Rezension: Ghost of Tsushima (PS4)

Sucker Punch lässt uns in Ghost of Tsushima als Samuari Jin Sakai die Mongolen-Invasoren im Japan des 13. Jahrhunderts bekämpfen.

Fast sechs Jahre war es ruhig um das Entwicklerstudio Sucker Punch Productions, das zuletzt Infamous: Second Son und dessen eigenständigen DLC First Light veröffentlicht hat. Mit Ghost of Tsushima entfernen sich die Entwickler von Superhelden und wenden sich dem historischen Japan und einer fiktiven Samuraigeschichte zu. In dem Open-Word-Action-Adventure bekämpfen wir als einer der letzten lebenden Samurai auf der vor Japan gelegene Insel Tsushima die Mongolen-Invasoren.

Starke Persönlichkeiten

Ghost of Tsushima beginnt mit der Landung der Mongolen auf der titelgebenden Insel. Als Jin Sakai reiten wir an der Seite unseres Onkels, dem Herren über Tsushima, in die Schlacht. Hautnah erleben wir die erschreckende Übermacht der Mongolen mit und überleben nur, weil wir von der Diebein Yuna gerettet und versorgt werden. Das ist jedoch nur der Anfang einer von Rache, Ehre und Zweifeln gefüllten Geschichte, die sich einer zu einfachen Gut- gegen Böse-Darstellung hingibt. So sind die Mongolen schlicht die finsteren und fiesen Invasoren. Dadurch wirken unsere Gegenspieler und der große Antatgonist trotz einiger starker Szenen eher blass und eindimensional. Dennoch ist Ghost of Tsushima spannend erzählt und fesselt uns bereits in den ersten Spielminuten. Ist es anfangs die Faszination des feudalen Japan des 13. Jahrhunderts, sind es später die überaus glaubhaften und gut geschriebenen Charaktere und das spaßige Kampfsystem, die uns an die Konsole binden.

Obwohl die Geschichte durchaus zu motivieren weiß, ist die simple Rache- und Befreiungshandlung recht einfach gestrickt. Wirklich negativ ist das nicht, da handelnde Personen, spannende Missionen und die ein oder andere harte Entwicklung auf uns warteen. Getragen wird Ghost of Tsushima aber eindeutig von den vielschichtigen Charakteren. Begonnen bei Jin, der den Lehren seines Onkels und dem Samuraiweg folgen möchte, in den Wirren des Krieges aber gezwungen ist, auf hinterhältigere, wenig ehrenhafte Methoden zurückzugreifen. Seine Zweifel sind überaus greifbar und werden zusätzlich durch spielbare Rückblicke in die Jugend des Protagonisten verstärkt. Aber es ist nicht nur Jin, der in Ghost of Tsushima überzeugt. Nahezu alle wichtigen Charaktere mit denen wir es zu tun bekommen, haben ihre eigene Geschichte, folgen ihren Zielen und erhalten dadurch ein immer umfangreicheres, tiefgründigeres Profil.

Ist unsere Retterin Yuna zu Beginn scheinbar nur eine einfache Diebin, die unsere Hilfe bei der Befreiung ihres Bruders benötigt, zeigt sich im Laufe des Spiels, was sie durchgemacht hat und wir verstehen immer besser, wie sie zu der Person geworden ist, die wir getroffen haben. Yuna ist aber nur ein Beispiel für mehrere Figuren, die uns während den Hauptmissionen begegnen und die wir anschließend mittels Nebengeschichten noch besser kennenlernen. Tatsächlich haben wir uns jedes Mal aufs Neue darauf gefreut, diese Charakter bezogenen Quests zu erleben, da vielleicht nicht jede Person durchweg sympathisch ist, aber dafür umso glaubhafter, vielschichtiger und interessanter. Die durchweg herausragende, wahlweise deutsche, englische oder japanische, Synchronisation lässt die Charaktere zudem noch lebendiger wirken.

Faszinierende Insel

Natürlich sind Geschichte und Charaktere nicht alles. Ghost of Tsushima ist ein klassisches Open-World-Action-Adventure. Das heißt, wir durchstreifen die in drei große Gebiete eingeteilte Insel, erledigen Nebenmissionen und -beschäftigungen oder suchen Sammelgegenstände. Da alles davon eigene kleine Geschichten erzählt oder mit besonderen Momenten aufwartet, befassen wir uns sehr gerne damit. Anders als in anderen heutigen Open-World-Spielen wie der Assassin’s-Creed-Reihe, werden wir außerdem nicht alle paar Meter durch irgendetwas abgelenkt. Stattdessen legt Ghost of Tsushima den Fokus auf eine ordentliche Zahl an Beschäftigungen, die aber hervorragend in die lebendige und wunderschöne Spielwelt eingebunden sind. Hier zeigt sich, dass die japanische Insel mit ihren faszinierenden Landschaften fast schon so etwas wie der zweite Hauptcharaktere von Ghost of Tsushima ist. Manchmal macht es einfach Spaß, nur die Insel zu erkunden oder sich von der Umgebung fesseln zu lassen, ganz ohne einer Mission zu folgen oder Kämpfe zu suchen. Die seltenen Performanceprobleme auf der normalen PS4 fallen dabei nicht wirklich störend auf. Dafür spielt sich Ghost of Tsushima zu flüssig und überzeugt mit einer wunderschönen Grafik und atmosphärischer Musik.

Wuchtige Kämpfe, geschicktes Schleichen

Wie wir uns den Mongolen-Invasoren, Banditen und anderen Gegnern entgegen stellen, bleibt abgesehen von manchen Missionsvorgaben, vollkommen uns überlassen. So können wir uns, ganz Samurai, den Gegnern frontal stellen. Wir fordern sie zum Duell, führen gezielte Schläge aus und töten so bereits vor Kampfbeginn einige Widersacher. Anschließend weichen wir aus, kontern, greifen überlegt an und passen unsere Schwertstellung unseren Feinden an. Das fühlt sich überaus wuchtig und gut an. Wildes Knöpfedrücken hilft jedoch kaum weiter. Es ist unabdingbar, dass wir überlegt vorgehen. Eine Übermacht kann schnell zum Problem werden. Dafür haben wir allerlei Hilfsmittel wie Bogen, Kunai oder Rauchbomben, die wir gezielt einsetzen, um uns einen Vorteil zu verschaffen. Lediglich die Kamera stellt sich, gerade zu Beginn, als Nachteil heraus da auf eine Lock-on-Funktion verzichtet wurde. Es kann durchaus ärgerlich sein, wenn wir wegen eines Baums oder einer Wand unsere Feinde nicht richtig sehen. Auch visiert Jin nicht immer genau den Gegner an, den wir angreifen wollen. Mit der Zeit haben wir uns aber daran gewöhnt und hatten keine großen Schwierigkeiten mehr mit dieser doch recht offensichtlichen Macke.

Alternativ können wir uns unseren Feinden aber auch schleichend nähern. Versteckt im hohen Gras oder auf Hausdächern verborgen, nähern wir uns Gegnern an, locken sie mit Knallkörpern oder Glocken dorthin, wo wir sie haben wollen und greifen schließlich mit einer gezielten Attacke aus dem Hinterhalt an. Nicht unbedingt der Weg der Samurai, aber genauso befriedigend wie die wuchtigen Schwertkämpfe. Angesichts der feindlichen Übermacht kann heimliches Vorgehen sogar unabdingbar sein. Sind wir einmal entdeckt, heißt es, schnell in den offenen Kampf wechseln oder flüchten. Da die Gegner-KI schlau agiert, Alarm schlägt und gemeinsam angreift, müssen wir vorsichtig sein. Immerhin folgen uns unsere Widersacher nicht sonderlich lange, so dass wir ihnen im Zweifelsfall entkommen können.

Verdiente Fähigkeitspunkte investieren wir in neue Techniken, die unsere Möglichkeiten im Kampf stets sinnvoll erweitern. Keine Fertigkeit fühlt sich überflüssig an. Genau so muss ein Skillsystem aussehen, da wir wirklich motiviert sind immer wieder etwas neues zu erlenen und herauszufinden, wie sich die neuen Fähigkeiten in die Kämpfe einfügen. Ähnliches gilt für neue Waffen und Ausrüstung, die wir entweder im Laufe der Handlung oder durch Nebenquests erhalten. Unser mit der Zeit wachsendes Arsenal an Waffen, Ausrüstung und Techniken ist überaus motivierend und lässt uns unsere Feinde auf immer individuellere Art besiegen. Das rundet Ghost of Tsushima wunderbar ab und sorgt dafür, dass das Open-World-Action-Adventure das letzte große PS4-exklusive-Highlight ist.

Fazit

Ghost of Tsushima ist genau das Open-World-Action-Adventure-Highlight, das ich mir erhofft habe. Setting, Geschichte, Charaktere und Kampfsystem haben mich schnell in ihren Bann gezogen und für zahlreiche Stunden nicht mehr losgelassen. Es ist überaus motivierend gegen Feinde zu kämpfen, die Geschichten meiner Begleiter zu erleben und die Spielwelt kennenzulernen. Die wenigen Schwächen wie die nicht immer perfekte Kamera in den Kämpfen oder seltene Performanceprobleme sind mir kaum negativ aufgefallen. Dafür macht mir das Samurai-Abenteuer auf der Insel Tsushima einfach zu viel Spaß. Deshalb kann ich Ghost of Tsushima jedem, der auch nur ein bisschen was mit dem feudalen Japan und dem Genre anfangen kann nur wärmstens empfehlen.

Kurzfazit: Motivierendes und spaßiges Open-World-Action-Adventure, dessen wenige Schwächen von tiefgründigen Charakteren, spannenden Geschichten, wuchtigen Kämpfen und einer faszinierenden Spielwelt mehr als aufgewogen werden.

Vielen Dank an Sony Interactive Entertainment für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Ghost of Tsushima!

Details
Titel: Ghost of Tsushima
Genre: Action-Adventure
Publisher: Sony Interactive Entertainment
Entwickler: Sucker Punch
Spieler: 1
Syteme: Playstation 4
Altersfreigabe: ab 18
Erscheinungsdatum: . März 2020

© Sony Interactive Entertainment / Sucker Punch