Rezension: Wo Long: Fallen Dynasty (Xbox Series X)

Mächtige Krieger, dämonische Bestien und ein Krieg, der ganz China überzieht bieten in Wo Long: Fallen Dynasty actionreiches Soulslike-Gameplay.

Nachdem Team Ninja bereits mit Nioh, Nioh 2 und Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin Erfahrungen im Soulslike-Genre gesammelt hat, widmet sich das Studio mit Wo Long: Fallen Dynasty einer neuen Marke. Statt ins feudale Japan wie in den Nioh-Spielen, dient dieses Mal China zum Ende der Han-Dynasty und den drei Reichen als Grundlage. Es herrscht Krieg um die Herrschaft über das riesige Land. Als Milizsoldat oder -soldatin stellen wir uns zu Beginn von Wo Long Angreifern der gelben Turbane entgegen. Erleben wir das noch in einer Zwischensequenz aus der Ego-Perspektive, dürfen wir uns anschließend in einem sehr umfangreichen Editor unseren Charakter erstellen. Neben dem Geschlecht dürfen wir fast alles einstellen und im Detail verändern, so dass uns beim Aussehen unserer Spielfigur kaum Grenzen gesetzt sind. Haben wir keine Lust darauf viel Zeit mit der Charaktererstellung zu verbringen, können wir auch eines von mehreren Standardaussehen oder den Zufallsmodus verwenden. Anschließend stürzen wir uns, begleitet von einem Nicht-Spieler-Charakter, in die ersten Kämpfe und bekommen die Grundlagen von Wo Long vermittelt.

Blocklastige Kämpfe mit Wille

Grundsätzlich funktionieren die Kämpfe wie in vielen anderen Genre-Vertretern. Allerdings nutzt Wo Long für die Angriffe nicht die Schultertasten, sondern die X- und Y-Knöpfe. Daran haben wir uns schon nach wenigen Minuten gewöhnt. Etwas länger haben wir jedoch beim Willenssystem gebraucht. Dieses ersetzt die übliche Ausdauer und wird als Leiste unter unserer Lebensenergie angezeigt. Dabei kann unser Wille sowohl in den negativen als auch positiven Bereich schwenken. Ausweichen oder starke Angriffe kosten uns genauso wie Zauber, die wir im Laufe des Spiels lernen, Wille. Blocken wir hingegen erfolgreich, füllt sich unsere Willensanzeige auf und unsere starken Angriffe werden zu noch mächtigeren Willensattacken. Beachten sollten wir, dass wir uns eine zeitlang nicht bewegen können, wenn unsere Willensanzeige komplett im negativen Bereich ist. Hier heißt es also vorsichtig sein. Allerdings verfügen auch Gegner über Willen und das können und müssen wir ausnutzen. Besonders Bosse verlangen von uns, dass wir alle Spielmechaniken verinnerlicht haben.

Dazu zählt auch das Blocken. Auf Knopfdruck können wir feindliche Angriffe parieren und kontern. Dadurch sichern wir uns nicht nur wertvolle Treffer beim Gegner, sondern fügen auch dem Willen unserer Kontrahenten großen Schaden zu. Wie wichtig es ist zu Blocken und das Timing dafür zu verstehen, merken wir spätestens beim Bossgegner des Tutorialgebietes. Dieser ist so bockschwer, dass er für einige Spieler zum unüberwindbaren Hindernis werden könnte. Besonders Genreneulinge könnten hier schnell frustriert aufgeben. Für uns unverständlich, zumal Wo Long später oft wesentlich leichter ausfällt als andere Genre-Vertreter. Allerdings zeigen sich auch im weiteren Spielverlauf unverhältnismäßige Schwierigkeitsgradspitzen. Haben wir zuvor größere Gegner und Bosse relativ leicht besiegt, kommen wir auf einmal an eine Stelle, an der uns vermeintlich normale Feinde dutzende Versuche kosten. Nervig, frustrierend und für uns schlechte Spielbalance. Daran ändern auch die optionalen Begleiter, die uns im Kampf unterstützen können, wenig. Auch wenn sie natürlich sehr hilfreich sein können.

Wertvolle Moral

Ein wichtiger Aspekt, weshalb Wo Long grundsätzlich einsteigerfreundlich ist, sind die Morallevel. Wie in anderen Soulslike, erhalten wir für das Besiegen von Gegnern Punkte, hier Ki genannt, die wir an Standarten nutzen, um unsere Statuswerte anhand der fünf Elemente Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser zu steigern. Dadurch erhöht sich auch unsere Charakterstufe. Zudem hängen die Elemente mit den Zaubern und den göttlichen Bestien, die wir im Spielverlauf erhalten, zusammen und nutzen eine Art Schere-Stein-Papier-System. Verbessern wir beispielsweise unseren Wasserwert, dann werden nicht nur entsprechende Elementarangriffe stärker, sondern unsere Verteidigung gegenüber Feuer steigt. Soweit so normal.

Allerdings nimmt das Morallevel abseits des Charakterlevels eine wichtige Rolle ein. Sowohl wir als auch Gegner haben ihren Moralwert mit einer Zahl angegeben. Ist unsere Moral niedriger als die eines Feindes, können wir diesen schwerer besiegen. Mit dem Bezwingen von Feinden, erhöhen wir unsere Moral und steigern schließlich den entsprechenden Level. Unsere maximale Moralstufe hängt dabei von den in jedem Level gefundenen Standarten ab. Je mehr wir finden, desto höher kann unsere Moral steigen. Gleichzeitig wird dadurch auch der niedrigste Wert festgelegt, auf den unsere Moral zurückfallen kann. Dieses System ist jedoch mit den jeweiligen Gebieten verbunden. Heißt: Erreichen wir einen neuen Schauplatz, fangen wir wieder mit Morallevel eins an und müssen die Standarten finden und unseren Morallevel steigern. Besiegt uns ein Gegner, kann sogar dessen Morallevel steigen. Nehmen wir anschließend erfolgreich Rache, erhalten wir nicht nur unsere Moral, sondern auch das zuvor verlorene Ki zurück. Klingt vielleicht kompliziert, stellt sich aber schon nach kurzer Zeit als überaus eingängig und nützlich heraus. Das Moralsystem ist für uns sogar eine der größten Stärken von Wo Long.

Interessantes Szenario, schwache Geschichte

Zu den Schwächen gehört, neben dem bereits erwähnten gelegentlich unausgewogenen Schwierigkeitsgrad und der frustrierenden Balance, leider auch die Geschichte. So interessant das Szenario ist, die Handlung bleibt oberflächlich, wird manchmal konfus erzählt und setzt auch flache Charaktere, die wir kaum kennenlernen, ein. Darunter leiden schließlich auch die Wendungen im späteren Spielverlauf, da wir keinerlei emotionale Bindung aufbauen und uns höchstens an den schick inszenierten Zwischensequenzen erfreuen. Dafür wissen die schicken Umgebungen und Schauplätze genauso wie das fantasievolle Gegnerdesign zu überzeugen. Hier nutzt Team Ninja das bei der Geschichte liegen gelassene Potenzial des chinesischen Fantasy-Settings. Selbiges gilt für die gelungene Atmosphäre, die von der stimmungsvollen Musik gekonnt unterstützt wird. Bei der Sprachausgabe haben uns die japanische und chinesische Version besser gefallen als die manchmal etwas hölzern wirkende, aber dennoch ordentliche englische Synchronisation.

Wie in den Nioh-Spielen erhalten wir zudem allerlei Ausrüstung. Schon im Tutoriallevel füllt sich unser Inventar schnell und oft mit identischen Waffen, Helmen, Rüstungen und dergleichen. Zwar dürfen wir diese bei der Schmiedin verkaufen oder umwandeln, aber nervig ist es trotzdem, wenn wir immer wieder gezwungen sind, unser Inventar minutenlang aufzuräumen. Besonders ärgerlich ist das, weil wir bereits sehr früh eine Waffe hatten, die wir dank Aufwertungen bei der Schmiedin über lange Zeit nicht wechseln wollten, weil sie einfach stets stärker und für uns nützlicher war als später gefundene Schwerter, Lanzen, Knüppel oder ähnliches. Hier wäre vielleicht weniger Masse und dafür mehr Abwechslung gut gewesen.

Zum Abschluss sei noch erwähnt, dass wir keine größeren technischen Probleme oder Bugs hatten. Zwar kam es gerade in späteren Leveln zu kleineren Rucklern, diese haben uns aber trotz der enormen Wichtigkeit des richtigen Timings nur bedingt beeinträchtigt oder den Spielspaß gemindert. Weitaus auffälliger ist, dass Wo Long auf der Xbox Series X nicht nach einem Next-Gen-Spiel aussieht. Zwar kann das Action-Rollenspiel mit schicken Effekten aufwarten, doch weder Charaktermodelle noch Umgebungen sind grafisch aufwendig. Angesichts der stimmungsvollen Umsetzung und tollen Designs, hat uns das aber kaum gestört. Zumal das actionreiche Gameplay sowieso im Mittelpunkt steht und Soulslike-Fans, die etwas mit einer Mischung aus Nioh und Sekiro anfangen können, gefallen dürfte.

Fazit

Wo Long: Fallen Dynasty nutzt ein Szenario, das gerade bei Rollenspielen und Soulslikes angenehm unverbraucht ist. Leider lässt Team Ninja viel zu viel Potenzial liegen. Besonders die Geschichte hat mich wenig überzeugt und schon gar nicht begeistert. Lediglich als nettes Bindeglied für das actionreiche Gameplay, habe ich die oft schick inszenierten Zwischensequenzen gerne mitgenommen. Zudem hat mich der unausgewogene Schwierigkeitsgrad immer wieder geärgert. Wieso muss der erste Bossgegner so derart schwer sein? Weshalb sind einige große Gegner und Boss gefühlt leichter als einfache Feinde? So etwas sollte nicht passieren. Insgesamt fällt Wo Long aber leichter aus als viele andere Genrevertreter. Das ist neben den optionalen Begleitern vor allem dem großartigen Morallevel-System zu verdanken. Eine sinnvolle Neuerung, die Wo Long eine wichtige eigene Identität und Abgrenzung zu Nioh verleiht. Oft muss ich dennoch an die indirekten Vorgänger und From Softwares Sekiro denken. Wer diese Spiele mag, dürfte auch mit Wo Long: Fallen Dynasty viel Spaß haben.

Kurzfazit: Gelungenes Soulslike-Action-Rollenspiel mit schwacher Geschichte, manchmal unausgewogenem Schwierigkeitsgrad, viel zu hoher Einstiegshürde und sehr interessanten, gelungenen Gameplay-Mechaniken.

Vielen Dank an Koei Tecmo für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Wo Long: Fallen Dynasty!

Details
Titel: Wo Long: Fallen Dynasty
Genre: Action-Rollenspiel
Publisher: Koei Tecmo
Entwickler: Team Ninja
Spieler: 1
Syteme: Xbox Series X|S (getestet), Xbox One, PlayStation 5, PlayStation 4, PC
Altersfreigabe: ab 16
Erscheinungsdatum: 03. März 2023

©KOEI TECMO GAMES CO., LTD. All rights reserved.