Rezension: Famicom Detective Club: The Missing Heir & The Girl Who Stands Behind (Switch)

Ein jugendlicher Detektiv befasst sich in Famicom Detective Club: The Missing Heir und Famicom Detective Club: The Girl Who Stands Behind mit mysteriösen Todesfällen.

Bei Famicom Detective Club: The Missing Heir und Famicom Detective Club: The Girl Who Stands Behind handelt es sich um zwei Visual-Novel-Adventure-Spiele, die 1988 und 1989 für das japanische Famicom, im Westen bekannt als NES, erschienen sind. Trotz einer kurzen Wiederbelebung der Reihe 1998 mit einem Remake von The Girl Who Stands Behind, hat es Famicom Detective Club bisher zu keinem Release außerhalb Japans gebracht. Mit den im Mai 2021 erschienenen Switch-Remakes hat sich das geändert. Unter Aufsicht von Nintendo und Beteiligung von Yoshio Sakamoto, Autor der Originale, hat das Entwicklerstudio Mages die beiden Visual Novel in moderner Optik zurückgebracht. Wichtig ist dabei, dass sich die Remakes sowohl bei der Handlung als auch beim Gameplay stark am Famicom-Original orientiert. Außerdem liegen beide Spiele, die in Europa nur gemeinsam als Bundle im eShop der Switch verkauft werden, ausschließlich in englischer Textsprache mit japanischer Synchronisation vor.

Modernisierte Detektivabenteuer

Da The Missing Heir und The Girl Who Stands Behind zwei voneinander unabhängige Spiele sind, befasst sich dieser Test zu Beginn mit den Gemeinsamkeiten der beiden Famicom-Detective-Club-Teile. Hauptfigur ist in beiden Spielen ein jugendlicher Detektiv, dessen Namen wir selbst festlegen dürfen. Hier zeigt sich ein Fakt, mit dem wir uns arrangieren müssen, da der Protagonist in The Missing Heir siebzehn und im Prequel The Girl Who Stands Behind sogar erst fünfzehn ist. Dass er trotzdem in Mordfällen ermittelt, wird zwar durch seine Tätigkeit für den bei der Polizei angesehenen Detektiv Shunsuke Utsugi begründet, etwas seltsam wirkt dieser Fakt aber trotzdem. Den Geschichte schadet es aber nicht wirklich, wenn wir das akzeptieren können. Entschädigt werden wir mit zwei durchaus spannenden Mystery-Visual-Novels, die außerdem im Remake wirklich schön aussehen. Selten haben wir Visual Novels gesehen, die gerade bei den Charakterdesigns und -animationen so aufwendig ausfallen und mit so mancher für das Genre ordentlich inszenierter Zwischensequenz überzeugt. Dazu gesellen sich die detaillierten Hintergründe, die den unterschiedlichen Orten die wir besuchen genau die richtige Atmosphäre einhauchen. Dazu trägt auch das gelungene Spiel mit den kräftigen Farben bei, so dass düstere Szenen auch entsprechend wirken. Der meist subtile, aber stimmungsvolle Soundtrack unterstützt das zusätzlich und garantiert stets die passende Atmosphäre.

Beim Gameplay fallen The Missing Heir und The Girl Who Stands Behind ebenfalls weitgehend identisch aus. Als Protagonist befragen wir verschiedene Personen, die irgendwie mit dem jeweiligen Fall in Verbindung stehen oder zumindest etwas über die Umstände wissen könnten. Außerdem dürfen wir uns je nach Situation auch an Orten umsehen, Gegenstände nehmen oder diese wiederum jemandem zeigen, nachdenken beziehungsweise versuchen uns an etwas zu erinnern oder zwischen verschiedenen Orten reisen. Die jeweiligen Befehle wählen wir in einem Menü, das links eingeblendet wird aus. Wichtig ist, dass wir immer in unserer Handlung eingeschränkt sind und an einen Schauplatz oder zumindest eine Szenerie gebunden sind. Erst, wenn wir den jeweiligen Handlungsabschnitt abschließen und die Geschichte korrekt voranbringen, eröffnen sich uns neue Möglichkeiten.

Bedauerlich dabei ist, dass manchmal nicht offensichtlich ist, was wir als nächstes tun sollen. Können wir beispielsweise nicht reisen und haben bereits über alles mit den anwesenden Personen gesprochen und uns alles angesehen, hilft nur ausprobieren. Manchmal müssen wir sogar dasselbe Thema mehrmals ansprechen, um endlich eine andere Reaktion zu bekommen oder uns etwas ansehen, das nicht mit einem Begriff hervorgehoben wird. Da das dazu führen kann, dass wir gelegentlich minutenlang bloß rumprobieren, um endlich weiterzukommen, kann das mitunter nervig sein. Angesichts der spannenden Mystery-Detektiv-Geschichten und dem sonst funktionierenden Gameplay, hat uns das aber nie die Motivation weiterzuspielen geraubt. Dafür wollten wir zu sehr die Auflösung der beiden Visual-Novel-Adventure erfahren. Wichtig ist außerdem, dass es keine großen Gameplay-Abweichungen gibt und beide Famicom-Detective-Club-Spiele keine direkten Adventure sind. Die meiste Zeit führen wir lange Gespräche, lesen die sehr guten englischen Texte und tauchen so tiefer in die Geschichte ein. Große Entscheidungen dürfen wir ebenfalls nicht treffen und unser Einfluss auf die Handlung beschränkt sich auf seltene Möglichkeiten, kleinere Abschnitte in unterschiedlicher Reihenfolge zu absolvieren. Damit zeigt sich, dass beide Famicom-Detective-Club-Teile klassische Visual Novels mit leichtem Adventure-Einschlag sind. Lediglich in The Girl Who Stands Behind hat unser Verhalten ein klein wenig Einfluss auf den letzten Dialog nach der Post-Credit-Szene. Wirklich relevant ist das nicht und Wiederspielwert entsteht dadurch ebenfalls nicht. Eine kleine, nette Ergänzung findet sich hier aber trotzdem.

Erbe gesucht & schulische Gruselgeschichte

Obwohl The Girl Who Stands Behind zwei Jahre vor The Missing Heir spielt, ist letzteres ein Jahr vorher erschienen. In welcher Reihenfolge beide Teile gespielt werden sollten, ist aufgrund des eher geringen Zusammenhangs weitgehend unwichtig. Lediglich das Verständnis für wenige Charaktere und deren Beziehungen zueinander werden in The Girl Who Stands Behind bereits erläutert. Nachdem wir beide Spiele in Erscheinungsreihenfolge gespielt haben, finden wir, dass die chronologische Reihenfolge vielleicht das bessere Spielerlebnis darstellt. Wirklich große Relevanz hat das aber, wie bereits erwähnt, nicht.

In The Missing Heir wachen wir zu Beginn ohne Erinnerungen nach dem Sturz von einer Klippe auf. Kurz darauf finden wir nicht nur unseren Namen heraus und dass wir als Assistenz-Detektiv für die Utsugi Detective Agency arbeiten, sondern auch, dass wir an einem Fall gearbeitet haben. Zenzou, der Butler der Ayashiro-Familie, hat uns engagiert, um dem vermeintlich natürlichen Tod der Herrin des Hauses und Familienoberhauptes nachzugehen. Die Geschichte entwickelt sich in knapp zehn bis zwölf Stunden Spielzeit überaus spannend, nimmt ein paar gelungene Wendungen und animiert uns immer wieder dazu, eigene Theorien über die Hintergründe anzustellen. Dass es etwas unlogisch wirkt, einen siebzehnjährigen in vermeintlichen Mordfällen ermitteln zu lassen, muss dabei wie bereits erwähnt, akzeptiert werden. Wer sich aber damit arrangiert erhält eine fesselnde Mystery-Krimi-Geschichte, die trotz der kleineren Hänger stets zu motivieren weiß.

Ähnliches gilt für The Girl Who Stands Behind. Im Prequel dürfen wir, nach der ersten Begegnung des Protagonisten mit Detektiv Utsugi im Fall einer ermordeten fünfzehnjährigen, ermitteln. Hauptschauplatz ist hierbei die Schule des Mädchens. An dieser existiert das Gerücht des Geistes eines Mädchens, der plötzlich hinter einem erscheint. Schon bald wird deutlich, dass der Tod von Yoko eng mit der Legend verbunden zu sein scheint. The Girl Who Stands Behind ist ebenfalls spannend erzählt, beweist ein Händchen für Wendungen und setzt im Gegensatz zu The Missing Heir auf eine etwas düsterere Stimmung, die bedingt ist durch die Gruselthematik. Besonders dieses Element hat uns überaus gut gefallen, so dass uns The Girl Who Stands Behind sogar noch etwas mehr gefesselt hat als The Missing Heir. Kleinere Vorhersehbarkeiten haben uns dabei nicht gestört. Dafür motiviert die Geschichte viel zu sehr zum Weiterspielen und zeigt damit, dass beide Famicom-Detective-Club-Teile unterhaltsame Visual-Novel-Adventure sind. Kleinere Schwächen sollten Genre-Fans ignorieren oder sich damit arrangieren, da The Missing Heir und The Girl Who Stands Behind definitiv zu den besten Visual Novels für Switch gehören.

Fazit

Famicom Detective Club: The Missing Heir und Famicom Detective Club: The Girl Who Stands Behind können in mancher Hinsicht ihr Alter nicht verbergen. Sowohl beim Gameplay als auch den Geschichten fallen einige Elemente auf, die noch Überbleibsel des hohen Alters der Spiele sind. Das verleiht ihnen allerdings eher zusätzlichen Charme, der von den spannenden, wendungsreichen Mystery-Thriller-Stories unterstützt wird. War ich im Vorfeld trotz meiner Vorfreude auf die beiden Visual Novels noch etwas skeptisch, wurden meine Zweifel schnell beseitigt. Gerade optisch kann sich Famicom Detective Club mehr als sehen lassen. Doch auch Gameplay und Geschichten haben mich in ihren Bann gezogen und so leicht konnte ich die Switch nicht mehr beiseite legen. Thematisch hat mir The Girl Who Stands Behind ein wenig besser gefallen, das bedeutet aber nicht, dass The Missing Heir schlechter ist als das Prequel. Vielmehr sind beide Spiele wirklich spannende Visual-Novel-Adventure, denen ich selbst die kleinen Macken verzeihe. Nur das regelmäßige festhängen und anschließende bloße Rumprobieren, um weiterzukommen, ist mir gelegentlich sauer aufgestoßen und hat den Spielspaß etwas getrübt. Meiner Motivation weiterzuspielen hat das aber keineswegs geschadet. Hoffentlich dürfen Mages, wie von Produzent Makoto Asada im Interview mit der japanischen Famitsu gewünscht, einen Nachfolger zu den beiden Spielen umsetzen. Verdient hätte es die Reihe. Visual-Novel-Fans kann ich Famicom Detective Club nur empfehlen. Sowohl The Missing Heir als auch The Girl Who Stands Behind sind lohnende Genre-Vertreter.

Kurzfazit: Zwei spannende Visual-Novel-Adventure die trotz Gameplay-Schwächen mit wendungsreichen Mystery-Thriller-Geschichten und packender Atmosphäre motivieren und unterhalten.

Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Famicom Detective Club: The Missing Heir & The Girl Who Stands Behind!

Details
Titel: Famicom Detective Club: The Missing Heir & The Girl Who Stands Behind
Genre: Visual Novel, Adventure
Publisher: Nintendo
Entwickler: Mages
Spieler: 1
Syteme: Switch
Altersfreigabe: ab 16
Erscheinungsdatum: 14. Mai 2021