Rezension: Thymesia (PS5)

In einem von einer Seuche heimgesuchten Königreich sucht Corvus in Thymesia nach seinen Erinnerungen.

Ein einst strahlendes, von eine Seuche in Finsternis und Verderben gestürztes Königreich. Ein geheimnisvoller Kämpfer mit Seuchendoktormaske, der auf den Namen Corvus hört und seine Erinnerungen verloren hat. Düstere Umgebungen, tödliche, von der Seuche in den Wahnsinn getriebene Feinde und schnelle, auf Konter und Parieren setzende Kämpfe. Schon auf den ersten Blick erinnert das Soulslike-Action-Rollenspiel Thymesia von OverBorder Studio und Publisher Team 17 an Bloodborne. Spätestens bei den ersten Auseinandersetzungen werden Parallelen zu Sekiro ersichtlich. Als Inspiration sind die beiden Genre-Hits jedoch sicherlich keine schlechten Vorbilder und Thymesia setzt nicht einfach nur auf die Verbindung bekannter Elemente, sondern versucht sich auch an eigenen Ideen. Dabei kann das junge Entwicklerstudio hinter dem Soulslike-Action-Rollenspiel jedoch das vorhandene Potenzial nicht vollständig nutzen.

Knackiger Gothic-Horror

Thymesia macht keinen Hehl daraus, welche Spiele für Szenario und einige Gameplay-Mechaniken Pate standen. Das ist aber gar nicht schlimm, schließlich muss ein funktionierendes und beliebtes Genre nicht immer neu erfunden werden. Zumal Thymesia schon von der ersten Minute an mit einer schön düsteren Gothic-Horror-Atmosphäre und morbiden Umgebungen punkten kann. Entsprechend motivierend ist es, ohne große Informationen zur Geschichte als Corvus die ersten Schritte in dem uns noch unbekannten Königreich zu machen. Langsam werden wir an die wichtigsten Spielmechaniken herangeführt und finden dabei schnell heraus, dass Thymesia gerade bei den Kämpfen auch eigene Wege geht.

Während wir, wie in anderen Soulslikes, mit R1 schnelle Angriffe aneinanderreihen, verzichtet Thymesia auf klassische starke Attacken. Stattdessen ist die zweite rechte Schultertaste mit unserer Seuchenkralle belegt. Diese ist auch unverzichtbar, da Gegner, genauso wie wir, über zwei übereinanderliegende Energieleisten verfügen. Warten wir nach erfolgten Treffern zu lange, füllt sich die weiße Lebensleiste des Gegners relativ schnell wieder auf. Nur wenn wir die darunterliegende grüne Leiste mit folgenden Angriffen senken, verlieren unsere Kontrahenten dauerhaft an Lebensenergie. Schon bei kleinen Standardgegnern kann das entscheidend sein, um einen Sieg zu erringen. Hier hilft uns unsere wuchtige Seuchenkralle, die zugleich auch aufgeladen werden kann. Allerdings dauert es etwas, bis die Kralle bereit ist, und so lange sind wir komplett schutzlos. Gelingt es uns aber, einen Gegner mit geladener Kralle zu attackieren, übernehmen wir die Seuchenwaffe unseres Kontrahenten und können diese einmalig einsetzen. Ein sehr interessantes Konzept, das durch dauerhaft freischaltbare, verbesserbare und unbegrenzt einsetzbare Seuchenwaffen ergänzt wird.

Statt auf eine Ausdauerleiste, auf die Thymesia verzichtet, müssen wir auf unsere Seuchenenergie achten. Ist diese aufgebraucht, können wir unsere Seuchenwaffe nicht mehr einsetzen. Außerdem ist es essenziell, dass wir gezielt ausweichen und Angriffe der Gegner parieren und kontern. Gerade bei den knackigen Bosskämpfen ist es, wenn wir auch nur die kleinste Chance haben wollen, unerlässlich, dass wir einen regelrechten Tanz aus Angriffen, Seuchenkralle, Ausweichen und Parieren entfachen. Bereits der erste Boss, Odur, ist verdammt hart und verlangt uns all unser Können ab. Über eine Stunde haben wir uns an dem Zirkusdirektor die Zähne ausgebissen. Hier sind gute Nerven und Frustresistenz unabdingbar. Um so bedauerlicher ist es, dass manche Abschnitte von Thymesia, vor allem bei einigen Bosskämpfen, an der Grenze zum unfairen Spieldesign kratzen. Das kann selbst eingefleischten Genre-Fans sauer aufstoßen. Dennoch bleibt das Erfolgserlebnis, nachdem wir endlich einen besonders harten Boss geschafft haben, erhalten.

Ungenutzte Möglichkeiten

Bedauerlich ist, dass Thymesia viel vom gezeigten Potenzial ungenutzt lässt. Die Geschichte wirkt zwar grundsätzlich interessant, endet aber zu plötzlich und bleibt deutlich hinter den Möglichkeiten zurück. Ähnliches gilt leider auch für das Kampfsystem und die Abwechslung beim Leveldesign. Kaum beginnen sich die einzelnen Elemente von Thymesia zu entfalten, ist das Action-Rollenspiel auch schon vorbei. Genre-Profis werden nach knapp zehn Stunden den Abspann sehen. Viel länger als fünfzehn Stunden Spielzeit bietet Thymesia aber auch nicht. Natürlich spielt hier eine Rolle, wie lange wir an einem Boss oder Level hängen. Gleichzeitig ist es auch wichtig, die Nebenquests zu spielen, da diese nicht nur zur Geschichte, sondern auch zur genannten Spielzeit beitragen. Gerade aufgrund des recht abrupten Endes, kann sich Thymesia nicht des Verdachts erwehren, dass dem taiwanesischen Entwicklerstudio Zeit, Geld oder beides ausgegangen sind. Sehr bedauerlich, da das Action-Rollenspiel zu so viel mehr fähig wäre. Gerade deshalb wäre ein Nachfolger mehr als wünschenswert. Dann gerne mit einigen Verbesserungen bei der Schwierigkeitsgradbalance und den Kämpfen.

Mittels sogenannter Erinnerungssplitter, die wir, wie im Genre üblich, von besiegten Gegnern erhalten, können wir unsere Attribute Stärke, Vitalität und Seuche erhöhen. Jede Attributsverbesserung steigert Corvus’ Level um eine Stufe. Dadurch erhalten wir außerdem Talentpunkte, die wir in mehreren Talentbäumen in unterschiedliche Fähigkeiten investieren können. Auf diese Weise können wir etwa die Anzahl an nacheinander ausgeführten Ausweichbewegungen, die Stärke unserer Angriffe oder unsere Pariermöglichkeiten beeinflussen. Wichtig dabei ist, dass wir die Talente aktivieren und deaktivieren können. Dadurch ist es uns an den als Speicherpunkte und Rücksetorte dienenden Stühlen jederzeit möglich, Corvus nach unseren aktuellen Erfordernissen anzupassen und verschiedene Spielstile auszuprobieren. Wirklich schön, da wir hier viele Freiheiten genießen.

Nicht vollständig überzeugen kann OverBorder Studios Debütwerk bei der Technik. Thymesia sieht grundsätzlich schick und stimmungsvoll aus. Allerdings zeigen sich auch immer wieder kleine Schönheitsfehler. So sind die Levelbegrenzungen, wie Wände, oft nicht passend platziert und wir laufen nicht gegen ein Hindernis, sondern werden bereits knapp davor vom Weiterlaufen abgehalten. Auffällig ist auch, dass die Level, trotz kleinerer Abzweigungen und Abkürzungen, sehr linear ausfallen. Dafür tragen Musik und Sound viel zur Stimmung bei. Auf eine Sprachausgabe wurde komplett verzichtet, weshalb die unter anderem in deutsch vorliegenden Texte ohne Vertonung auskommen müssen. Letztlich bietet Thymesia eher kurze, aber durchaus gelungene Soulslike-Action-Rollenspiel-Kost als kleiner Genre-Happen zwischendurch. Gerade aufgrund der Größe und Länge einiger anderer Genrevertreter ist das sogar recht willkommen.

Fazit

Thymesia kann sicherlich nicht mit den großen Namen des Soulslike-Genres mithalten, schafft es aber dafür, ein kleines, feines Indie-Action-Rollenspiel zu sein. Mit knackigem Schwierigkeitsgrad, düsterem Szenario und schnellen Kämpfen hat mich Thymesia früh gepackt und trotz des offensichtlichen Frustes auch immer wieder motiviert weiterzuspielen. Die kleinen technischen und spielerischen Mängel sowie die überschaubare Spielzeit verzeihe ich dem Erstlingswerk von OverBorder Studio genre. Soulslikes-Fans, die sich an sehr frustigen, fast unfairen Abschnitten nicht stören und einen kleinen Genre-Happen für zwischendurch suchen, sollten sich Thymesia unbedingt anschauen.

Kurzfazit: Kurzes, aber trotz Schwächen motivierendes und forderndes Soulslikes-Action-Rollenspiel das besonders als kleine Genre-Kost funktioniert.

Vielen Dank an Team17 für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Thymesia!