Rezension: Persona 3 Reload (Xbox Series X)

Während der Dark Hour stellt sich eine Gruppe Jugendlicher in Persona 3 Reload den gefährlichen Schatten entgegen.

Erstmals veröffentlichte Atlus Persona 3 2006 in Japan für die PlayStation 2. Fast zwei Jahre später schaffte es das japanische Rollenspiel erst in Europa auf den Markt. Noch im selben Jahr wurde die 2007 in Japan erschienene erweiterte Fassung Persona 3 FES auch in Europa veröffentlicht und ergänzte das Spiel um einen umfangreichen Epilog. Das zwischen 2009 und 2011 weltweit veröffentlichte Persona 3 Portable brachte das Rollenspiel auf Sonys PlayStation Portable, krempelte das Gameplay teilweise um und spendierte dem Titel eine weibliche Protagonistin. Bei dem Anfang Februar 2024 für PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox Series X|S, Xbox One, Nintendo Switch und den PC veröffentlichten Remake Persona 3 Reload handelt es sich allerdings um keine Kombination der bisherigen Versionen. Vielmehr hat sich Atlus bei der Neuumsetzung des Rollenspiels auf die Ursprungsfassung konzentriert und dieser zahlreiche Neuerungen spendiert. Das ist zwar etwas bedauerlich, da wir gerne ein Komplettpaket aus Persona 3, Persona 3 FES und Persona 3 Portable erlebt hätte, doch auch so präsentiert sich Persona 3 Reload als herausragendes Rollenspiel mit starker Lebenssimulations-Komponente. Zumindest der Epilog aus Persona 3 FES wird als Teil des kostenpflichtigen Expansion Pass unter dem Titel Episode Aigis: The Answer voraussichtlich im September 2024 als DLC nachgereicht.

Dunkle Stunde

In Persona 3 Reload schlüpfen wir in die Rolle eines Oberschülers, der neu an die Gekkoukan High School wechselt und erst spät nachts in Iwatodai ankommt. Dort geht etwas seltsames vor sich, denn plötzlich fällt der Strom aus und die Stadt scheint menschenleer. Stattdessen säumen Särge die Straßen und Bürgersteige. Natürlich lässt sich unser noch namenloser Protagonist davon nicht beirren, schließlich muss er zu seinem Wohnheim. Dort angekommen, wählen wir bei der Unterzeichnung eines seltsamen Vertrags, den uns ein mysteriöser Junge präsentiert, unseren Namen. Anschließend treffen wir auf zwei Mitbewohnerinnen des Wohnheims, die uns mit Schusswaffen begrüßen, bevor wir in unser Zimmer geführt werden. Dass etwas Geheimnisvolles vor sich geht, war schon vorher klar, ist aber nun offensichtlich. Den Protagonisten lässt das aber trotzdem relativ kalt. Hier zeigt sich der typische stumme Rollenspiel-Hauptcharakter, der aufgrund unserer gewählten Antworten in Gesprächen mehr Persönlichkeit erhält als in anderen Genre-Vertretern.

Es dauert etwas, bis wir erstmals in die Geschicke um die sogenannte Dark Hour gezogen werden. Diese Stunde zwischen Mitternacht und ein Uhr nehmen nur wenige Menschen wahr. Wir gehören wenig überraschend zu den Auserwählten und sind auch noch besonders geeignet. Schließlich halten wir uns bei der ersten Begegnung mit einem der gefährlichen Schatten, die in der Dark Hour bekämpft werden müssen, kurzerhand die Pistole unserer Mitbewohnerinnen und Klassenkameradin Yukari an den Kopf und drücken ab, um aus reinem Instinkt unsere Persona zu beschwören und gegen die angreifenden Schatten antreten zu können. Anschließend ist es unsere Aufgabe, mit den anderen Bewohnern des Wohnheims in der Dark Hour die Schatten zu bekämpfen und den geheimnisvollen, riesigen Turm Tartarus zu erkunden und dessen Geheimnisse zu lüften. Zumal die Schatten Einfluss auf die Menschen haben und mit einer ungewöhnlichen Krankheit in Verbindung stehen. Die Geschichte entwickelt sich schon früh überaus spannend, präsentiert einige packende Wendungen und profitiert zusätzlich von den grandios geschriebenen, authentischen, vielschichtigen Charakteren.

Alltag eines Oberschülers

Wie für die Persona-Reihe üblich, teilt sich das Gameplay von Persona 3 Reload in zwei Bereiche auf. Einen nicht geringen Teil nimmt unser Leben als Oberschüler ein. Wir lernen neue Freunde kennen, verbringen Zeit mit ihnen, schließen uns Schulclubs an, besuchen Spielhalle, Karaoke-Bar und andere Einrichtungen, lernen oder spielen an unserem Computer. Wie wir unsere Freizeit verbringen, hat maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung unseres Charakters. So bauen wir zu unseren Freunden und Bekannten sogenannte Social Links auf. Verbringen wir regelmäßig Zeit mit den verschiedenen Personen, steigern wir die Stufe der jeweiligen Social Links. Dadurch lernen wir nicht nur unser Umfeld besser kennen und erleben einige fesselnde Geschichten, in denen auch ernste und harte Themen wie Mobbing, der Verlust eines geliebten Menschen oder von der Gesellschaft nicht akzeptierte Liebe angesprochen werden. Hier zeigt sich eine der Stärken von Persona, die alle Charaktere großartig umsetzt und uns glaubhafte Menschen an die Seite stellt. Da unsere Verbindungen über die Social Links direkten Einfluss auf unsere Personas haben, sind wir umso interessierter, unsere Beziehungen zu verbessern. Darunter sind auch ein paar Romanzen möglich.

Es ist jedoch nicht nur wichtig, unsere sozialen Beziehungen zu pflegen. Auch unserer Persönlichkeit sollten wir Aufmerksamkeit widmen. So dürfen wir unsere Sozialwerte in den Bereichen Charme, Mut und Wissen verbessern. Das ist essentiell, da einige Freundschaften und somit Social Links nur bei ausreichend ausgeprägtem Level in bestimmten Sozialwerten verfügbar sind. Zudem können wir manche Räume oder Einrichtungen nur mit ausreichend Mut, Wissen oder Charme betreten. Entsprechend lernen oder arbeiten wir, essen spezielle Gerichte oder beantworten im Unterricht Fragen, um mutiger, charmanter oder intelligenter zu werden. Zwar ist nicht immer vollkommen logisch, weshalb wir beispielsweise durch ein Weisheits-Menü wirklich mehr Wissen erhalten, doch das ist irrelevant, da wir auf die Ergebnisse stets vorher hingewiesen werden. Das ist auch wichtig, weil unsere Freizeit stark begrenzt ist. An Schultag können wir lediglich am Nachmittag und ab einem bestimmten Zeitpunkt abends jeweils eine Aktion durchführen. Es will also gut überlegt sein, wie wir die zahlreichen Möglichkeiten am besten nutzen und wann wir uns auf welche Freundschaft konzentrieren oder wann wir uns unseren Sozialwerten widmen wollen.

Nächtlicher Dungeon

Zusätzlich dürfen wir abends auch den einzigen Dungeon im Spiel, den riesigen Turm Tartarus, besuchen. Hier stellt sich ein wenig die Frage, weshalb wir die Abend-Aktion verlieren, wenn wir um Mitternacht den Turm betreten. Dadurch sind wir angehalten, uns gut zu überlegen, wann wir lieber Freizeitaktivitäten nachgehen und wann wir uns der Dungeon-Erkundung widmen. Letztere ist der zweite große Bereich von Persona 3 Reload. Gemeinsam mit unseren Mitstreitern aus dem Wohnheim, die zusammen als S.E.E.S.-Team agieren, stellen wir uns den Schatten im Tartarus entgegen. Hier ist Persona 3 Reload ein klassischer Dungeon-Crawler. Entsprechend erkunden wir eine Ebene nach der anderen, bekämpfen Gegner und plündern Schatztruhen. Auffällig ist, dass die Optik des Tartarus stets einige Ebenen identisch bleibt und sich nur selten ändert. Das gilt jedoch vorwiegend für die Optik, da der Aufbau trotz kleiner Änderungen nur wenig Abwechslung bietet. Dem Spielspaß oder der Motivation schadet das jedoch kaum, da die Kämpfe und der Handlungsfortschritt weitaus wichtiger sind.

Treffen wir auf Schatten, können wir uns an diese anschleichen und mit einem gezielten Schwertschlag von hinten einen Kampf zu unserem Vorteil beginnen. Werden wir hingegen vor Kampfbeginn erwischt, sind wir im Nachteil. Ansonsten präsentiert sich Persona 3 Reload recht klassisch JRPG. In einer Kampfarena stehen sich unsere Gruppe und die Gegner gegenüber. Rundenweise wählen wir verschiedene Befehle für unsere Charaktere aus. Dabei können wir mit unserer Waffe angreifen, verteidigen, Items einsetzen oder unsere Persona beschwören. Während unsere Begleiter jeweils nur über eine Persona verfügen, dürfen wir als Protagonist mehrere ausrüsten und zwischen ihnen auch im Kampf wechseln. Ein entscheidender Vorteil, da wir uns so an die Gegebenheiten des Kampfes anpassen können.

Vielschichtige Personas

Es gilt die Stärken, Resistenzen und Schwächen von Gegnern und unserer Gruppe zu bedenken. Schaffen wir es, einen Schatten mit einem Angriff gegen dessen Schwäche anzugreifen, wird dieser zu Boden geworfen und wir erhalten einen weiteren Zug. Diesen Bonus-Zug dürfen wir auch an eines unserer Gruppenmitglieder abgeben. Auf diese Weise können wir Angriff an Angriff reihen und bestenfalls alle Gegner niederringen. Gelingt uns das, dürfen wir einen starken Gruppenangriff auslösen, der allen Feinden ordentlich Schaden zufügt. Besonders bei den herausfordernden, abwechslungsreichen und zahlreichen (Mini-)Boss-Kämpfen ist das essentiell für den Erfolg. Zugleich sollten wir vermeiden, dass unsere Gruppe selbst mit Angriffen auf ihre Schwächen in Schwierigkeiten gerät. Gerade aufgrund der verschiedenen Personas und Gruppenmitglieder fühlen sich die Kämpfe angenehm taktisch an und sind zugleich überaus intuitiv.

Natürlich sammeln wir wie in Rollenspielen üblich Erfahrungspunkte und steigen im Level auf. Das gilt auch für unsere Personas, die dadurch auch neue Fähigkeiten erlernen können. Zudem rüsten wir neue Waffen, Rüstungen, Schuhe und Accessoires aus, um unsere Abwehr zu erhöhen und Boni-Effekte zu erhalten. Das ist jedoch nicht alles. Besuchen wir den geheimnisvollen Velvet Room, können wir erhaltene Personas miteinander fusionieren, um neue, mächtigere Personas zu erschaffen. Hier greifen auch die Social Links, da wir je nach Stufe unserer Bindungen Boni beim Erschaffen von Personas mit zugehöriger Kategorie erhalten. Zugleich verbessert sich ein Social Link und die zugehörige Beziehung schneller, wenn wir Personas mit entsprechender Kategorie besitzen. Da die Anzahl an Personas begrenzt ist und erst mit der Zeit ansteigt und wir keine Personas über unserem eigenen Charakterlevel erschaffen dürfen, gibt es immer wieder etwas Neues zu entdecken. Bereits erhaltene Personas, die wir entweder freigelassen oder beim Fusionieren verloren haben, können wir für Geld jederzeit wieder beschwören.

Wunderschöne Gestaltung

Elizabeth, die uns im Velvet Room gemeinsam mit ihrem Meister Igor zur Seite steht, erteilt uns nach einiger Zeit auch Aufträge. Das sind meist eher simple Aufgaben wie das Besiegen einer bestimmten Gesamtzahl an Schatten oder das Besorgen von Gegenständen. Dennoch bringen die Aufträge zusätzliche Abwechslung ins Spiel und wir erhalten angemessene Belohnungen. Außerdem hängen die Aufträge direkt mit unserer Bindung zu Elizabeth zusammen. Damit zeigt sich einmal mehr, wie gut alle Elemente von Persona 3 Reload miteinander verknüpft sind. So verdienen wir bei Nebenjobs nicht nur Geld, sondern erhöhen auch unsere Sozialwerte. Treffen mit Gruppenmitgliedern können die Werte ihrer Personas steigern und passende Sozialwerte öffnen uns neue Optionen und Freundschaften. Etwas bedauerlich ist allerdings, dass ausgerechnet die Social Links mit unseren Gruppenmitgliedern und Mitbewohnern erst recht spät zur Verfügung stehen. Einige Charaktere verfügen sogar über keinen Social Link, was wir als vertane Chance ansehen, diesen Figuren mehr Aufmerksamkeit schenken zu können. Das ist allerdings nur einer der wenigen Kritikpunkt an Persona 3 Reload, das sowohl bei der Geschichte als auch Charakteren, Atmosphäre und Gameplay erstklassig ist.

Das gilt auch für die wunderschöne optische Präsentation. Wie von der Persona-Reihe gewohnt, setzt auch Persona 3 Reload auf eine stilistisch eigenständige Darstellung, die sich in Menüs und Anzeigen widerspiegelt und hervorragend ins Spiel einfügt. Zudem sieht das Rollenspiel einfach schick aus und brilliert mit einer detailreichen Grafik, schön gezeichneten Charakterartworks und hochwertigen Anime-Zwischensequenzen. Schon dadurch wird eine dichte Atmosphäre erzeugt, die vom grandiosen Soundtrack, der überarbeitete und komplett neue Lieder umfasst, nur noch unterstrichen wird. Persona 3 Reload ist musikalisch herausragend. Dazu gesellen sich eine sehr gute japanische Vertonung sowie die für das Remake komplett neu erstellte, nicht weniger gelungene englische Sprachausgabe. Begleitet wird die Geschichte von sehr guten deutschen Texten. Damit ist Persona 3 Reload ein audiovisueller Hochgenuss, der technisch auf der Xbox Series X ausgezeichnet umgesetzt ist.

Fazit

Bisher habe ich Persona 3 noch in keiner Version gespielt, weshalb ich bereits gespannt auf das Remake war. Schließlich gehört Persona 5, besonders in der Royal-Version, zu den besten Rollenspielen der letzten zehn Jahre. Persona 3 Reload hat mich mit der audiovisuellen Brillanz sofort in den Bann gezogen und auch das Gameplay hat mit schnell gefesselt. Dabei verbringe ich gerade zu Beginn weitaus mehr Zeit mit der Geschichte und dem Alltag des Protagonisten als mit Kämpfen und Dungeon-Erkundung. Doch die Lebenssimulations-Komponente trägt einen maßgeblichen Teil zur Faszination des Rollenspiels bei. Zumal jede Aktion Einfluss auf Charaktere und Personas hat. Entsprechend wichtig ist es, dass ich meine Freundschaften vertiefe, um die Social Links zu verbessern. Dass ich dabei außerdem fesselnde Geschichten mit ernsten Themen erleben darf, sorgt für zusätzliche Motivation. Manchmal war ich sogar mehr am Schicksal einer Figur interessiert als an der Fortsetzung der Haupthandlung. Daran zeigt sich, wie großartig die Charaktere geschrieben sind. Umso bedauerlicher ist es, dass einige Gruppenmitglieder keine eigenen Social Links und somit weitaus weniger ausgearbeitete eigene Geschichten abseits der Haupthandlung haben. Das ist jedoch genauso wie die geringe Abwechslung im Tartarus-Dungeon meckern auf hohem Niveau und die einzigen Kritikpunkte an Persona 3 Reload. Das Rollenspiel versteht es, mit Schüleralltag, Story und Kämpfen zu fesseln und reichlich Spielspaß zu bieten. Für mich eines der bisher besten Spiele des Jahres!

Kurzfazit: Grandioses Rollenspiel, das mit vielschichtigem Gameplay, großartig geschriebenen Charakteren und spannender Geschichte ein faszinierendes Spielerlebnis und fesselnden Genre-Spaß garantiert.

Vielen Dank an Sega und Atlus für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Persona 3 Reload!

Details
Titel: Persona 3 Reload
Genre: Rollenspiel
Publisher: Sega
Entwickler: Atlus
Spieler: 1
Syteme: Xbox Series X|S (getestet), Xbox One, PlayStation 5, PlayStation 4, PC
Altersfreigabe: ab 16
Erscheinungsdatum: 02. Februar 2024

©ATLUS. ©SEGA. All rights reserved. SEGA is registered in the U.S. Patent and Trademark Office. ATLUS, the ATLUS logo and Persona 3 Reload are registered trademarks or trademarks of ATLUS Co., Ltd. or its affiliates. SEGA and the SEGA logo are registered trademarks or trademarks of SEGA CORPORATION or its affiliates. All other trademarks, logos and copyrights are property of their respective owners.

Lesetipp: Rezension: Persona 5 Tactica (Xbox Series X)
Lesetipp: Rezension: Persona 5 (PS4)
Lesetipp: Rezension: Persona 3 The Movie 1: Spring of Birth – Director’s Cut (Blu-ray)