Rezension: Welcome to the NHK – Vol. 1 (Blu-ray)

Tatsuhiro hat in Welcome to the NHK Volume 1 seit fast vier Jahren seine Wohnung nicht verlassen und erhält plötzlich unerwartete Hilfe.

Fast vier Jahre ist es her, seit Tatsuhiro Sato das letzte Mal seine Wohnung verlassen hat. Er ist ein eindeutiger Hikkikomori und zudem ein Neet, also weder in Ausbildung, Schule noch hat er eine Arbeit. Außerdem ist Tatsuhiro fest davon überzeugt, eine Verschwörung gegen ihn entdeckt zu haben: Die Nippon Hoso Kyokai (die japanische Rundfunkgesellschaft) ist in Wahrheit die Nippon Hikkikomori Kyokai (die japanische Hikkikomorigesellschaft) und hat das Ziel, Außenseiter mit Animes und anderen Sendungen endgültig zu Hikkikomori werden zu lassen. Fest davon überzeugt, zu den ein Prozent zu gehören, die wirklich Opfer einer Verschwörung werden, will Tatsuhiro nicht eingestehen, dass er ein Hikkikomori ist. Schon gar nicht gegenüber Misaki. Die Achtzehnjährige taucht plötzlich auf und will ihm helfen, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Dafür soll er aber einen Vertrag mit saftiger Strafklausel unterschreiben. Um sich herauszureden, behauptet Tatsuhiro, dass er Entwickler ist und ihr schon bald ein Spiel präsentieren wird. Glücklicherweise ist sein Nachbar, der ihn täglich stundenlang mit dem immer gleichen Anime-Intro nervt, ein angehender Videospielentwickler.

Abgedrehter Wahnsinn

Welcome to the NHK ist bereits im Jahr 2006 im bekannten Studio Gonzo unter der Regie von Yusuke Yamamoto auf Basis einer bisher nicht auf deutsch erschienenen Light-Novel-Vorlage von Autor Tatsuhiko Takimoto entstanden. Die Drama-Comedy-Serie zählt mittlerweile als moderner Anime-Klassiker und wurde Jahre lang im deutschen Markt ignoriert. Animoon Publishing hat das Warten der Fans erhöhrt und veröffentlicht die vierundzwanzig Episoden auf vier Volumes. Erzählt wird die abgedrehte, witzige und tragische Geschichte von Tatsuhiro Sato, der zu Beginn der Serie seit fast vier Jahren seine Wohnung nicht mehr verlassen hat. Damit ist er ein Hikkikomori und zudem als Neet beschäftigungslos. Allerdings ist das natürlich nicht seine Schuld. Vielmehr gehört er zu den ein Prozent, die wirklich Opfer einer Verschwörung werden. Die japanische Rundfunkanstalt verwendet Animes und Ähnliches, um Außenseiter zu Hikkikomori zu machen.

Schon die erste Episode von Welcome to the NHK zeigt, wie verrückt die mittlerweile fünfzehn Jahre alte Serie ist. Tatsuhiros Fantasie ist enorm ausgeprägt und in seinem Wahn träumt er von Alien-Affen, Einsätzen als Spion und anderem vollkommen abgedrehten Dingen. Natürlich auch von der hübschen Misaki, die eines Tages plötzlich vor seiner Tür steht und ihm anschließend helfen möchte, aus seinem Hikkikomori-Dasein auszubrechen. Unscheinbar, geheimnisvoll und doch irgendwie zwielichtig will sie Tatsuhiro zu ihrem Projekt machen und ihn dazu bringen, einen Vertrag zu unterschreiben. Dieser verpflichtet ihn zu regelmäßigen Therapiesitzungen mit der Achtzehnjährigen. Verstößt er dagegen, droht ihm eine saftige Strafzahlung. Aber natürlich ist Tatsuhiro nicht so ohne weiteres bereits, sich als Hikkikomori zu sehen – jedenfalls nicht Misaki gegenüber. Also legt er sich passende Lügen bereit, die ihm nur noch mehr Probleme bereiten.

Tragisch humorvoll

Für einen Hikkikomori mag Tatsuhiro im Verlauf der sechs Episoden von Welcome to the NHK Volume 1 recht häufig vor die Tür gehen, die Schwierigkeiten, die ihm das bereitet, bleiben aber stets offensichtlich. Der Serie gelingt es ausgezeichnet, den Spagat zwischen Witz und Tragik von Tatsuhiros Leben aufzuzeigen und ist dabei keineswegs leicht verdauliche Kost. Zu Recht hat die Serie eine Altersfreigabe ab 16 Jahren erhalten und das liegt nicht nur an den gelegentlich leicht erotischen Elementen. Vielmehr ist es der tragische Alltag von Tatsuhiro, seine offenkundigen psychischen Probleme und der Umgang damit, die der Serie eine enorm ernste und tragische Note verleihen. Tatsuhiro ist gefangen zwischen Sozialphobie, Gesellschaftsdruck, Versagensängsten, unerfüllten Ambitionen und sieht keinen Ausweg aus seiner Lage.

Statt das Hikkikomori-Leben nur als Grundlage für eine witzige Geschichte zu verwenden, verarbeitet die Serie sämtliche Schattenseiten und verbindet diese mit herrlich absurdem und sympathischem Galgenhumor. Regelmäßig betet Tatsuhiro seine eigenen Unzulänglichkeiten vor sich her, versinkt in Erinnerungen an seine gemeinsame Schulzeit mit der älteren Hitomi oder in abgedrehten Fantasien. Selbst Kleinigkeiten bringen ihn dazu, sich noch mehr in seiner Wohnung zu vergraben oder im Angesicht anderer Menschen komplett durchzudrehen, in festem Glauben, dass ihn alle auslachen und für minderwertig halten. Hier zeigt sich wieder, wie schwer verdaulich die Geschichte trotz des wunderbar eingebauten und keineswegs deplatziert wirkenden Humors ist. Welcome to the NHK gelingt vielmehr eine exzellente Verbindung zwischen Tragik und Komödie, ohne die Ernsthaftigkeit des großen Themas ins Lächerliche zu ziehen. Vielmehr verarbeitet wahrscheinlich keine andere Anime-Serie Hikkikomoris so glaubhaft und mit enorm viel Fingerspitzengefühl, ohne dass dabei der grundsätzliche Unterhaltungswert verloren geht. Zu verdanken ist das auch den wunderbar geschriebenen, exzentrischen Figuren und ihrer grandiosen deutschen Vertonung. Besonders Markus Bachmann versteht es, Tatsuhiro Leben einzuhauchen und seine wechselhaften Gefühle ausgezeichnet zu vermitteln. Doch auch die anderen Stimmen sind sehr gut gewählt und egal ob nun Misaki, Kaoru oder eine andere Person, sie alle fügen sich wunderbar in die Geschichte ein. Dass die Animationen teilweise nicht mehr zeitgemäß wirken, in ihrer Qualität stark schwanken und nicht immer der Geschichte würdig sind, fällt angesichts der hervorragenden sonstigen Umsetzung kaum ins Gewicht und kann einer der wohl besten Anime-Tagik-Drama-Komödien in keinster Weise schaden.

Fazit

Schon lange war ich neugierig, weshalb Welcome to the NHK einen so guten Ruf genießt. Dank Animoon Publishing erhält die Serie nach fünfzehn Jahren endlich eine lange überfällige deutsche Veröffentlichung. Die ersten sechs Episoden haben mich mitgerissen und zugleich bewiesen, dass die Drama-Comedy-Serie ganz anders ist, als ich es mir hätte vorstellen können. Tatsuhiros Geschichte ist tragisch und witzig zugleich. Wahrscheinlich keine andere Serie schafft es so erstklassig, ernste, reale Probleme auf so tragisch-komische Weise umzusetzen. Zu verdanken ist das dem herrlichen Galgenhumor und der zugleich sehr feinfühligen Umgehensweise mit dem Hikkikomori-Leben des Hauptcharakteres. Welcome to the NHK präsentiert eine realistische, glaubhafte, ernste, manchmal bedrückende und alles andere als leicht verdauliche Geschichte. Tatushiro leidet an Sozialphobie, Versagensängsten, Gesellschaftsdruck und unerfüllten Amibitionen. Schon der Grund für sein zurückgezogenes Leben verdeutlicht die psychischen Probleme des Protagonisten, der zudem unter reichlich absurden und abgedrehten Wahnvorstellungen leidet. Dass die Serie nicht zu ernst wird, ist den wunderbar geschriebenen und hochwertig vertonten Charakteren sowie dem exzellent eingebauten Humor zu verdanken. Trotzdem bleibt Welcome to the NHK schwere Kost und ist keineswegs eine Anime-Serie für die leichte Unterhaltung zwischendurch. Wer sich auf Tatsuhiros Geschichte einlässt, sollte sich vorher überlegen, ob die Thematik passt. Unterhaltsam sind die ersten sechs Episoden des ersten Volumes trotzdem, eben weil Welcome to the NHK auf eine gelungene Verbindung von Tragik, Drama und Humor setzt – und, weil Tatsuhiro, Misaki, Kaoru und einige weitere Figuren einfach überaus sympathisch und vielschichtig sind. Jedem kann ich Welcome to the NHK dennoch nicht empfehlen. Allerdings zeigt Volume eins, weshalb die Serie zurecht als einer der besten Genre-Vertreter und moderner Klassiker gilt.

Kurzfazit: Abgedrehte Tragik-Drama-Comedy-Serie die eine realistische und schwerverdauliche Geschichte mit großartig geschriebenen Charaktere über das Leben als Hikkikomori erzählt.

Vielen Dank an AniMoon Publishing für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Welcome to the NHK – Vol. 1!

Details
Titel: Welcome to the NHK – Vol. 1
Originaltitel: NHK ni Yōkoso!
Genre: Drama, Komödie, Slice of Life, Romantik
Regie: Yusuke Yamamoto
Studio: Gonzo K.K.
Produktionsjahr: 2006
Laufzeit: ca. 144 Minuten
Sprachen: Deutsch, Japanisch
Untertitel: Deutsch
Herkunftsland: Japan
Altersfreigabe: ab 16
Extras:  192-Teile-Puzzle, Mediabook, Schuber, Clean Opening, Clean Ending
Erscheinungstermin: 01. Oktober 2021
Herstellerseite: AniMoon Publishing

© 2006 Kadokawa Shotan / Welcome to the N-H-K Partners / AniMoon Publishing