Rezension: Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian (Switch)
Rias und Slade versuchen in Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian ihr Heimatdorf aufzubauen und die Geheimnisse eines alten Buchs zu lüften.
Im März hat Atelier Yumia: Die Alchemistin der Erinnerung und das erträumte Land die langlebige Atelier-Reihe von Gust und Koei Tecmo auf neue Pfade gelenkt. Stärker an andere Japan-Rollenspiele angelehnt, geringerer Alchemie-Fokus und zahlreiche Quality-of-Life-Verbesserungen sowie zugänglichere Spielmechaniken, zeigten einen spürbaren Fortschritt innerhalb der Reihe. Gleichzeitig fehlten trotz der sehr hohen Qualität von Atelier Yumia einige essenzielle Elemente, die frühere Teile ausgezeichnet haben. Besonders das vereinfachte Synthese- und Alchemie-System hat nicht jedem Atelier-Fan gefallen. Mit Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian kehren Gust, Team Ninja und Koei Tecmo zum Kern des Franchises zurück. Das bedeutet klassischere und komplexere Alchemie-Synthese, ein rundenbasiertes Kampfsystem und umfangreicheres Sammeln von Zutaten. Leider wurde ebenfalls auf die deutschen Texte, die Atelier Yumia erstmals in der Reihe hatte, verzichtet. An der Qualität von Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian ändert das aber nichts.
Eine Alchemistin, ein Kämpfer
Kommt euch der Titel Atelier Resleriana bekannt vor, hat das einen Grund. Der neue Teil der JRPG-Reihe ist nicht das erste Spiel mit diesem Titel. Der Vorgänger von Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian erschien bereits im September 2023 in Japan und im Januar 2024 schließlich im Rest der Welt. Atelier Resleriana: Forgotten Alchemy & the Liberator of Polar Night war der erste Hauptteil der Reihe, der ausschließlich für Mobile Android- und iOS-Geräte erschienen ist. Das Rollenspiel verknüpfte eine neue Geschichte inklusive neuer Welt und neuen Charakteren mit bekannten Figuren aus der Vergangenheit der Reihe. Hier zeigten sich auch typische Mobile-Game-Elemente. Der fünfundzwanzigste Atelier-Teil, der gleichzeitig zum fünfundzwanzigsten Jubiläum erschien, wurde allerdings bereits knapp ein Jahr nach Veröffentlichung außerhalb Japans wieder abgeschaltet. Entsprechend lässt sich der Vorgänger von Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian heute nicht mehr spielen – und das obwohl der Nachfolger bereits angekündigt war und die Geschichte Bezug auf die Abenteuer der damaligen Protagonistin Resna Sternenlicht nimmt. Glücklicherweise bleibt der Einfluss gering genug, um keine Verständnisprobleme aufkommen zu lassen.
Entsprechend eigenständig funktioniert Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian trotz des leider nicht mehr spielbaren Vorgängers. Die Geschichte des Rollenspiels folgt Rias Eidreise und Slade Clauslyter, die aus verschiedenen Gründen in das zwölf Jahre zuvor bei einer Katastrophe zerstörte Dorf Hallfein, das wieder aufgebaut werden soll, zurück. Bevor die Geschichte beginnt, könnt ihr wählen, ob ihr diese als Rias oder Slade erlebt. Damit setzt Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian nach langer Zeit wieder auf optionale Hauptfiguren, ebenso wie auf einen männlichen Protagonisten. Wirklich große Unterschiede werdet ihr allerdings nur selten merken, da Rias und Slade früh aufeinandertreffen und fortan stets gemeinsam unterwegs sind. Es ist sogar möglich, unabhängig von der anfänglichen Charakterwahl die im Feld sichtbare Figur per Knopfdruck jederzeit zu wechseln. Komplett sinnlos ist die Wahl jedoch nicht, weshalb ihr euch überlegen solltet, mit wem ihr das Abenteuer erleben wollt.
Geheimnisvolles Abenteuer
Die Geschichte erzählt vom Versuch Hallfein wieder aufzubauen. Verantwortlich für das Vorhaben sind im Auftrag der Hauptstadt Rias ältere Adoptivschwester Camilla und ihr Assistent Randolf. Natürlich mischen Rias und Slade ebenfalls ordentlich mit. Noch im Prolog entdecken die beiden in einer Ruine ein altes Atelier und Rias versucht sich in der vergessenen Kunst der Alchemie. Während Rias ein Talent für Alchemie hat, kann Slade mit besonderen Edelsteinen Portale in dem Atelier öffnen, die zu Dimensionpfaden führen. Dabei handelt es sich um zufallsgenerierte Dungeons, die im Laufe der Geschichte immer wieder absolviert werden müssen und eng mit der Handlung verknüpft sind. So besitzt Slade ein seltsames Buch mit leeren Seiten. Erst die Erkundung der Dimensionspfade lässt altertümlichen Text in diesem erscheinen.
Zum Glück ist Slades Begleiterin El Bell eine angehende Archäologin, die sich nur zu gerne an der Entschlüsselung der Texte versucht, während Rias und Slade Missionen für den Wiederaufbau durchführen und neue Freunde finden. Unter diesen befinden sich zahlreiche Wanderer, bei denen es sich um Figuren aus vorherigen Atelier-Spielen wie Razeluxe Meitzen, Willbell Voll-Ersleid, Ayesha Altugle, Ryza Stout oder Resna Sternenlicht handelt. Damit wird die Thematik des direkten Vorgängers erneut aufgegriffen und gekonnt in die Geschichte eingebaut. Während sich einige wenige Charaktere Rias und Slade direkt anschließen, dienen die meisten als Nebenfiguren, von denen leider nicht einmal alle vertont oder direkt in die Handlung involviert sind. Die wichtigsten Akteure und Ereignisse setzen aber wie gewohnt auf eine vollumfängliche und sehr gute japanische Synchronisation.
Klassisches Abenteuer
Beim Gameplay setzt Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian wie bereits erwähnt auf die klassische Atelier-Formel. Entsprechend erkunden wir die aus zusammenhängenden Gebieten bestehende Welt, die Dimensionsportal-Dungeons, sammeln Zutaten, bestreiten rundenbasierte Kämpfe, widmen uns der Alchemie-Synthese und erleben die Geschichte. Interessant ist, dass nicht nur auf eine Open World wie in Atelier Yumia verzichtet wurde, sondern dass die Gebiete sogar weniger umfangreich sind als noch in Atelier Ryza 3 oder Atelier Sophie 2.
Negativ ist das aber nicht. Vielmehr sorgt das für ein überschaubares und angenehm fokussiertes Abenteuer. Zumal ausreichend Abwechslung bei den Umgebungen garantiert wird. Natürlich dürfen Orte, die erst mit dem richtigen Gegenstand erreicht werden können, genauso wenig fehlen wie Schatztruhen und kleinere Geheimnisse. Große Erkundungen bleiben zwar aus, dafür garantieren die Haupt- und Nebenquests ausreichend Motivation.
Kämpfen in der Gruppe
Trefft ihr auf Gegner, könnt ihr mit einem gezielten Schlag einen Vorteil im Kampf erringen. Anschließend wechselt das Geschehen in die klassische rundenbasierte Arena. Hier gebt ihr eurer dreiköpfigen Gruppe Anweisungen. Normaler Angriff, Fähigkeit einsetzen oder Gegenstand verwenden stehen zur Auswahl. Zu beachten ist dabei, dass Fähigkeiten Aktionspunkte verbrauchen, die mit normalen Angriffen wieder aufgefüllt werden. Schwächen und Resistenzen sollten immer im Blick behalten werden, um möglichst effizient zu agieren. Zudem stehen euch mit der Zeit einige zusätzliche Möglichkeiten zur Verfügung.
So können Charaktere aus der vorderen Reihe mit einer Figur aus der hinteren Reihe tauschen. Dabei führen beide einen Angriff aus. Später lassen sich so sogar bis zu vier Attacken aneinanderreihen. In Einklang mit der Partneraktion, wenn mehrere Charaktere direkt nacheinander agieren, kann das sogar noch mehr werden. Natürlich muss dafür die entsprechende Leiste gefüllt sein. Diese wird auch verbraucht, wenn ein Charakter aus der hinteren Reihe auf Knopfdruck agiert, um einen Gegenstand einzusetzen. Das kann gerade für dringend benötigte Heilung wichtig sein. Bei guter Planung, lassen sich einige Kämpfe ohne einen Gegenangriff gewinnen. Ist euer Gegner doch einmal an der Reihe, habt ihr die Möglichkeit, mit rechtzeitigem Knopfdruck feindliche Attacken zu blockieren. Bei richtigem Timing verringert sich der Schaden sogar noch mehr.
Komplexe Synthese, kurzweiliger Wiederaufbau
Ebenfalls sehr zentral eingebunden ist das Alchemie-System, das im ersten Moment simpel erscheint, sich aber zusehends komplexer herausstellt. Nachdem ihr ein Rezept gewählt habt, gilt es erst drei Grundzutaten und schließlich vier optionale Nebenzutaten auszuwählen. Diese bestimmen Level, Qualität und Effekte des synthetisierten Gegenstands. Beachtet ihr zusätzlich, dass die Farbgebung nebeneinanderliegender Zutaten zueinander passt, werden diese verbunden, das das Ergebnis zusätzlich verbessert und manchmal sogar erforderlich ist. Besonders, wenn ihr Rezepte weiterentwickeln wollt, um einen neuen Gegenstand zu erhalten, ist die Verbindung der Zutaten unerlässlich. Um das etwas zu vereinfachen kann nach einiger Zeit einmalig einem Material eine andere Farbkodierung verliehen werden – zumindest, wenn ihr den passenden Kristall dafür besitzt. Das klingt wahrscheinlich komplizierter als es ist. Langsam werden neue Mechaniken eingebaut und vorgestellt, so dass die Alchemie-Synthese schnell erlernt ist, motiviert und viel zum Spielspaß beiträgt. Es ist sehr befriedigend, wenn ein Gegenstand perfekt gelingt und eine hohe Qualitätsstufe erreicht wird. Zusätzliche Mechaniken wie Duplizierung oder Veränderung von Items, bringen weitere willkommene Vereinfachungen.
Doch Rias und Slade sind nicht nur auf Abenteuer und Alchemie aus. Sie haben ebenfalls ein großes Interesse daran Hallfein wiederaufzubauen und beteiligen sich bereitwillig daran. Das ist jedoch nicht nur Teil der Geschichte oder Grund für viele Nebenquests, sondern auch eine zentrale Spielmechanik. Rias hat den alten Laden ihres Großvaters wiedereröffnet. Dort können verschiedene hergestellte Gegenstände oder gefundene Ressourcen verkauft werden. Bis zu neun Objekte auf einmal können platziert werden. Auch hier hat die Farbkodierung nebeneinander liegender Items Einfluss auf Preis und Effektivität. Was ihr verkauft, beeinflusst die Entwicklung der fünf Bezirke von Hallfein und lässt das Stadtlevel steigen. Bestimmte Gegenstände führen dazu, dass das Angebot von Händlern erweitert wird. Darunter können auch wichtige Alchemie-Rezepte sein. Allerdings reicht es nicht gelegentlich etwas in eurem Laden zu verkaufen. Um die Levelgrenzen der Bezirke zu erhöhen, müsst ihr bei Camilla Geld und Materialien investieren. Immerhin erhaltet ihr bei der Führung eures Geschäfts Hilfe von niedlichen Feen, die ihr in den Dimensionsportalen finden könnt und die unterschiedliche Stärken haben, im Level aufsteigen und Ausdauer verlieren. Gute Planung ist also wichtig.
Motivierend, atmosphärisch, charmant
Die verschiedenen Gameplay-Mechaniken wissen durchgehend zu motivieren, zumal Erkundung, Kämpfe, Alchemie und Stadtentwicklung viel Abwechslung bieten. Zusätzlich garantiert die spannende wie interessante Geschichte, dass Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian nie langweilig wird. Beginnt das Rollenspiel wie in der Reihe gewohnt etwas gemächlich, zeigen sich immer wieder packende Höhepunkt, die von ruhigen Momenten begleitet werden. Hier zeigen sich die Alltags-Anleihen, die seit Beginn in der Atelier-Reihe vorhanden sind. Ebenso wichtig für den Spielspaß sind die liebenswerten Charaktere. Rias und Slade wachsen genauso wie die anderen neuen und bekannten Charaktere schnell ans Herz. Langjährige Fans der Atelier-Spiele freuen sich außerdem über ein Wiedersehen mit zahlreichen schon früher lieb gewonnenen Figuren, während Neulinge keinen Nachteil darin haben, diese nicht zu kennen. Dennoch ist offensichtlich, dass sich Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian stärker als Atelier Yumia an Atelier-Fans richtet.
Grafisch kann das Rollenspiel nicht ganz mit Atelier Yumia mithalten. Das ist aber keineswegs negativ. Zwar könnten die Gebiete mehr Details aufweisen und nicht so leer sein und auch matschige Texturen trüben den Eindruck, dafür wissen die fantasievollen Umgebungen und zahlreiche Zutaten sowie Gegner zu überzeugen. Die Atelier-Reihe war nie für grafische Brillanz bekannt und die gebotene Optik ist trotz der Schwächen wirklich schön und stimmungsvoll. Besonders die wichtigen Charaktere stechen mit zahlreichen Details hervor. Zudem sind die Kämpfe effektreich inszeniert. Untermalt wird das Geschehen von einem abwechslungsreichen wie stimmungsvollen Soundtrack, während die sehr gute japanische Synchronisation ebenfalls viel zur Atmosphäre beiträgt. Die englischen Texte sind gewohnt gelungen. Schade ist nur, wie erwähnt, dass auf eine deutsche Übersetzung verzichtet wurde. Dennoch ist Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian ein spaßiges Atelier-Rollenspiel.
Fazit
So gerne ich Atelier Yumia: Die Alchemistin der Erinnerung und das erträumte Land gespielt habe, so sehr hat mir das klassische Atelier-Gefühl gefehlt. Das soll nicht bedeuten, dass Yumias Geschichte nicht in die Reihe passt oder schlechter als die anderen Teile ist, aber ein typischeres Atelier-Spiel habe ich mir trotzdem noch einmal gewünscht. Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian erfüllt mir genau diesen Wunsch. Daran wird deutlich, dass Koei Tecmo und Gust bei der Rollenspiel-Reihe zukünftig zwei Richtungen anpeilen könnte – etwas, das ich sehr begrüßen würde. Das zweite Atelier-Spiel 2025 hat mich mit der spannenden Geschichte, den sympathischen Charakteren und den klassischen Gameplay-Mechaniken sofort wieder für zahlreiche Stunden an die Konsole gefesselt. Rundenbasierte Kämpfe, komplexe Alchemie-Synthese und kurzweilige Stadtentwicklung garantieren viel Abwechslung und ein wirklich gutes Spielgefühl. Es ist spaßig und spannend zugleich, Rias und Slade auf ihrem Abenteuer zu begleiten und mit ihnen mehr über die Geheimnisse der Ruinen, des Ateliers und des Buches zu erfahren. Parallel widme ich mich Nebenquests und treffe bekannte Charaktere aus vorherigen Atelier-Spielen. Besonders Atelier-Fans sollten sich Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian nicht entgehen lassen. Doch auch wer erst durch Atelier Yumia mit der Reihe in Kontakt gekommen ist, sollte zumindest einen Versuch wagen. Jetzt ist nur noch zu hoffen, dass das Mobile-Spiel Atelier Resleriana: Forgotten Alchemy and the Polar Night Liberator irgendwann angepasst für Konsolen und PC erscheint.
Kurzfazit: Klassisches Atelier-Rollenspiel, das mit komplexem Alchemie-Synthese-System, rundenbasierten Kämpfen, kurzweiliger Stadtentwicklung, spannender Geschichte und sympathischen Charakteren erstklassigen Genre- und Reihen-Spielspaß garantiert.
Vielen Dank an Koei Tecmo für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian!
Details
Titel: Atelier Resleriana: The Red Alchemist & the White Guardian
Genre: Rollenspiel
Publisher: Koei Tecmo
Entwickler: Gust, Team Ninja
Spieler: 1
Syteme: Nintendo Switch (getestet), PlayStation 5, PC
Altersfreigabe: ab 12
Erscheinungsdatum: 26. September 2025
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