Rezension: Wolfenstein 2: The New Colossus (PS4)

Bethesda und MachineGames schicken BJ Blazkowicz in Wolfenstein 2: The New Colossus erneut in den Kampf gegen das Regime.

Erfolgreich haben Publisher Bethesda und Entwickler MachineGames Wolfenstein wiederbelebt. Wolfenstein: The New Order gehörte 2014 zu den besten Spielen des Jahres. Daran soll der direkte Nachfolger Wolfenstein 2: The New Colossus anschließen. Erneut gilt es als BJ Blazkowicz gegen das Regime anzutreten. Dieses Mal führt es den Ex-US-Soldaten und Widerstandskämpfer in die USA, genauer gesagt in die Nähe der Stadt Roswell in New Mexico im Jahr 1961. Doch bis es soweit ist, heißt es erst einmal, das als mobile Widerstands-Kommandozentrale dienende U-Boot Hammerfaust vor dem Angriff durch das Regime unter Führung von Frau Engel zu verteidigen. Dabei knüpft Wolfenstein 2 an das Ende des ersten Teils an. Wer diesen nicht gespielt hat, braucht jedoch keine Verständnisprobleme zu befürchten. Eine Einleitung samt wichtiger Story-Entscheidung liefert eine ausführliche Einleitung und somit die wichtigsten Fakten.

Primus mit Schwächen

Der Einstieg in Wolfenstein 2 ist etwas durchwachsen. Durch Teil eins gezeichnet ist BJ Blazkowicz an den Rollstuhl gefesselt. Das sorgt für langsame, schwammige Bewegungen. Für Kenner des Vorgängers vielleicht ein Erlebnis, wer jedoch das erste Mal mit BJ Blazkowicz in den Kampf zieht, könnte Probleme haben. Auch weil sich Wolfenstein 2 wieder oldschoolig gibt. Automatisches Heilen sucht ihr vergebens. Stattdessen müssen Medipacks eingesammelt werden, um die Gesundheit wieder herzustellen. Das kann im ersten Level durch die ungewohnte Spielbarkeit zu Frustmomenten führen. Habt ihr den Rollstuhl-Abschnitt aber erst einmal hinter euch gebracht, wird euch die volle Bewegungsfreiheit geboten. Fortan rennt, ballert, schleicht und springt ihr fidel durch die Level. Spätestens zu diesem Zeitpunkt schafft es Wolfenstein 2 seine spielerische Klasse auszuspielen und zu zeigen, dass der Ego-Shooter wahrscheinlich zu den besten Genre-Vertretern des Jahres gehört.

Allerdings fällt bei der PS4-Version auch eine Trägheit der Steuerung auf. Etwas nachjustieren in den Optionen kann Abhilfe verschaffen, trotzdem ist es auch mit eingeschalteter Zielhilfe bei Gegnern wie etwa der Drohne schwierig den schnellen Bewegungen zu folgen. Bedauerlich, da das zu unnötigen Treffern oder Toden führen kann. Dennoch dominieren die Stärken und die insgesamt gute Spielbarkeit. Spätestens auf dem zweiten Schwierigkeitsgrad ist Wolfenstein 2 anspruchsvoll, so dass auch Shooter erfahrene Spieler angemessen gefordert werden. Es ist unabdingbar die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen, zu schleichen, Gegner lautlos auszuschalten und bedacht vorzugehen, um erfolgreich zu sein. Besonders die Kommandanten sollten stets zu erst ausgeschaltet werden, da sie Verstärkung rufen. Auch ist es wichtig sich auf die Schwachpunkte der Feinde zu konzentrieren.

Durch gefundene Upgrade-Kits lassen sich die Waffen verbessern und etwa mit panzerbrechender Munition oder einem Zielfernrohr ausstatten. Das bietet neue Möglichkeiten, die überaus praktisch sind. Außer in den Hauptmissionen, können die Upgrade-Kits als Belohnung in Attentatsaufträgen verdient werden. Verfügbar werden diese durch das dechiffrieren der Lochkarten, die Kommandanten bei sich tragen. Zusätzlich lässt sich auch BJ selbst verbessern. Auf Erfahrungspunkte wird hierbei jedoch verzichtet. Stattdessen hängen die Verbesserungen von eurer Spielweise ab. Schleicht ihr etwa viel, bewegt ihr euch nach einiger Zeit in der Hocke schneller. Welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, kann im Menü eingesehen werden.

Überspitzt & Kontrovers

Wolfenstein nutzt als Setting einen alternativen Ausgang des zweiten Weltkriegs. In dieser abgewandelten Zeitlinie haben die Alliierten verloren und Amerika hat nach einem Atombombenangriff kapituliert. Wolfenstein 2 führt nun in die besetzten USA und zeigt einige beklemmende Szenen. Dabei setzen die Entwickler auf eine Überzeichnung von Geschichte und Charakteren, schaffen es aber Verharmlosungen aus dem Weg zu gehen. So erhalten die Gräuel und Schrecken durch die gute Pointierung eine noch bessere Wirkung. Wenn etwa in einer amerikanischen Kleinstadt eine Parade unter den wachsamen Augen von Regime-Soldaten stattfindet und ausgelassene Ku-Klux-Klan-Mitglieder durch die Straßen streifen, ist es unmöglich kein mulmiges Gefühl zu verspüren. Allgemein hat MachineGames einige abwechslungsreiche und hervorragend gestaltete Schauplätze mit erstklassigem Level-Design gewählt, um der spannenden, kritischen Geschichte die richtige Würze zu verleihen. Hier spielt Wolfenstein 2 inhaltlich einige Trümpfe aus und zeigt, weshalb Shooter nicht auf einen Mehrspieler-Modus angewiesen sind.

Leider wurden für die deutsche Version neben der Entfernung verfassungsfeindlicher Symbole auch einige weitere Änderungen vorgenommen. Diese dämpfen die Wirkung der Szenerie etwas und sorgen dafür, dass sich Wolfenstein 2 nicht komplett anfühlt. Sämtliche Verweise zum Holocaust und den Nationalsozialisten fehlen. Stattdessen wird gegen das fiktive Regime und die Germanen, nicht Deutschen, gekämpft. Aus arisch wird germanisch und der Führer ist der Kanzler. Bedauerlich, dass hier der Mut gefehlt hat auch in der deutschsprachigen Variante einmal etwas zu wagen und die Spieler direkt mit dem Nationalsozialismus zu konfrontieren. Das wäre auch ohne verfassungsfeindliche Symbole möglich.

Technisch bietet Wolfenstein 2: The New Colossus dank id-Tech-6-Engine ein grafisch gelungenes und ruckelfreies Erlebnis. Der Ego-Shooter läuft flüssig und zeigt sich von einer wirklich guten Seite. Egal ob Umgebungen oder Figurendesign, Wolfenstein 2 weiß zu überzeugen und knüpft mit der gelungenen Sound- und Musikuntermalung daran an. Ähnliches gilt auch für die deutsche Synchronisation, die sich nur wenige Patzer leistet. Allerdings wurde auf die verschiedenen Akzente, die in der englischen Version zu finden sind, verzichtet. Stattdessen sprechen alle Charaktere Hochdeutsch. Aufgrund der Schnitte kann nicht zur originalen Tonspur gewechselt werden. Doch trotz der berechtigten Kritikpunkte und Schwächen bleibt Wolfenstein 2: The New Colossus auch in der deutschen Version ein empfehlenswerter Ego-Shooter, der das Potenzial zum besten Einzelspieler-Vertreter des Genres in diesem Jahr hat. Wenn auch mit einem bitteren Beigeschmack.

Fazit

Wolfenstein 2: The New Colossus ist ein sehr guter Ego-Shooter. Spielbarkeit, Old-School-Elemente, Geschichte, Charaktere und der ironisch-überspitzte Humor ergänzen sich perfekt zu einem empfehlenswerten Erlebnis. Das können nicht einmal der für mich etwas holprige, weil spielerisch abweichende und hakelige Einstieg und die vorhandenen Frustmomente relativieren. Dafür sorgt Wolfenstein 2 für zu viele erstklassige Momente. Sei es durch das tolle Leveldesign, die gut gestalteten Umgebungen oder das mulmige Gefühl, das ich im Angesicht des Regimes und der Geschichte immer wieder verspüre. Leider hat Bethesda unnötige und in meinen Augen auch falsche Schnitte angesetzt und damit wichtige Teile der Handlung relativiert und somit die Wirkung, die Wolfenstein 2 haben kann, abgemildert. Hier wäre trotz alternativer Zeitlinie etwas mehr Mut zur historientreue begrüßenswert gewesen. Besonders weil einige Änderungen für mich zu weit gehen und grenzwertig sind. Das mag nicht jeder Spieler so sehen, weshalb hier die persönliche Meinung eine große Rolle spielt. Als Ego-Shooter bleibt Wolfenstein 2 trotzdem ein Erlebnis, das ich jedem Genre-Fan empfehlen kann.

Kurzfazit: Wunderbare Spielbarkeit geht Hand in Hand mit überspitztem Humor und einem ernsten Thema, das für mulmige Gefühle sorgt, aber leider unter Änderungen der deutschen Version leidet. Trotzdem einer der besten Shooter des Jahres.

Vielen Dank an Bethesda Softworks für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Wollfenstein 2: The New Colossus!

Details
Titel: Wolfenstein 2: The New Colossus
Genre: Ego-Shooter
Publisher: Bethesda Softworks
Entwickler: MachineGames
Spieler: 1
Syteme: PlayStation 4 (getestet), Xbox One, PC
Altersfreigabe: ab 18
Erscheinungsdatum: 27. Oktober 2017

Bilder Copyright Bethesda Softworks