Rezension: I’m Standing on a Million Lives – Band 1 (Manga)

Mittelschüer Yusuke Yotsuya muss in I’m Standing on a Million Lives Band 1 an einem geheimnisvollen Spiel um Leben und Tod teilnehmen.

Neuntklässler Yusuke Yotsuya hat keine Ziele im Leben. Die Schule interessiert ihn nicht, Tokio und die Menschen die dort Leben hasst er und am liebsten verbringt er seine Zeit zuhause mit Videospielen. Als er eines Tages während des Klassendienstes plötzlich in einer anderen Welt landet und dort auf seine Klassenkameradinnen Iu Shindo und Kusue Hakozaki trifft, beginnt ein Spiel bei dem das Leben der drei Mittelschüler in Gefahr ist. Vom Game Master, einem Wesen mit halbem Gesicht, das behauptet, aus der Zukunft zu kommen, erfährt Yotsuya, dass sie zehn Spielrunden überstehen müssen und in jeder Runde ein weiterer Spieler zu ihnen stößt. Sterben sie, werden sie nach kurzer Zeit wiederbelebt, zumindest solange mindestens eine Person überlebt. Segnen sie alle zusammen das Zeitliche, verlieren sie und sterben auch in der Realität. Statt aber wie Shindo als Windmagerin oder Hakozaki als Schwertkämpferin eine starke Klasse zu erhalten, wird Einzelgänger Yotsuya zum Bauern. Doch nicht nur die Quests jeder Spielrunde zwischen denen sie in ihre eigene Welt zurückkehren, machen ihnen zu schaffen. Jeder hat eigene Probleme und die Beziehungen der zusammengewürfelten Gruppe müssen sich erst noch entwickeln.

Einzelgänger im Gruppenspiel

Autor Naoki Yamakawa und Zeichner Akinari Nao erzählen in der aktuell elfteiligen Manga-Reihe I’m Standing on a Million Lives eine eher ungewöhnliche Fantasy-Action-Drama-Geschichte. Beginnt Band eins noch genre-typisch mit dem Beginn des Spiels um Leben und Tod, dem ersten Moment in der Fantasy-Welt sowie dem Game Master, der Yotsuya eine grobe Erklärung liefert, wandelt sich die Geschichte langsam. Um so besser die Charaktere vorgestellt werden, desto deutlicher wird, dass sie keine Standard-Figuren sind. Stattdessen zeichnen sich Yotsuya, Shindo, Hakozaki und die später zur Gruppe stoßende Oberschülerin Yuka Tokitate als individuelle Persönlichkeiten, die ihre ganze eigenen Probleme und Erfahrungen mit sich herum tragen, aus. So befasst sich I’m Standing on a Million Lives Band 1 etwa nicht nur mit dem zugrundeliegenden Fantasy-Action-Genre, das den Rahmen der Geschichte darstellt, sondern rückt weitaus stärker die Hauptfiguren und damit sozial-gesellschaftliche Themen in den Vordergrund. Darunter etwa Mobbing und Suizid.

Dass außerdem Yotsuya als Protagonist kein klassischer Sympathieträger ist, zeigt zusätzlich, wie ungewöhnlich I’m Standing on a Million Lives sich bereits im ersten Band präsentiert. Der Einzelgänger hält wenig von der Stadt in der er lebt. Am liebsten würde er Tokio und die dort lebenden Menschen sogar loswerden. Von Zusammenarbeit mit anderen ist er ebenfalls wenig begeistert und Ziele für sein Leben hat er genauso wenig. Dennoch entwickelt er sich langsam zu einem Teamplayer, was schlichtweg an seiner persönlichen Sichtweise bezüglich Shindo und Hakozaki liegt. Wirklich sympathisch wird Yotsuya allerdings nie. Jederzeit ist ihm zuzutrauen, dass er seine drei Mitspielerinnen zur Not auch im Stich lässt, wenn er dadurch garantieren kann, die Quest zu erfüllen. Schließlich hilft er ihnen auf diese Weise auch, da bei erfolgreich absolvierter Aufgabe, alle überleben und zurück in die reale Welt dürfen. Eine manchmal sogar nachvollziehbare Einstellung, bei der es trotzdem schwerfällt, mit Yotsuya mitzufühlen. Gleichzeitig sind aber auch Shindo, Hakozaki und Tokitate nicht unbedingt die liebenswertesten Figuren. Sie sind einfach glaubhaft menschlich und zeichnen sich durch sowohl sympathische als auch unsympathische Eigenschaften aus. Dadurch sind die vier Hauptfiguren überaus schwer einzuschätzen, was aber einen besonderen Reiz des Mangas ausmacht.

Angereichert wird I’m Standing on a Million Lives Band 1 von den bereits erwähnten Fantasy-Action-Elementen. Schließlich müssen Yotsuya, Shindo, Hakozaki und Tokitate sich einem schwierigen Spiel um Leben und Tod stellen, ohne wirklich zu wissen, was es damit auf sich hat. Zwar werden erste Andeutungen zum Ursprung des Game Masters und dem endgültigen Ziel in die Handlung eingebaut, mehr als vage Hinweise sind hierbei aber nicht zu finden. Das erhöht nicht nur die Spannung, sondern verleiht dem Auftakt der Reihe auch einen überaus neugierig stimmenden Reiz, der über das gelungene offene Ende des ersten Bandes hinaus anhält und dazu animiert, auch den Nachfolger lesen zu wollen. Die genre-typischen Zeichnungen von Akinari Nao verleihen der Geschichte einen passenden optischen Rahmen und den ordentlichen Action-Szenen die nötige Brachialität inklusive einer gewissen Brutalität. Leichte Kost ist I’m Standing on a Million Lives Band 1 sicherlich nicht. Fans von ungewöhnlichen Fantasy-Action-Dramen die sich besonders auf eigenständige, glaubhafte und menschliche Charaktere einlassen können, sollten definitiv einen Blick wagen.

Fazit

I’m Standing on a Million Lives Band 1 hat es mir nicht leicht gemacht. Auf der einen Seite hat mich die Geschichte durchaus schnell gepackt, dafür war mir andererseits Yotsuya lange zu unsympathisch, um wirklich ein Interesse an seinem Schicksal zu haben. Zum Glück hat sich das im Laufe des ersten Bandes ein wenig gewandelt. Zwar wird Yotsuya keineswegs ein Sympathieträger, aber das muss er auch gar nicht. Genauso wie die anderen Charaktere ist er vielmehr ein glaubhafter Jugendlicher, der von seinen ganz eigenen Ansichten, Erfahrungen und Problemen geprägt ist. Das führt dazu, dass der Fantasy-Action-Rahmen oft in den Hintergrund rückt und stattdessen soziale und gesellschaftliche Themen wie Mobbing oder Suizid in den Fokus rücken. Das verleiht I’m Standing on a Million Lives Band 1 eine unerwartete Eigenständigkeit, aber zugleich auch etwas seltsames, das schwer zu beschreiben ist. Obwohl ich Yotsuya, Shindo, Hakozaki und Tokitate im Laufe des Mangas nicht ins Herz geschlossen habe, möchte ich wissen, was sie noch erleben. Zu verdanken ist das besonders ihrer glaubhaften Darstellung, die es leicht macht, mit ihnen zu fühlen, ohne direkt komplette Sympathie für sie zu entwickeln. Gerade dieser Spagat ist es, der die Charaktere für mich so interessant macht. Gemeinsam mit der kurzweiligen und spannenden Fantasy-Action-Geschichte entsteht so ein packender Reiz, der meine Neugier bezüglich der Reihe geweckt hat. Genre-Fans sollten unbedingt einen Blick wagen.

Kurzfazit: Ungewöhnlicher Fantasy-Action-Drama-Manga, der von den individuellen, glaubhaften, aber nicht zwingend sympathischen Charakteren, sozial-gesellschaftlichen Themen und einer spannenden Geschichte lebt.

Vielen Dank an Manga Cult für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von I’m Standing on a Million Lives – Band 1!

Details
Titel: I’m Standing on a Million Lives – Band 1
Originaltitel: 100-man no Inochi no Ue ni Ore wa Tatteiru
Genre: Fantasy, Drama, Action
Verlag: Manga Cult
Text: Naoki Yamakawa
Zeichnungen: Akinari Nao
Seiten: 192
Preis: 7,99 €
ISBN: 978-3-964334-63-3
Verlagsseite: I’m Standing on a Millione Lives – Band 1 bei Manga Cult
Erscheinungsdatum: 06. Mai 2021

© Naoki Yamakawa / Akinari Nao / Kodansha Ltd. / Manga Cult