Rezension: Kaikisen: Zurück ins Meer (Manga)

Yosuke ist in Kaikisen: Zurück ins Meer, hin und her gerissen zwischen Tradition, Moderne und Mythen über Nixen.

Seit Jahrhunderten hegt die Familie der Shinto-Priester des Fischerdorfes Amide ein Geheimnis. Sie hüten das Ei einer Nixe, das alle sechzig Jahre ans Meer zurückgegeben werden muss. Als Dank soll Amide mit ruhiger See, gutem Wetter und reichen Fischvorkommen gesegnet sein. Allerdings hält die moderne Urbanisierung, Tourismus und Kommerzialisierung Einzug in den ländlichen Ort. Die alten Traditionen sind in Gefahr und drohen zu einer Attraktion zu werden. Yosuke, Sohn des Shinto-Priesters Yozo Yashiro, kümmert sich täglich um das in einem Schrein gehütete Ei. Schon bald findet er sich zwischen dem traditionellen Glauben seines Großvaters an die alten Mythen und den Überzeugungen seines Vaters, der Notwendigkeit einer Modernisierung von Amide wieder. Der Konflikt droht das ganze Dorf zu zerreißen. Ist die alte Legende der Nixe wahr?

Alte Traditionen, moderne Ansichten

Bei Kaikisen: Zurück ins Meer handelt es sich um die erste Fortsetzungs-Manga-Reihe von Satoshi Kon. Erstmals ist die phantastische Mystery-Geschichte von März bis Juni 1990 im Young Magazine von Kodansha erschienen, bevor später eine leicht überarbeitete Fassung als Manga-Band veröffentlicht wurde. Anders als viele bekannte Werke von Satoshi Kon wie Perfect Blue, Paprika oder Paranoia Agent, verzichtet Kaikisen vollständig auf Psychodrama- und Thrillerelemente. Stattdessen wird eine fantasievolle Geschichte über einen alten Mythos, den Konflikt zwischen Tradition und Moderne sowie die Streitigkeiten eines ländlichen Dorfes über die Urbanisierung ihrer Heimat erzählt. Dabei versteht es Satoshi Kon sowohl die Konflikte im fiktiven Amide als auch die rein wirtschaftlichen Interessen von Firmenchef Ozaki glaubhaft und realistisch umzusetzen.

Zugleich erhält die Tradition der Shinto-Priester und des Nixen-Eis viel Aufmerksamkeit und wird gemeinsam mit den Zweifeln an der Legende vermittelt. An letzterem ist besonders Yosuke als Protagonist und Sohn des Shinto-Priesters in dreiundzwanzigster Generation verantwortlich. Mit dem Ziel, Amide zu verlassen, um zu studieren, hat er dem Fischerdorf zumindest teilweise den Rücken gekehrt. Gleichzeitig ist er unsicher, ob er an die Geschichte der Nixe glaubt, kümmert sich aber täglich aufopferungsvoll um das Ei. Sein innerer Konflikt nimmt ebenfalls einen wichtigen Teil der Geschichte ein und wird von Natsumi, die nach mehreren Jahren nach Amide zurückkehrt und eher der Legende zugetan ist, zusätzlich vorangetrieben. Obwohl Kaikisen über weite Teile sehr ruhige und gemächlich erzählt ist, sind es die gut geschriebenen Dialoge, die gelungenen Charaktere und die glaubhafte Erzählweise, die für Spannung sorgen. Selbst kleine Streitigkeiten über den Verkauf von Land oder den Umgang mit einer Insel vor Amide tragen viel zur Atmosphäre des Mangas bei.

Gleichzeitig versteht es Satoshi Kon, mit detailreichen Zeichnungen wunderschöne Landschaften darzustellen. Dadurch wird noch deutlicher, was die Modernisierung von Amide zerstört und was möglicherweise abseits der Nixen-Legende und dem Wohlwollen des Meeres für immer verloren geht. Selbst etwas einfacher gestaltete Momente fügen sich hierbei gekonnt ein, da sie auf die Figuren fokussiert sind und dazu beitragen, dass die Charaktere noch besser zur Geltung kommen. Sogar die anziehende Inszenierung inklusive bodenständiger Action, passen hervorragend zu Kaikisen und gipfeln schließlich in einem aufsehenerregenden, vielleicht etwas übertriebenen, aber zur Geschichte passenden Ende. Damit bietet der Manga stimmungsvolle Fantasy-Mystery-Unterhaltung mit bodenständigem Unterbau und einigen ernsten Themen.

Fazit

Alleine der Name Satoshi Kon als Mangaka hat ausgereicht, um mein Interesse an Kaikisen: Zurück ins Meer zu wecken. Schließlich hat mich der vor allem als Regisseur bekannte Mangaka bereits unter anderem mit der nicht abgeschlossenen, zweiteiligen Manga-Reihe Opus überzeugt. Außerdem klingt die Geschichte genauso interessant, wie sie letztlich auch ist. Kaikisen hat mich von der ersten Seite an gefesselt und nicht mehr losgelassen. Dabei setzt der Manga eher auf eine ruhige, gemächliche Erzählweise und eine bodenständige Handlung, die allerdings mit reichlich Folklore und Mythen angereichert ist. Gerade diese Mischung aus Tradition und Modernisierung, Realität und Fantasy, ist es, die Kaikisen so gelungen verbindet und zu einer spannenden, interessanten Geschichte vereint. Die gut geschriebenen Dialoge und Charaktere tragen ihren Teil dazu bei und selbst kleinere Klischees und Stereotypen fallen nicht negativ auf. Gleichzeitig wirkt Kaikisen trotz des Alters von mittlerweile fast dreiunddreißig Jahren keineswegs veraltet. Viele der angesprochenen Themen können auch heute, wenn auch auf andere Weise, nachempfunden werden. Für viele Satoshi-Kon-Fans dürfte Kaikisen ein eher ungewöhnliches Werk sein. Wer sich darauf einlässt, erhält einen packenden, stimmungsvollen und unterhaltsamen Fantasy-Mystery-Manga.

Kurzfazit: Faszinierender Fantasy-Mystery-Manga, der eine zugleich phantastische und realistische Geschichte über Tradition, Modernisierung und Mythen erzählt und mit gelungenen Charakteren sowie stimmungsvollen Zeichnungen fesselt.

Vielen Dank an Carlsen Manga für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Kaikisen: Zurück ins Meer – Band 1!

Details
Titel: Kaikisen: Zurück ins Meer – Band 1
Originaltitel: Kaikisen
Genre: Fantasy, Mystery, Drama
Verlag: Carlsen Manga
Mangaka: Satoshi Kon
Seiten: 226
Preis: 16,00 €
ISBN: 978-3-551-79320-1
Verlagsseite: Kaikisen: Zurück ins Meer – Band 1 bei Carlsen
Erscheinungsdatum: 28. Februar 2023

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