursprungsort aus so zu platzieren und auszurichten, dass sie in gerader Linie einen Empfänger erreichen. Zu beachten ist dabei, dass die richtige Menge Energie am Zielort ankommt. Benötigt ein Gerät etwa zwei Energieeinheiten, um aktiviert zu werden, darf dieser Wert weder unter- noch überschritten werden. Oft müssen wir auch mehrere Empfänger mit nur einem Energiestrahl versorgen, so dass wir Verteiler oder ähnliche Zusatzgeräte zwischen Strahler und Empfänger platzieren müssen. Zudem sind wir oft auf den Einsatz unserer Drohne, die wir aus der First-Person-Perspektive steuern dürfen, angewiesen. Die Rätsel fallen komplexer und knackiger aus als im Vorgänger, lassen aber an Abwechslung vermissen. Auf andere Knobelaufgaben haben die Entwickler komplett verzichtet.

Gleichzeitig fallen die Action- und Zeitdruckabschnitte aus Deliver Us The Moon ebenfalls weg. Das ist jedoch eine gute Entscheidung, da sich Deliver Us Mars so wesentlich stärker auf die spannende Geschichte, die gut geschriebenen Charaktere und die tolle Atmosphäre konzentrieren kann. Allerdings bedeutet das nicht, dass es abseits der Energiestrahlrätsel keine anderen Gameplay-Mechaniken gäbe. Wie schon im Vorgänger sind wir regelmäßig außerhalb von Gebäuden und somit in sauerstofffreien Gebieten unterwegs. Hier gilt es auf unsere Sauerstoffanzeige zu achten. Ähnlicher Druck wie beim Vorgänger bleibt jedoch aus. Unser Sauerstofftank füllt sich beim Betreten eines Gebäudes immer automatisch und zu keiner Zeit hatten wir das Gefühl, aufgrund mangelnden Sauerstoffs Probleme zu bekommen. Dennoch trägt die angedeutete Knappheit genauso wie Abschnitte in Schwerelosigkeit zur Stimmung des Adventures bei.

Natürliches Klettern

Die vielleicht größte Gameplay-Neuerung von Deliver Us Mars ist das Klettern. Überall auf dem Mars oder den Gebäuden der Kolonie, muss sich Kathy einen Weg an steilen Wänden bahnen. Dafür greift sie auf zwei Kletteräxte zurück, die separat gesteuert werden. Genau bedeutet das, wir steuern Kathy ziemlich frei beim Erklimmen von Wänden. Jeder Hand und somit Kletteraxt ist eine der Schultertasten zugewiesen. Drücken wir diese, schlägt Kathy diese in loses Gestein, Isolierung oder andere Stellen an denen wir uns festklammern können. Anschließend müssen wir den anderen Arm ausrichten, uns Halt suchen und die vorherige Schultertaste wieder loslassen, denn nur solange wir diese halten, bleibt die Kletteraxt an Ort und Stelle. Anschließend bewegen wir den nun gelösten Arm und suchen eine andere Stelle, um uns festzuhalten, bevor wir mit dem zweiten Arm nachziehen. Klingt komplizierter als es sich nach kurzer Eingewöhnung spielt. Die Klettermechanik ist überraschend intuitiv und fühlt sich angenehm natürlich und zugleich fordernd an. Nur wenn wir aufpassen, vermeiden wir Abstürze. Die Funktionen des Dual-Sense-Controllers der PlayStation 5 unterstreichen zudem das gelungenen Klettergefühl.

Grafisch kann Deliver Us Mars genauso wie der Vorgänger fast durchweg überzeugen. Gerade die Umgebungen sind schick und detailreich umgesetzt und leben von schönen Licht- und Schattenspielen. Die manchmal etwas unschönen Charakterdarstellungen können angesichts der sonst ebenfalls gelungenen Animationen den positiven Eindruck kaum schmälern. Zumal dank Motion Capturing deutliche Fortschritte im Vergleich zum Vorgänger erzielt wurden. Gelegentlich flackernde Texturen oder aufploppende Objekte fallen wenig störend auf. Das Adventure trumpft zudem mit einem stimmungsvollen, fantastischen Soundtrack auf, der die dichte Atmosphäre perfekt unterstreicht. Ebenfalls überzeugen kann die deutsche Synchronisation, bei der allen Charakteren glaubhaft Leben eingehaucht wird.

Fazit

Der Mars ist schon seit jeher ein großes Mysterium, ein Wunschziel der Raumfahrt. In zahlreichen Science-Fiction-Spielen, -Filmen, -Serien und -Büchern spielt der rote Planet eine besondere Rolle. Deliver Us Mars ermöglicht es mir, als junge Astronautin Kathy selbst den Mars zu erkunden und dabei eine spannende Geschichte rund um Weltrettung und Familiendrama zu erleben. Besonders die deutlichen Fortschritte im Vergleich zu Deliver Us The Moon in Sachen Erzählweise und Inszenierung zeigen, wie stark KeokeN Interactive von der Unterstützung des Publishers Frontier Developments profitiert. Angesichts der packenden Atmosphäre, des großartigen Weltraumabenteuer-Gefühls, den gut geschriebenen, interessanten Charakteren und der spannenden Geschichte verzeihe ich die fehlende Abwechslung bei den Rätseln gerne. Zumal kleinere Abschnitte in Schwerelosigkeit, Erkundung des Planeten sowie die meiner Meinung nach großartige Klettermechanik für ausreichend Variation ins Gameplay bringen. Auch der Verzicht auf knallige Action und der Fokus auf ein ruhiges Weltraumabenteuer gefallen mir, da sich Deliver Us Mars dadurch erfrischend anfühlt. Fans fesselnder und ruhiger Science-Fiction-Dramen sollten Deliver Us Mars unbedingt eine Chance geben.

Kurzfazit: Atmosphärisches Science-Fiction-Adventure, das trotz fehlender Rätselabwechslung mit interessanten Gameplaymechaniken und vor allem vielschichtigen Charakteren und spannender Weltraumdrama-Geschichte überzeugt.

Vielen Dank an Frontier Developments & KeokeN Interactive für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Deliver Us Mars!

Details
Titel: Deliver Us Mars
Genre: Adventure
Publisher: Frontier Developments
Entwickler: KeokeN Interactive
Spieler: 1
Syteme: PlayStation 5 (getestet), PlayStation 4, Xbox Series X|S, Xbox One, PC
Altersfreigabe: ab 16
Erscheinungsdatum: 02. Februar 2023

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