Rezension: Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster (Switch)
Als Halbdämon stellen wir uns in Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster nach der Apokalypse einer neuen, gefährlichen Welt.
Seit vier Jahren ruht die Megami-Tensei-Reihe von Atlus. Damals wurde im Zuge der großen Nintendo-Switch-Präsentation ein Teaser-Trailer zu Shin Megami Tensei V, das möglicherweise noch dieses Jahre erscheint, gezeigt. Zuvor hält das bei Fans überaus beliebte Shin Megami Tensei III Nocturne Einzug auf Nintendos Hybrid-Konsole. Als erstes Spiel der Reihe seit der 3DS-Neuauflage Shin Megami Tensei: Strange Journey Redux handelt es sich dabei allerdings ebenfalls lediglich um ein Remaster des 2003 erstmals in Japan für PlayStation 2 veröffentlichten Rollenspiels. Gerade das Alter des Originals lässt aufhorchen. Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster präsentiert sich nicht nur als gelungene Neuauflage des Genre-Klassikers, sondern auch rund achtzehn Jahre nach der Erstveröffentlichung noch immer als Ausnahmetitel.
Dämonische neue Welt
Zu Beginn von Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster sind wir als Protagonist, den wir, genauso wie einige andere wichtige Figuren, selbst benennen dürfen, in Tokio unterwegs. Unser Ziel ist ein seltsames Krankenhaus, in dem sich unsere Lehrerin aufhalten soll. Bereits auf dem Weg dorthin fällt uns auf, dass einige geheimnisvolle Dinge vor sich gehen. Hier deutet sich schon an, dass das Rollenspiel auf eine kryptische Erzählweise setzt, gerne Fragen aufwirft und mit religiösen Themen arbeitet. So erfahren wir zu Beginn zwar Einiges, wirkliche Details bleiben uns allerdings verborgen. Es dauert auch nicht lange, bis die Welt untergeht und wir zum sogenannten Halbscheusal (im englischen Demi-Fiend) werden. Fortan halb Mensch halb Dämon, müssen wir uns in der Vortex-Welt, die aus der alten hervorgegangen ist, zurecht finden. Als erstes Ziel hat uns unsere Lehrerin, die irgendwie mit einem Kult und der Apokalypse in Verbindung steht, kurz vor dem Ende der Welt gebeten, sie zu suchen. Das gestaltet sich aber wenig überraschend, als weitaus komplizierter als gedacht und schon bald finden wir uns zwischen allerlei Dämonen, Seelen und Fraktionen wieder.
Wirklich offen ist Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster trotz Oberwelt dabei nicht. Wir können uns zwar relativ bald in der Oberwelt frei bewegen, Hindernisse versperren uns aber oft den Weg, so dass der Spielablauf weitaus linearer ist, als es vielleicht auf den ersten Blick erscheint. Gestört hat uns das nicht. Dadurch wussten wir fast immer, wo wir als nächstes hin mussten und konnten der abwechslungsreichen, kryptisch erzählten Geschichte gut folgen. Wichtig ist allerdings, dass wir trotz der Linearität gewisse Freiheiten genießen. So können wir etwa an den Nebenspeicherpunkten stets zum letzten Hauptspeicherpunkt zurückkehren. Diese wiederum dienen auch als Schnellreisepunkte, zwischen denen wir jederzeit hin- und herreisen dürfen. Außerdem erreichen wir über die sogenannten Terminals das Amala-Labyrinth, einen Bonus-Dungeon, der in einer erweiterten Version von Shin Megami Tensei III Nocturne einst hinzugefügt wurde und ein zusätzliches Ende beinhaltet. Gelegentliche Entscheidungen in Gesprächen haben ebenfalls Einfluss auf das Ende, das uns erwartet. Hier fällt schnell auf, dass kein Charakter uns zwingend freundlich gesonnen ist, aber auch potenziellen Antagonisten fehlt das klassische Böse. Daran zeigt sich wie gut geschrieben Handlung und Figuren und wie vielschichtig die Akteure sind. Alleine aufgrund der atmosphärischen Geschichte und dem ungewöhnlichen post-apokalytpischen Setting lohnt es sich, Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster zu erleben.
Motivierend, aber veraltet
Etwas zweischneidiger fällt das Rollenspiel beim Gameplay aus. Schon nach kurzer Zeit merken wir, dass hier keine wirklichen Überarbeitungen vorgenommen wurden. An fast allen Orten die wir im Laufe der Handlung besuchen, müssen wir mit recht häufigen Zufallskämpfen rechnen. Selbst in Gebieten, die mit Städten vergleichbar sind, sind wir meist nicht sicher. Ein Kompass-Radar am rechten unteren Bildschirmrand weist uns mittels farblichem Blinken darauf hin, wie wahrscheinlich es ist, dass Feinde auftauchen. Sobald dies der Fall ist, wechselt das Geschehen in einen Kampfbildschirm. Die Auseinandersetzungen laufen klassisch rundenbasiert ab. Nacheinander agieren wir und unsere Gegner. Dabei dürfen wir neben normalen physischen Angriffen, auf bereits erlernte Fähigkeiten zurückgreifen. Es ist essenziell auf Schwächen, Resistenzen und Stärken zu achten, da bei korrekter Ausnutzung nicht nur weitere Züge möglich sind, sondern unsere Runde auch wesentlich schneller enden kann, wenn unsere Aktionen nicht erfolgreich sind. Die Fähigkeiten und Statuswerteboni unseres Charakters hängen von den Magatama ab. Mit diesen werden wir kurz nach dem Ende der Welt infiziert, wodurch wir zum Halbscheusal werden. Im Lauf der Geschichte können wir neben dem Anfangsmagatama zwanzig weitere mit jeweils anderem Einfluss finden oder kaufen. Grob lassen sich die Magatama mit jederzeit wechselbaren Klassen vergleichen. So bringen sie etwa körperliche Skills oder verschiedene Magievarianten sowie unterschiedliche Resistenzen und Schwächen. Einmal erlernte Fähigkeiten dürfen wir auch bei einem Magatamawechsel behalten.
Alleine muss unser Protagonist aber nicht agieren. Als Unterstützung dürfen wir versuchen, die dämonischen Gegner auf unsere Seite zu ziehen. Dafür müssen wir sie mit Geld, Items oder korrekten Antworten auf Fragen allerdings erst überzeugen. Die Anzahl der maximalen Dämonen in unserer Gruppe ist jedoch begrenzt und nur drei dürfen uns in Kämpfe begleiten. Mit der Zeit lernen unsere Begleiter genauso wie wir bei Levelaufstiegen neue Fähigkeiten oder können sich zu stärkeren Versionen entwickeln. Da hierbei irgendwann das Maximum erreicht ist, ist es wichtig, nicht zu sehr an unserer Gruppe zu hängen und die Dämonen regelmäßig gegen stärkere mit mehr Entwicklungspotenzial auszutauschen. Hierbei hilft die Möglichkeit, unsere Dämonenfreunde in der Kathedrale der Schatten miteinander zu fusionieren. Durch die Kombination von zwei Begleitern miteinander erhalten wir so einen neuen, bestenfalls stärkeren. Dabei dürfen sogar bis zu drei der maximal acht gleichzeitig erlernten Fähigkeiten übernommen werden. Eine gute Möglichkeit, um uns noch bessere und auf unsere Anforderungen angepasste Dämonen zu erschaffen. Aber Vorsicht: Bei Levelaufstiegen und Entwicklungen wollen unsere Begleiter manchmal eine Fähigkeit verändern, welche das ist, erfahren wir jedoch erst im Nachhinein. Lernen sie hingegen etwas Neues, dürfen wir bei bereits maximaler Skillanzahl entscheiden, welche Fähigkeit künftig wegfällt.
Anpassungen, Neuerungen und Technik
Wie bei einem HD Remaster üblich, hat Shin Megami Tensei III Nocturne einige Verbesserungen spendiert bekommen. Diese beziehen sich aber nicht nur auf die Optik des Rollenspiels. Wichtig zu erwähnen ist, dass das Remaster auf der Shin Megami Tensei III Nocturne Maniax Chronicle Edition, die unter anderem den Charakter Raidou hinzugefügt hat, basiert. Abseits davon wurde auf inhaltliche Neuerungen verzichtet. Dafür sind einige Dialoge nun wahlweise auf englisch oder japanisch vertont. Beide Synchronisationen sind gelungenen und unterstützen die Atmosphäre genauso gut wie der sehr elektrolastige, ungewöhnliche Soundtrack, der uns immer mitgerissen und schnell ins Geschehen gezogen hat. Den deutschen Texten hingegen ist ein gewisses Alter anzumerken. Besonders manche Begriffe und Formulierungen wirken etwas plump, wirklich störend ist das aber nicht. Weitaus wichtiger ist der neue gemäßigte Schwierigkeitsgrad, den wir als kostenlosen DLC herunterladen dürfen. Shin Megami Tensei III Nocturne ist für die durchaus herausfordernden Kämpfe bekannt. Zwar hängt das auch stark davon ab wie sehr wir uns mit leveln aufhalten und wie gut wir Schwächen und Stärken nutzen, doch wem das Rollenspiel zu hart ist, kann die Geschichte nun deutlich angenehmer erleben. Dabei werden nicht nur Gegner schwächer, wir erhalten nach einem Kampf auch mehr Erfahrungspunkte und Geld. Eine schöne Ergänzung, dank der das gerade bei Story und Setting brillierende Rollenspiel wesentlich zugänglicher ist.
Am auffälligsten ist natürlich trotz allem die optische Aufpolierung. Das Remaster kann nicht verbergen, dass es sich um kein neues, modernes Spiel handelt. Relativ leere Umgebungen, triste Wände, matschige Texturen, etwas kantige Charaktere und mehr weisen eindeutig auf das Alter des Rollenspiels hin. Um so faszinierender ist, wie schön Shin Megami Tensei III Nocturne auf der Switch aussieht. Sicher, das Spiel läuft nicht mit sechzig Bildern pro Sekunde, aber das hat uns nicht gestört. Dafür haben wir ein meist flüssiges Spielerlebnis bei schicker Grafik, die sich trotz ihres Alters nicht zu verstecken braucht und die düstere Stimmung perfekt vermittelt. Zu verdanken ist die gelungenen Aufpolierung sicherlich dem leichten Anime-Stil, den bereits das Original hatte. Doch auch so ist bemerkenswert, wie viel die Entwickler aus dem einstigen PlayStation-2-Spiel herausgeholten haben. Dadurch ist Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster die bisher beste Version des Rollenspiels, das sich besonders alle Story-affinen Genre-Fans, die nach Eigenständigem suchen, nicht entgehen lassen sollten.
Fazit
Obwohl ich die Megami-Tensei-Reihe überaus interessant finde, habe ich bisher kaum Zugang zu den Atlus‘ Rollenspiel gefunden. Lediglich die Spin-off-Reihe Persona habe ich dank des fünften Teils bereits gespielt. Um so gespannter war ich im Vorfeld auf Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster, das einen der besten Titel der Reihe endlich wieder auf einer aktuellen Konsole verfügbar macht – und das in überraschend guter Qualität. Aufgrund der PlayStation-2-Herkunft habe ich mich auf eine weitaus schwächere Technik eingestellt, doch Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster sieht trotz des offensichtlichen Alters wirklich schick aus. Die düstere Atmosphäre wird von der Optik gut eingefangen und vom erstklassigen, ungewöhnlichen Soundtrack hervorragend unterstützt. Lediglich die häufigen Zufallskämpfe haben mich mit der Zeit etwas genervt. Hier wird das hohe Alter recht deutlich, den Spielspaß kann das aber nicht trüben. Dafür sorgen bereits die spannende, kryptisch erzählte Geschichte, die vielschichtigen Charaktere und das ungewöhnliche, stimmungsvoll umgesetzte Setting. Dank des gemäßigten Schwierigkeitsgrades, der optional heruntergeladen werden kann, ist das Rollenspiel auch noch wesentlich zugänglicher. Wer sich also an den potenziell herausfordernden, taktischen Kämpfen stört, kann die Geschichte so ebenfalls erleben – und sollte das auch. Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster ist trotz einiger nicht mehr zeitgemäßer Gameplay-Elemente noch immer ein atmosphärisches Erlebnis, das sich kein Genre-Fan entgehen lassen sollte.
Kurzfazit: Atmosphärisches Rollenspiel, das trotz veralteter Gameplay-Mechaniken mit packender Geschichte und ungewöhnlichem Setting sowie hervorragender Remaster-Anpassungen fesselt.
Vielen Dank an Koch Media/Sega/Atlus für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster!
Details
Titel: Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster
Genre: Rollenspiel
Publisher: Sega
Entwickler: Atlus
Spieler: 1
Syteme: Switch (getestet), PlayStation 4
Altersfreigabe: ab 12
Erscheinungsdatum: 25. Mai 2021