Rezension: Another Code: Recollection (Switch)

Auf der Suche nach Erinnerungen stellt sich Teenagerin Ashley in Another Code: Recollection den Geheimnissen der Blood-Edward-Insel und des Lake Juliet.

Die Another-Code-Spiele des japanischen Studios Cing waren auf Nintendo DS und Nintendo Wii Adventure-Geheimtipps. Fast neunzehn Jahre nach dem ersten Teil und fünfzehn Jahre nach dessen Nachfolger, kehren die Mystery-Abenteuer als Another Code: Recollection auf der Nintendo Switch zurück. Entwickelt von Arc System Works, handelt es sich jedoch um keine originalgetreuen Remakes, sondern um eine Neuinterpretationen von Another Code: Doppelte Erinnerung und Another Code R: Die Suche nach der verborgenen Erinnerungen. Das ist eine gute Entscheidung, da so aus heutiger Sicht seltsam anmutende Design-Entscheidungen und Eigenheiten der jeweiligen Systeme den Adventures geschadet hätten. Stattdessen wurden beide Spiele für die Neuveröffentlichung angemessen angepasst und auf diese Weise sogar Schwächen der Geschichten behoben. Weiterhin handelt es sich bei den Another-Code-Titeln um sehr ruhige, entschleunigte Spiele, die Geduld erfordern. Oft lassen sich Erzählweise und Inszenierung bewusst Zeit, um Möglichkeiten zum Nachdenken zu bieten. Das wird nicht jedem gefallen, aber es lohnt sich, sich darauf einzulassen.

Geheimnisvolle Erinnerungssuche

Another Code: Doppelte Erinnerung erzählt von der dreizehnjährigen Ashley Mizuki Robins, die am Tag vor ihrem vierzehnten Geburtstag mit ihrer Tante Jessica zur Blood-Edward-Insel fährt. Dort soll sie ihren elf Jahre zuvor verschwundenen Vater, von dem sie dachte, er wäre wie ihre Mutter bereits tot, treffen. Nur widerwillig und mit wenig Begeisterung, sieht Ashley dem bevorstehenden Treffen entgegen. Auf der Insel erwartet die Teenagerin allerdings nicht ihr Vater, sondern ein großes Abenteuer voller Geheimnisse. Sie trifft den unter Amnesie leidenden Geist D, freunde sich mit ihm an und gemeinsam versuchen sie, Ashleys Vater zu finden und zugleich Ds Erinnerungen zu wecken. Hier zeigt sich, dass Another Code: Doppelte Erinnerung keine rein realistische Geschichte erzählt. Vielmehr spielt das Adventure mit den Möglichkeiten, was wahr ist und was nicht und baut auch wissenschaftliche Elemente, die an Science-Fiction erinnern, ein. Vor allem, weil die Geschichte im Jahr 2005 angesiedelt ist.

Im Laufe des Abenteuers erkunden wir als Ashely, begleitet von D, vor allem das einstige Anwesen der Edward-Familie. Doch schon zuvor müssen wir uns immer wieder Rätseln stellen. Diese können mitunter recht knackig sein und setzen auf den Gebrauch der Funktionen des Spielinternen Gerätes DAS, das im Gegensatz zum DS-Original nun an eine Nintendo Switch angelehnt ist. Wir müssen Objekte scannen, Fotos schießen, Gegenstände einsammeln, Schlüssel finden oder Kombinationsschlösser knacken. Auch die richtige Kombination und der korrekte Einsatz der Objekte in unserem Inventar ist erforderlich, um voranzukommen und die Geheimnisse des Edward-Anwesens zu lüften. Dabei folgt die Geschichte zwar einem linearen Pfad, dennoch erhalten wir ausreichend Möglichkeiten, um ein zumindest leichtes Erkundungsgefühl zu bekommen. Kern von Another Code: Doppelte Erinnerung ist aber die spannende, wendungsreiche, emotionale und mitreißende Geschichte, die uns bis zum Ende fesselt.

Erwachende Erinnerungen

Haben wir Another Code: Doppelte Erinnerung abgeschlossen, knüpft der ursprünglich für die Nintendo Wii erschienene Nachfolger Another Code R: Die Suche nach der verborgenen Erinnerung nahtlos an das Ende an. Zwei Jahre sind seit den Ereignissen auf der Blood-Edward-Insel vergangen. Ashley besucht für einen ungewollten Campingausflug Lake Juliet. Dort wird ihr schon bei ihrer Ankunft der Rucksack gestohlen und bald findet sie sich in einem von Geheimnissen erfüllten Abenteuer wieder. Dabei lernt sie den dreizehnjährigen Matthew kennen, der versucht mehr über das Verschwinden seines Vaters fünf Jahre zuvor herauszufinden. Erneut spielen Erinnerungen und die Vergangenheit eine große Rolle in der wieder wendungsreichen, spannenden, emotionalen und mitreißenden Geschichte. Zwar erreicht die Handlung von Another Code R nicht ganz die Qualität des Vorgängers, steht dieser aber kaum nach und fesselt bis zum gelungenen Ende. Besonders wenn die beiden miteinander verbundenen Abenteuer als Gesamtes erlebt werden. Entsprechend ist es sinnvoll, dass wir Another Code R erst spielen können, wenn wir Another Code: Doppelte Erinnerung abgeschlossen haben.

Beim Gameplay bleibt Another Code R dem Vorgänger komplett treu. Entsprechend steuern wir Ashley wieder aus der Third-Person-Perspektive und erkunden die Umgebung von Lake Juliet. Hier erwartet uns ein weitläufigeres aus mehreren Abschnitten bestehendes Gebiet. Auch treffen wir auf mehr Charaktere, wodurch die Geschichte dank einiger direkt verknüpfter Nebenhandlungsstränge mehr Tiefe erhält. Gleichzeitig setzt Another Code R auf eine ähnliche Rätseldichte und konfrontiert uns mit einigen knackigen Kopfnüssen. Hier weiß das Adventure genauso zu motivieren wie der Vorgänger und schafft es dank der Neugestaltung beide Spiele wie aus einem Guss erscheinen zu lassen. Das ist angesichts der gelungenen Umsetzung auch wenig verwunderlich. Schließlich werden beide Spiele komplett neu interpretiert, wodurch die Möglichkeiten der Angleichung aneinander weitaus größer sind.

Sinnvolle Neuinterpretation

Wie bereits erwähnt, wurden die beiden Another-Code-Adventures nicht einfach originalgetreu auf die Nintendo Switch umgesetzt. Stattdessen wurde für die Remakes eine komplette Überarbeitung und Neugestaltung vorgenommen. Das fängt bereits damit an, dass Umgebungen anders aufgebaut sind, Abschnitte fehlen oder verändert wurden und geht bis zu komplett neuen Rätseln. Gerade bei letzteren ist das sinnvoll, da die Knobelaufgaben stark auf die Funktionen von Nintendo DS und Nintendo Wii abgezielt haben und auf der Nintendo Switch nicht funktioniert hätten. Die neuen Rätsel wissen zu überzeugen und nutzen ihrerseits einige Eigenheiten der Hybrid-Konsole. So müssen wir immer wieder die Switch oder den Pro Controller neigen und bewegen, um voranzukommen. Hieran zeigt sich, wie gut die Bewegungserkennung für Rätsel genutzt werden kann.

Doch damit enden die Anpassungen nicht. Leicht überarbeitete und dadurch bessere, genauere Dialoge oder die bereits erwähnte einheitliche Kameraperspektive sorgen dafür, dass sich die beiden Adventure modern und zeitgemäß anfühlen. Der mysteriöse Kern der Geschichten geht dabei nicht verloren. Im Gegenteil, hatten wir sogar das Gefühl, dass die Handlung noch besser zur Geltung kommt und genauso fesselt wie in den Originalen. Zumal wir Ashley als Protagonistin sehr schnell ins Herz geschlossen und wirklich mit ihr mitgefiebert haben. Ähnliches gilt auch für einige andere Charaktere, denen wir im Laufe des Abenteuers begegnen. Um so wirksamer sind die emotionalen Momente, die durchaus auch für einen Kloß im Hals oder feuchte Augen sorgen können.

Stilsichere Präsentation

Am wenigsten überrascht es, dass Another Code: Recollection die beiden Adventure in komplett neuer Grafik präsentiert. Besonders Another Code: Doppelte Erinnerung setzte beim Nintendo-DS-Original mit Standbildern und Sicht von oben auf Ashley auf einige Eigenheiten. Beide Abenteuer werden nun in einer stilsicheren Third-Person-Perspektive und 3D-Grafik dargestellt. Besonders die Charaktermodelle wissen hierbei zu überzeugen. Auch die Inszenierung der Gespräche und Zwischensequenzen profitiert deutlich von den Remakes und ist hervorragend. Allerdings fallen grafische Schwächen wie matschige Texturen gerade außerhalb von Gebäuden teilweise deutlich auf. Ebenso kommt es zu kleinen aufpoppenden Details bei Büschen oder Bäumen und selten können Mikro-Ruckler auftreten. Beides fällt jedoch beim Spielen kaum auf und wirkt sich zu keiner Zeit auf den Spielspaß aus.

Zumal Another Code: Recollection eine erstklassige Stimmung bietet. Diese unterstützt nahezu perfekt das Young-Adult-Mystery-Gefühl der Adventures und hat großen Anteil an der Faszination der Geschichten. Nicht selten wurden wir regelrecht von der Atmosphäre mitgerissen und an die Switch gefesselt. Dazu trägt auch die erstklassige Klangkulisse samt Soundtrack bei. Ähnliches gilt für die gut geschriebenen deutschen Texte sowie die hochwertige englische oder japanische Sprachausgabe. Letztere haucht Ashley und den anderen Charakteren gekonnt Leben ein und verstärkt trotz nicht komplett durchgängiger Vertonung massiv das packende Spielgefühl. Zwar wird Another Code: Recollection aufgrund einiger spezieller Eigenheiten und der ruhigen, manchmal auch etwas langatmigen Erzählweise nicht jedem gefallen, doch das Remake der beiden großartigen Adventure ist ein Genre-Geheimtipp.

Fazit

Another Code: Doppelte Erinnerung und Another Code R: Die Suche nach der verborgenen Erinnerung gehören zu meinen Favoriten für Nintendo DS und Nintendo Wii. Bereits die Originale habe ich mit großer Begeisterung gespielt. Entsprechend gefreut habe ich mich, als Nintendo überraschend Another Code: Recollection angekündigt hat. Es ist sinnvoll, dass die Neuauflage die Adventures nicht originalgetreu umsetzt, sondern neu interpretiert. Dadurch werden alte Schwächen behoben und durch neue Stärken ergänzt. Zumal die Mystery-Abenteuer-Geschichten beider Spiele noch genauso fesseln wie 2005 und 2009. Dazu gesellen sich die knackigen, motivierenden Rätsel, die erstklassige Atmosphäre und sympathische Charaktere. Vor allem Ashley habe ich sofort wieder ins Herz geschlossen und mit ihr mitgefiebert. Adventure-Fans, die sich auf die ruhige, entschleunigte und manchmal langatmige Erzählweise einlassen können, sollten sich Another Code: Recollection auf keinen Fall entgehen lassen. Ich hoffe derweil darauf, dass auch die im Original ebenfalls von Cing stammenden Adventures Hotel Dusk: Room 215 und dessen Nachfolger Last Window: The Secret of Cape West eine vergleichbare Neuauflage erhalten. Außerdem würde ich mir ein neues Abenteuer mit Ashley wünschen. Unabhängig davon, kann ich Another Code: Recollection nur empfehlen. Für mich eines der besten Switch-Adventure-Spiele und ein wahrer Geheimtipp.

Kurzfazit: Atmosphärische Adventures, die mit spannender, ruhiger Erzählweise zwei Genre-Klassiker neu interpretieren und packende, emotionale, mitreißende Geschichten mit sympathischer Protagonistin und erstklassigen Rätseln bieten. Ein Genre-Geheimtipp!

Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Another Code: Recollection!

Details
Titel: Another Code: Recollection
Genre: Adventure
Publisher: Nintendo
Entwickler: Cinq, Arc System Works
Spieler: 1
Syteme: Switch
Altersfreigabe: ab 6
Erscheinungsdatum: 19. Januar 2024