Rezension: Gnosia (Switch)

Die Visual Novel Gnosia erzählt eine ernste Science-Fiction-Geschichte in der Vertrauen und Misstrauen tödlich sein können.

Auf den ersten Blick wirkt Gnosia wie eine klassische Visual Novel. Allerdings steckt hinter dem Science-Fiction-Adventure etwas mehr Gameplay als Screenshots erahnen lassen, auch wenn das Grundgerüst um viele, sehr gut geschriebene, englische Texte aufgebaut ist. Gnosia erzählt von unkonventionellen Charakteren, die auf einem treibenden Raumschiff herausfinden müssen, wer unter ihnen ein Gnosia ist. Dabei handelt es sich von Gnos infizierte Menschen, die des nachts eine Person verschwinden lassen. Zuvor wird in fünf Runden darüber diskutiert, wem vertraut werden kann und wer suspekt ist. Anschließend wird abgestimmt, wer in den Kälteschlaf muss. Nur so können die Gnosia aufgehalten werden.

Packendes Spielprinzip

Das Gameplay-Konzept erinnert dabei etwa an das bekannte Werwolf-Spiel. Wie im Vorbild gilt es, über kleine Nuancen in Aussagen und Verhalten herauszufinden, welcher Charakter kein Mensch ist. Allerdings im Gegensatz zum realen Werwolf-Spiel treten wir in Gnosia gegen bis zu vierzehn KI-Gegner und -Verbündete an. Ist der Anfang noch relativ einfach gestaltet, damit wir das Prinzip und die gegebenen Möglichkeiten kennenlernen können, stellt uns Gnosia mit der Zeit vor einige wirkliche Herausforderungen, da es nicht immer leicht ist, zu erkennen, wem wir vertrauen können. Manchmal wirkt das allerdings etwas willkürlich, da nicht jede Abstimmungsentscheidung der KI-Charaktere nachempfunden werden kann. Dennoch bleibt es stets spannend und Gnosia entwickelt eine unglaubliche Sogwirkung, die uns einen sogenannten Loop nach dem anderen spielen lässt. Hier greift das bekannte „Nur noch eine Runde“-Motto.

Maßgeblich an der fesselnden Wirkung der Visual Novel hat die hochspannende Geschichte. Trotz zwischenzeitlicher Durchhänger entwickelt sich die Handlung stets interessant weiter und offenbart uns immer mehr Details über das Universum und die unkonventionellen Charaktere mit denen wir es zu tun bekommen. Tatsächlich ist es die Science-Fiction-Geschichte, die Gnosia so großartig macht. Wir versuchen nicht einfach nur Loop um Loop, das immer gleiche Spiel um Vertrauen und Misstrauen zu spielen, sondern hoffen auf neue Hinweise, kleine Details und damit verbundener weiteren Öffnung der Hintergründe des Spiels.

Fesselnde Erzählung

Wie erwähnt, ist Gnosia auf einem treibenden Raumschiff angesiedelt. Weshalb wir dort sind und was genau vor sich geht, erfahren wir erst mit der Zeit. Anfangs erwachen wir ohne Erinnerungen und müssen sogar über die Bedrohung der Gnosia aufgeklärt werden. Zu diesem Zeitpunkt sind nur einige wenige andere Personen mit uns an Bord. Erst mit der Zeit kommen weitere Charaktere hinzu. Kern der Geschichte ist eine Zeitschleife, in der wir gefangen sind. Dadurch wiederholt sich alles immer wieder, läuft aber anders ab als zuvor. Loop für Loop erleben wir die Diskussionen darüber, wer ein oder eine Gnosia ist und wer nicht und beteiligen uns natürlich auch daran. Jeden Tag müssen wir darüber abstimmen, wer in den Kälteschlaf geschickt werden soll. Schaffen wir es alle Gnosia auf diese Weise zu beseitigen, heißt es Sieg für die Menschheit. Sind allerdings genauso viele Gnosia wie Menschen an Bord des Schiffes, ist es eine Niederlage.

Zumindest theoretisch. Die Regeln ändern sich mit der Zeit, eine weitere potenzielle Gefahr kommt hinzu oder die Rollen verändern sich. Neben einfachen Crew-Mitgliedern gibt es etwa jeweils einen Techniker, der Nachts eine Person scannen kann, um herauszufinden, ob diese ein Gnosia ist oder nicht. Der Doktor hingegen kann im Nachhinein feststellen, ob eine in Kälteschlaf geschickte Person wirklich ein Feind ist. Dabei bleibt es aber nicht. Weitere Rollen und sogar unser Dasein als Gnosia bereichern das Gameplay enorm. Schließlich müssen wir unsere Denk- und Vorgehensweise stets den Gegebenheiten anpassen. Sogar unser Ziel kann ein anderes sein, schließlich wollen wir als Gnosia die Menschen nicht schützen, sondern verschwinden lassen. Relativ früh im Spiel dürfen wir vor dem Start eines Loops selbst Einstellungen vornehmen. Wie viele Crew-Mitglieder und Gnosia gibt es? Welche Rollen existieren? Und was sind wir? Es ist wichtig alles auszuprobieren, da wir manche Storydetails nur in bestimmten Stiuationen erfahren. Um so besser, dass wir eine Event-Suchfunktion erhalten, die uns Setup-Einstellungen zeigt, bei denen wir noch etwas entdecken können.

Schön gezeichnet

Im Einklang miteinander wissen Geschichte und Spielprinzip eine enorme Motivationspirale zu entwickeln. Allerdings wird das Gameplay noch mit leichten Rollenspiel-Elementen angereichert. Am Ende eines jeden Loops, unabhängig davon ob wir gewonnen oder verloren haben, erhalten wir Erfahrungspunkt, die wir in unsere Statuswerte investieren dürfen. Bereits vor Spielstart haben wir die Möglichkeit, diese in der rudimentären Charaktereinstellung bei der wir Namen, Logo und Geschlecht wählen einzustellen. Die Statuswerte nehmen maßgeblich Einfluss auf unsere Möglichkeiten während der Diskussionsrunden. Haben wir mehr Charme, werden wir nicht so schnell in den Kälteschlaf geschickt. Intuition hilft uns dabei, Lügen zu entlarven und durch Charisma haben unsere Aussagen mehr Gewicht. Zusätzlich schalten wir neue Dialogoptionen frei, die an bestimmte Statuswerte gekoppelt sind. Dadurch erhalten wir mehr Möglichkeiten, andere Charaktere zu beeinflussen, beschuldigen, verteidigen oder anderweitig Einfluss auf die Abstimmung zu nehmen. Eine wirklich gelungene Erweiterung des Gameplays die Gnosia noch mehr Tiefe verleiht.

Abgerundet wird die Visual Novel neben den großartig geschriebenen, englischen Texten, die besonders den individuellen, unkonventionellen Charakteren Leben einhauchen, vom wunderschönen Zeichenstil. Passend zum Raumschiff fallen viele Umgebungen zwar etwas steril aus, dennoch wirken sie nicht eintönig, sondern können mit überaus vielen Details aufwarten. Selbiges gilt für das eigenständige Charakterdesign, das Gnosia aus der Masse hervorstechen lässt und sowohl Figuren als auch Spiel einen enormen Wiedererkennungswert verleiht. Wer einmal Setsu, SQ, Otome, Chippie oder einen der anderen Charaktere gesehen hat, erkennt sie später sofort wieder. Zu verdanken ist das neben dem erstklassigen Zeichenstil auch der lebendigen Darstellung der Figuren. Es fällt leicht, für sie Sympathie und Abneigung zu empfinden. Das geht sogar soweit, dass wir uns in einem neuen Loop dabei erwischen, uns von unserer persönlichen Ansicht zu einem Charakter beeinflussen zu lassen. Dabei heißt es nicht, dass jemand aus einem vorherigen Loop wieder ein Verbündeter ist. Das zeigt erst recht, wie ausgezeichnet die Charaktere gestaltet und geschrieben sind. Unterstützt wird das alles von einer packenden Atmosphäre, die die ernste Geschichte samt nachdenklich stimmender Themen hervorragend unterstreicht, und der stimmungsvollen Musik.

Fazit

Schon bei der Ankündigung von Gnosia war ich neugierig, was die Visual Novel zu bieten hat. Charakterdesign, Szenario und Geschichte haben beinah sofort mein Interesse geweckt. Obwohl ich mich anschließend kaum noch mit Gnosia beschäftigt habe, war ich gespannt, was mich erwartet und wurde sogar noch überrascht. Obwohl sich das grundlegende Spielprinzip auf Wiederholung stützt und zeitweise sogar etwas an Luft verliert, gelingt es Gnosia, eine unglaubliche Sogwirkung zu entwickeln. Selbst, als ich einfach nur Loop nach Loop gespielt habe, ohne auch nur zu wissen wohin sich die Geschichte entwickelt, hat mich das Visual-Novel-Adventure nicht losgelassen. Zu motivierend ist das Gameplay, zu unkonventionell und interessant die Charaktere und zu spannend die Geschichte. Ich wollte einfach jedes noch so kleine Detail erfahren. Maßgeblich an der Motivationsspirale beteiligt sind die großartig geschriebenen Charaktere, die zusätzlich vom erstklassigen Zeichenstil, der ihnen Eigenständigkeit verleiht und Leben einhaucht, unterstützt werden. Fans packender, verworrener und nachdenklich stimmender Science-Fiction-Geschichten, die keine total Abneigung gegen Visual Novels haben, sollten unbedingt zugreifen.

Kurzfazit: Gnosia erzählt eine spannende, intelligente Science-Fiction-Geschichte, mit gut geschriebenen, großartigen Charakteren und entwickelt dank des gelungenen Gameplays eine fesselnde Motivationsspirale, die nicht mehr loslässt.

Vielen Dank an PLAYISM für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Gnosia!

Details
Titel: Gnosia
Genre: Visual Novel, Adventure, Rollenspiel
Publisher: Active Gaming Media, Inc., PLAYISM
Entwickler: Petit Depotto
Spieler: 1
Syteme: Switch (getestet)
Altersfreigabe: ab 12
Erscheinungsdatum: 04. März 2021