Rezension: Die Passage: The Bone Orchard Mythos (Comic)

Geologe John Reed muss in Die Passage: The Bone Orchard Mythos ein geheimnisvolles Loch auf einer winzigen Leuchtturm-Insel untersuchen.

Mitten im sturmgepeitschten Meer liegt eine winzige Insel mit einem einsamen Leuchtturm. Hier lebt nur die verschrobene Wärterin Sally. Als ein mysteriöses, scheinbar bodenloses Loch auf der Insel auftaucht, wird Geologe John Reed entsandt, um den Schacht im Felsgranit zu untersuchen. Allerdings plagen ihn die Angst vor dem Wasser und seine mit dem Meer verbundene Vergangenheit. Das Loch übt jedoch eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus.

Geheimnisvolles Loch

Die Passage bildet den ersten Comic im Bone Orachard Mythos des für die Horror-Reihe Gideo Falls gefeierten Kreativteams Jeff Lemire und Andrea Sorrentino. Dabei soll jede Geschichte für sich stehen, sich jedoch ein gemeinsames Universum teilen. Welche Auswirkungen das hat und wie sich das zeigt, lässt sich in Die Passage nur durch einen kleinen Hinweis erahnen. Ob zukünftig engere Verbindungen entstehen, bleibt abzuwarten. Wichtig ist vorerst nur, dass Die Passage eine abgeschlossene Geschichte erzählt. Diese kann allerdings nicht vollends überzeugen und erlaubt sich Schwächen, die gerade bei einem so guten Autoren wie Jeff Lemire überraschen.

Zu Beginn lässt sich Die Passage angemessen Zeit, um die wenigen Charaktere und den Schauplatz vorzustellen. Neben dem von seiner Vergangenheit traumatisierten Geologen John Reed nimmt vor allem die exzentrische Leuchtturmwärterin Sally einen wichtigen Platz in der Handlung ein. Das überrascht nicht, schließlich ist sie die einzige Bewohnerin der winzigen Insel, auf der ein mysteriöses, scheinbar endlos tiefes Loch aufgetaucht ist. Was durchaus spannend beginnt, nimmt vergleichsweise schnell Fahrt auf. Die Erzählweise wirkt etwas sprunghaft. Ohne dass sich etwas abgezeichnet hat, kommt es zu einer Wendung, die gerade aufgrund ihrer Plötzlichkeit nicht ihre ganze Wirkung entfalten kann. Hier fällt erstmals auf, dass dem Comic-Einzelband ein paar Seiten mehr nicht geschadet hätten.

Zwar kann die Geschichte durchaus mit einigen Höhepunkten aufwarten und fasziniert mit ihren Geheimnissen und Rätseln, bleibt insgesamt aber etwas zu kryptisch. Das muss nicht zwingend negativ sein. Wer sich voll auf Die Passage einlässt, kann gerade dank der realistischen, stilvollen und düsteren Zeichnungen viele kleine Details entdecken. Dabei spielt auch Johns Vergangenheit und der Tod seiner Mutter eine große Rolle. Allerdings muss die Bereitschaft vorhanden sein, über die Geschichte nachzudenken und sich ein eigenes Bild des Gelesenen zu machen. Und selbst dann bleiben klare Schwächen, wie die sprunghafte Erzählweise, der nicht immer funktionierende Spannungsaufbau und die insgesamt zu wenig ausgearbeiteten und dadurch blassen Charaktere erhalten. Daran können auch die großartige, düstere Atmosphäre sowie die stimmungsvollen Bilder wenig ändern. Zumal das Ende viel mehr Fragen aufwirft als beantwortet.

Fazit

Handlung und Zeichnungen von Die Passage sind überaus vielversprechend. Deshalb habe ich den sechsundneunzig Seiten langen Comic-Einzelband von Autor Jeff Lemire, Zeichner Andrea Sorrentino und Kolorist Dave Stewart mit entsprechenden Erwartungen gelesen. Schließlich gilt Jeff Lemire als genialer Autor und gemeinsam mit Andrea Sorrentino hat er den Horror-Comic-Hit Gideon Falls erschaffen. Der Auftakt des Bone Orchard Mythos hat mich hingegen nur teilweise überzeugt. Zumindest Zeichnungen, Kolorierung und Atmosphäre wissen von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln. Leider kann diese aufgrund von zu sprunghaft inszenierten Wendungen, zu kryptischen Elementen und nicht ausreichend ausgearbeiteten Charakteren nicht vollends überzeugen. Grundsätzlich bleibt Die Passage zwar bis zum Ende spannend und weiß kurzweilige Horror-Comic-Unterhaltung zu bieten, doch es ist offensichtlich, dass hier nicht nur mehr möglich gewesen wäre, sondern auch beabsichtigt war. Dabei stört es nicht einmal zwingend, dass viele Fragen offen bleiben und ich mir selbst Gedanken über die Ereignisse machen muss. Schließlich kann Die Passage trotz allem mit einer interessanten Handlung und einem vielleicht nicht neuen, aber funktionalen Schauplatz aufwarten. Trotzdem hat mich der Horror-Mystery-Comic nicht vollends überzeugt, aber auch nicht unbedingt enttäuscht. Genre-Fans sollten trotz allem Probe lesen. Alleine aufgrund der erstklassigen Zeichnungen und der dichten, düsteren Atmosphäre lohnt es sich, Die Passage zu lesen und einen Einstieg in den Bone Orchard Mythos zu finden.

Kurzfazit: Optisch opulenter Horror-Comic, dessen Geschichte sich nicht voll entfaltet und unter sprunghafter Erzählweise sowie etwas zu blassen Charakteren leidet, trotzdem zumindest kurzweilige Genre-Unterhaltung mit kryptischer Handlung bietet.

Vielen Dank an Splitter Verlag für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Die Passage: The Bone Orchard Mythos!

Details
Titel: Die Passage: The Bone Orchard Mythos
Originaltitel: The Passageway: The Bone Orchard Mythos
Genre: Mystery, Horror
Verlag: Splitter Verlag
Szenario: Jeff Lemire
Zeichnungen: Andrea Sorrentino
Farben: David Stewart
Seiten: 96
Preis: 19,80 €
Verlagsseite: Die Passage: The Bone Orchard Mythos bei Splitter Verlag
Erscheinungsdatum: 21. Juni 2023

© Splitter Verlag GmbH & Co. KG · Bielefeld
© 2022 171 Studios & Andrea Sorrentino. All Rights Reserved. / Image Comics, Inc.