Rezension: Prey (PS4)

Prey zeigt sich im Test weniger als Ego-Shooter als gedacht und offenbart überraschend viele Freiheiten.

Der Weg des neuen Prey war lang. Ursprünglich als Prey 2 und Nachfolger des 2006 erschienen Ego-Shooters Prey 2011 angekündigt, wurde das von den Human Head Studios entwickelte Projekt 2014 eingestellt. Später kehrte der Titel ohne Zusatz und mit den Dishonored-Machern der Arkane Studios als Entwickler zurück. Ein Reboot stand an. Doch die Gemeinsamkeiten mit dem ursprüngliche und dem neuen Prey sind minimal. Science-Fiction, Aliens, Ego-Perspektive. Statt eines waschechten Ego-Shooters haben die Arkane Studios und Publisher Bethesda aus Prey viel mehr ein Action-Adventure mit Survival-Horror- und Shooter-Elementen aus der Ego-Perspektive erschaffen. Damit steht Prey weit weniger in einer Reihe mit seinem Vorgänger als mit Titeln wie Bio Shock und ganz besonders System Shock. Ein typisches Mainstream-Triple-A-Spiel ist Prey dabei keinesfalls. Hoher Schwierigkeitsgrad, eingeschränkte Hilfen, verpassbare Waffen und Gegenstände, viele Freiheiten und das in einer stilistisch stimmigen Umgebung, die eine interessante Mischung aus Level-Architektur und freier Spielwelt darstellt. Doch Beginn wir am Anfang.

Einsame Erkundung

In Prey schlüpft ihr in die Rolle von Morgan Yu. Wahlweise könnt ihr als männlicher oder weiblicher Protagonist die Raumstation Talos I erkunden. Auf das Spiel an sich hat diese Entscheidung jedoch keinen Einfluss. Morgan ist Teil eines Experiments des Unternehmens TranStar als sich plötzlich alles verändert. Eines Morgens erwacht ihr und die Raumstation ist von schattenartigen Aliens, den Typhon, überrannt worden. Überall findet ihr Leichen auf der verlassen wirkenden Talos I. Atmosphärisch packend, gilt es nun, die Abteilungen zu erkunden und hinter die Geheimnisse der Forschungen zu kommen. Ohne Gedächtnis stoßt ihr auf zahlreiche offene Fragen und müsst auch begreifen, welche Rolle ihr selbst in all dem spielt. Das ist spannend erzählt und veranlasst zum Weiterspielen. Schon nach kurzer Zeit wollte ich wissen, was es mit den Ereignissen auf der Talos I auf sich hat und habe mich von der Atmosphäre, Geschichte und Spielwelt fesseln lassen. Prey mag zwar nicht an einige erzählerische Meisterwerke herankommen, bleibt aber dennoch auf hohem Niveau.

Großen Einfluss darauf hat neben der Haupt-Geschichte auch die Spielwelt mit ihren Nebenquest und Randgeschichten. Wie ihr Prey erlebt, ist euch überlassen. Folgt ihr strikt den Hauptaufgaben, bleibt euch vieles Verschlossen. Grob könnte man sagen, der rote Faden macht etwa ein Drittel des Spiels aus. Die restlichen zwei Drittel umfassen zahlreiche E-Mails mit teils erschreckenden Schicksalen, Audio-Nachrichten oder auch nur zufälligen Hinweisen in der Spielwelt. Dabei ist es egal, ob es nun um Besatzungsmitglieder der Talos I geht oder zusätzliches Wissen zur vielleicht nicht neuen, aber dafür exzellent umgesetzen Hintergrundgeschichte vermittelt wird. Oft ist das mit Nebenaufgaben, die unerwartet viel Einfluss auf die Hauptquests haben können, verbunden. So ist es etwa komplett optional, ob ihr eine bestimmte Person rettet. Macht ihr dies jedoch, eröffnen sich euch neue Möglichkeiten im Finale. Und hier fangen die Freiheiten von Prey erst an.

Freiheit

Auch spielerisch werden euch weitaus mehr kreative Möglichkeiten an die Hand gegeben, als es für vergleichbare Spiele üblich ist. Ihr steht vor einer verschlossenen Tür? Kein Problem, wenn ihr den richtigen Code oder die zugehörige Schlüsselkarte habt. Ob ihr diese findet, hängt jedoch von eurer eigenen Erkundung ab. Die Entwickler geben euch nur selten eine direkte Hilfe an die Hand. Questmarker werden lediglich rudimentär eingesetzt und gerade bei wichtigen Gegenständen verrät euch keine Markierung, wo diese zu finden sind. Das heißt jedoch nicht zwingend, dass ihr den Raum nicht betreten könnt. Vielleicht steht euch eine andere Möglichkeit offen. Etwa kann ein Codefeld gehackt werden; wenn eure Hacking-Fähigkeit hoch genug ist. Oder ein alternativer Weg, versperrt durch schwere Kisten, ermöglicht euch ein Betreten des Raums. Vorausgesetzt, ihr habt eure Stärke-Fähigkeit ausgebaut. Doch selbst wenn das nicht der Fall ist, könnt ihr noch kreativ werden. Vielleicht hilft die richtige Platzierung einer explosiven Gasflasche, um den Weg freizulegen. Diese Möglichkeit, mit der Einrichtung zu interagieren, zeigt die wahre Freiheit von Prey. Schließlich ermöglicht es euch kaum ein Spiel, die eigentlichen Mechaniken und Wege durch bloße Kreativität zu umgehen. Großartig.

Einen maßgeblichen Anteil daran hat auch das grandiose Level-Design. Die Arkane Studios haben bereits mit den beiden Dishonored-Spielen bewiesen, dass die Entwickler es verstehen offene, klar strukturierte, freie und abwechslungsreiche Umgebungen zu gestalten. Allerdings waren die Abschnitte jeweils für sich genommen. Mit der Talos I wurde nun eine an sich offene Welt geschaffen, die jedoch keine große, weite Fläche umfasst, sondern die miteinander verbundenen Abteilungen einer riesigen Raumstation. Lediglich die Ladezeiten zwischen zwei Abschnitten können mitunter etwas stören. Dafür entschädigt aber der logische und glaubhafte Aufbau der Talos I sowie die überaus gelungene Einbindung des Weltraums. Relativ früh im Spiel dürft ihr bereits die Station verlassen und euch mit einer der besten Steuerungen in Schwerelosigkeit die ich jemals erlebt habt, in der Umgebung der Station bewegen. Aufgrund nachvollziehbarer Einschränkungen, die logisch erscheinen, gelingt es zudem, den Eindruck zu vermeiden, weshalb man gewisse Spielabschnitte nicht einfach überspringen kann, um durch den freien Raum schneller voran zu kommen.

Gelungene Verbindung

Dass ihr zwischendurch ganz Ego-Shooter-like auch auf Gegner schießt, sorgt für die nötige Abwechslung. Für einen richtigen Genre-Vertreter sind jedoch das Waffenhandling und -feedback nicht gut genug. Ausreichend sicherlich, aber nicht auf einem Niveau, wie es bei solchen Spielen üblich ist. Einmal mehr wird deutlich, dass Prey trotz seiner Wurzeln und Shooter-Elemente eben doch mehr ein Action-Adventure ist. Erkundung ist wichtiger. Dazu kommen die Survival- und Horror-Elemente. Gerade zu Beginn habt ihr mit Munitionsknappheit, einem stark begrenzten Inventar und der Zufälligkeit zu kämpfen. Dem schließt sich das Gefühl der Einsamkeit und Gefahr an. Prey vermittelt eine bedrückende Stimmung. Ihr seid alleine auf einer Raumstation, umgeben von Leichen und feindseeligen Aliens. Erst später begegnet ihr anderen Überlebenden, doch auch dann bekommt ihr nicht das Gefühl, wirklich sicher zu sein. Dafür gibt es zwei einfache Gründe. Erstens ist es dem Zufall überlassen welche Waffen ihr findet. Diese liegen nicht einfach so verteilt, sondern sind an logisch nachvollziehbaren Orten auf der Raumstation platziert. An zweiter Stelle steht der hohe Schwierigkeitsgrad. Prey ist selbst auf der niedrigsten Stufe nicht zimperlich. Automatische Lebensenergieregenerierung gibt es nicht. Medi-Kits sind Mangelware und die Aliens sind stark. Letzteres gleicht die schwache KI der Gegner aus. Taktisch gehen diese nicht vor. Stattdessen setzen sie auf blinden Angriff und die Heftigkeit ihrer Attacken. Ein wenig bedauerlich, aber das fällt angesichts der hohen Qualität von Prey kaum ins Gewicht.

Während eurer Zeit auf der Talos I lernt ihr in Talentbäumen neue Fähigkeiten. Anfangs stehen drei mit klassischen Möglichkeiten wie höhere Gesundheit, größeres Inventar oder eben nützlichem wie Hacking zur Verfügung. Nach einige Spielstunden gesellen sich drei weitere Talentbäume dazu, die genauso umfangreich ausfallen. Hier ist es möglich mit den für neue Skills notwendigen Neuromods, die sich in der Spielwelt finden lassen, Alien-Talente zu erlernen. Dadurch ergeben sich völlig neue Möglichkeiten. Tarnen, als ein Inventar-Gegenstand wie es die Außerirdischen machen? Kein Problem. Oder als Drohne umherfliegen und Gegner aus dem Hinterhalt zu attackieren. Ebenfalls möglich. Die sowieso bereits hohe Freiheit von Prey erhält dadurch neue Möglichkeiten. Dem schließt sich auch das Craftig-System an. Dieses fällt genauso simpel wie genial aus. In einer Recycling-Maschine könnt ihr sämtliche Gegenstände, die ihr nicht benötigt binnen Sekunden in vier unterschiedliche Elemente aufteilen. Diese Elemente wiederum nutzt ihr an einem Fabrikator um Waffen, Munition, Medi-Kits oder auch Neuromods herzustellen. Vorausgesetzt, ihr habt die entsprechenden Baupläne gefunden. Und wieder gilt: Ob ihr diese findet, hängt ganz von eurem Spielstil und der Erkundung der Spielwelt ab.

Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Technik. Statt der von Dishonored bekannten Void-Engine kommt die Cry Engine zum Einsatz. Beide sind in der Lage viele Objekte in großen Umgebungen darzustellen. Dennoch kommt es gelegentlich zu langen Nachladezeiten von Details, was mitunter etwas seltsam wirken kann. Den Entwicklern ist es nicht nur gelungen grafisch zu überzeugen, sondern auch einen vielleicht nicht einzigartigen, aber faszinierenden Artstil abzuliefern. Art-Déco trifft auf Low- und High-Tech. Das sieht einfach grandios aus, wenn ihr Tonbandgeräte neben Touchscreens vor Holzpaneel-Wänden betrachtet und durch das Fenster einen Blick auf die Station und den Weltraum habt. Diese Thematik zieht sich komplett durch das Spiel und sorgt dafür, dass ein einheitliches Bild geboten wird. Ergänzt wird das durch eine hohe Detailverliebtheit, die den Eindruck erweckt, dass auf der Talos I wirklich Menschen gelebt und gearbeitet haben. Weniger auffällig ist allerdings das Sounddesign. Es befindet sich auf einem gehobenen Niveau, bleibt aber im Rahmen dessen, was von einem Spiel wie Prey zu erwarten ist. Immerhin wird eine sehr gute deutsche Sprachausgabe geboten.

Fazit

Prey mag seine Fehler haben und nicht in allen Punkten überzeugen können, trotzdem ist das neue Spiel der Arkane Studios eine einzigartige Erfahrung. Einen Ego-Shooter sollte man jedoch nicht erwarten. Nicht einmal ein typische Triple-A-Spiel. Dafür ist Prey zu unkonventionell und entfernt sich zu sehr vom Mainstream. Der hohe Schwierigkeitsgrad und die mangelnde Hilfe beim Auffinden aller relevanten Objekte dürfte nicht jedem Spieler zusagen. Wenn man sich aber darauf einlässt, wird zumindest ein gutes, wenn nicht sogar fantastisches Spielerlebnis geboten. Mich persönlich konnte Prey nicht von Anfang an fesseln. Der Spieleinstieg hat zwar einen grandiosen Wow-Moment, doch danach zieht sich das Spielgeschehen, bis sich endlich alles entfalten kann. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat mich Prey gepackt und ich habe es nur noch schwer geschafft den Controller aus der Hand zu legen. Alleine wegen der hohen spielerischen Freiheit lohnt es sich, Prey genauer anzusehen. All jenen, die mal ein etwas anderes Spiel erleben wollen, kann ich nur empfehlen sich auf Prey einzulassen.

Kurzfazit: Spannender Genre-Mix aus Shooter, Action-Adventure und Survival, der mit einer beklemmenden Atmosphäre und spannenden Geschichte fesselt, viel Freiheit bietet und zum erneut Spielen motiviert.

Vielen Dank an Bethesda Softworks für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Prey!

Details
Titel: Prey
Genre: First-Person-Action-Adventure
Publisher: Bethesda Softworks
Entwickler: Arkane Studios
Spieler: 1
Syteme: PlayStation 4 (getestet), Xbox One, PC
Altersfreigabe: ab 16
Erscheinungsdatum: 05. Mai 2017

Bilder Copyright Bethesda Softworks