Rezension: A Silent Voice – Band 1 (Manga)

a-silent-voice-band-1-coverA Silent Voice Band 1 bietet eine Coming-of-Age-Romance-Geschichte, die sich mit Mobbing an einer tauben Schülerin und den Folgen auseinandersetzt.

Shoya Ishida versucht Kontakt zu seiner ehemaligen Klassenkameradin Shoko Nishimiya aufzunehmen. Als er sie gefunden hat, läuft das Mädchen allerdings vor ihm Weg. Der Grund dafür scheint in der Vergangenheit zu liegen. Sechs Jahre zuvor haben sich die beiden kennengelernt. Der wilde, draufgängerische Shoya ist ein recht schwieriger Grundschüler. Gemeinsam mit seinen Freunden stellt er sich jeden Tag Mutproben und springt von Brücken in den Fluss oder stellt anderen Blödsinn an. Dabei schafft er es seine Freunde sogar davon zu überzeugen weiterzumachen, obwohl diese nicht mehr wollen. Auch in seiner Klasse scheint der sich stets langweilende und genau dagegen ankämpfende Shoya gut zurecht zu kommen. Als schließlich Shoko Nishimiya als neue Schülerin in die Klasse 6-B der Grundschule wechselt, ändert sich einiges. Das Mädchen ist taub und somit für Shoya ein perfektes Ziel gegen seine Langeweile. Anfängliche kleine Streiche arten schnell in Mobbing aus, an dem sich auch die restliche Klasse beteiligt.

Schwieriger Protagonist

A Silent Voice Band 1 beginnt mit einer kurzen Szene in der Shoya seine ehemalige Mitschülerin Shoko nach sechs Jahren wieder trifft. Anschließend zeigt Mangaka Yoshitoki Oima in einem langen Rückblick, weshalb das Mädchen vor Shoya davonläuft und welch schwierige Vergangenheit die beiden haben. Dabei konzentriert sich der Manga stark auf Shoya als Protagonisten. Die gesamte Geschichte wird aus seinem Blickwinkel und mit seinen Gedanken als zusätzliche Kommentare erzählt. Aufgrund des Einstiegs ist das logisch, da es im Grunde Shoya ist, der an die vergangene Zeit erinnert.

Der Großteil des Mangas spielt also im letzten Grundschuljahr von Shoya. Noch bevor Shoko ihren ersten richtigen Auftritt am Ende des ersten Kapitels hat, wird die chaotische Hauptfigur ausführlich vorgestellt. In mehreren aneinander anknüpfenden Szenen, die sich allerdings über mehrere Monate zu ziehen scheinen, lernt der Leser Shoya kennen. Selbst seine Freunde, die stets an seiner Seite sind und eine wichtige Rolle in der Geschichte spielen, bleiben vorerst noch im Hintergrund, ohne dass sie zu blass bleiben oder kein Profil aufbauen. Wirklich sympathisch ist Shoya nicht, allerdings akzeptiert man sein wildes, freches Verhalten als das eines Jungen, der noch erwachsen werden muss.

Ernste Thematik

Nur kurz wird das Konzept mit Shoya als Figur im Mittelpunkt durch ein Zusatzkapitel zwischen dem ersten und zweiten aufgelöst. Hier wird Shoko beim Besuch des Friseursalons von Shoyas Mutter gezeigt und erste Probleme zwischen den Familien nehmen ihren Anfang. Die taube Shoko kommuniziert in der Schule mit einem Heft, in das sie hineinschreibt, was sie sagen möchte. Auch Antworten ihrer Mitschüler erfolgen auf diese Weise. Zeigt sich die Klasse zu Beginn noch offen, ändert sich das schnell und böse oder genervte Kommentare häufen sich. Besonders Shoya nutzt die Andersartigkeit von Shoko, um diese zu ärgern. In seinen Gedanken betrachtet er sie sogar als Außerirdische und gute Möglichkeit, seinen Kampf gegen die Langeweile zu gewinnen.

Schnell arten die Streiche immer weiter aus und obwohl Shoya häufiger Ärger mit seinem Klassenlehrer bekommt, hört dieser nicht auf. Das dürfte auch an der Art von Herr Takeuchi liegen, der dem Jungen zwar einen Störenfried, dem er für alles die Schuld gibt, sieht, zugleich aber Verständnis für dessen Verhalten zeigt. Mobbing und Ausgrenzung sind das zentrale Thema von A Silent Voice, wodurch der Manga lange Zeit ernster Stoff ist, ohne jemals zu unverdaulich zu sein. Interessant sind die in der zweiten Hälfte aufkommenden Entwicklungen, die der Geschichte eine Wendung geben und den Charakter von wahrer Freundschaft thematisieren. Die Ereignisse führen immer klarer zu jenem Moment am Anfang des Mangas und Shoyas Versuch mit Shoko Kontakt aufzunehmen wird nachvollziehbarer.

Undurchsichtig

Ein wenig bedauerlich ist, dass die zweite Hauptfigur von A Silent Voice, Shoko Nishimiya, über weite Strecken etwas blass bleibt. Es zeigen sich zwar klare Persönlichkeitsmerkmale und charakterliche Eigenschaften, doch vieles ist bei ihr von der Mimik abhängig. Dabei scheint sie stets darauf bedacht zu helfen, entgegenkommend und freundlich zu sein. Manchmal ist es etwas schwierig einzuschätzen, was ihre Beweggründe sind oder was sie über eine Situation denkt. Dennoch funktioniert die Charakterdarstellung ausschließlich über Gesichtsausdrücke sehr gut. Besonders ihr Verhalten gegenüber Shoya ist interessant und zeigt, was für eine Art Mensch sie ist. Auch bei ihr zeigen die Entwicklungen in der zweiten Hälfte des ersten Bandes interessante Seiten ihrer Persönlichkeit.

Neben der starken Mimik, bewegt sich A Silent Voice auf einem hohen zeichnerischen Level. Die meisten Charaktere haben einen großen Wiedererkennungswert, was dazu führt, dass keine Verwechslungsgefahr besteht. Zugleich achtet Mangaka Yoshitoki Oima auf zahlreiche Details an Figuren und in den Hintergründen. Lobenswert ist auch die deutsche Umsetzung, da auch Texte auf Objekten wie in Shokos Heft oder an der Tafel sich meist gut in die Umgebung einfügen ohne als Fremdkörper aufzufallen.

Fazit

A Silent Voice nimmt sich auf gelungene und angemessene Weise der ernsten Thematik des Mobbings an. Die Umsetzung ist Yoshitoki Oima gut gelungen, ohne dass die Geschehnisse jemals so hart werden, dass der Manga zu heftig wird. Gleichzeitig gelingt der Spagat das Mobbing an einer tauben Schülerin niemals ins Lächerliche zu ziehen oder als etwas zu seichtes darzustellen. Viel mehr ist die Hauptfigur über lange Zeit unsympathisch und man möchte ihm am liebsten erklären, was an seinem Verhalten falsch ist. Um so besser funktionieren die Wendungen und Charakterentwicklungen, durch die man Shoya immer mehr ins Herz schließt und sich wünscht, dass sein Leben einen anderen Verlauf nehmen möge. Ein wenig bedauerlich ist, dass Shoko noch etwas zu kurz kommt und keine Einblicke in ihre Gedankenwelt geboten werden. Das ist natürlich der Geschichte geschuldet und dürfte in den kommenden Bänden aufgegriffen werden. Hierbei bleibt abzuwarten wie sich die Reihe nach dem ersten Band entwickelt. A Silent Voice Band eins ist hervorragend gelungen und bietet eine sehr gute Grundlage für die kommenden Mangas. Es bleibt spannend wie sich das erneute Zusammentreffen von Shoya und Shoko entwickelt und welche Ereignisse der Vergangenheit erneut aufgegriffen werden.

Kurzfazit: A Silent Voice schafft es ernste Thematiken angemessen umzusetzen und erzählt dabei eine interessante Geschichte mit unerwarteten Wendungen sowie guter Charakterentwicklung.

Details
Titel: A Silent Voice – Band 1
Genre: Coming of Age, Romance, Drama
Verlag: Egmont Manga
Story/Zeichnungen: Yoshitoki Oima
Seiten: 192
Preis: 7,00 €
ISBN: 978-3-7704-8996-1
Verlagsseite: A Silent Voice – Band 1 bei Egmont Manga
Erscheinungsdatum: 01. Juli 2016

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