Rezension: Serial Experiments Lain – Gesamtausgabe (Blu-ray)

Serial Experriments Lain gilt bei einigen Anime-Fans als Kultserie. Nipponart veröffentlicht das Science-Fiction-Drama von 1998 erstmals auf Blu-ray.

Obwohl Chisa Yomoda sich kürzlich umgebracht hat, erhalten einige ihrer Mitschüler kryptische Mails von ihr. Zu ihnen gehört auch die 13jährige Lain Iwakura, die mit Computern und der virtuellen Welt eigentlich nichts am Hut hat. Durch die besonderen Umstände und mysteriösen Ereignisse wird ihr Interesse geweckt und schon bald versinkt das junge Mädchen in der als Wired bekannten, vernetzten Welt. Kurz darauf wird sie von unbekannten Männern verfolgt und die Grenze zwischen dem Netz und der realen Welt scheint immer mehr zu verschwimmen. Schnell stößt Lain auf Menschen, die sie kennen – oder viel mehr eine andere Lain, die in der Wired große Popularität genießt? Doch wer ist diese andere Lain?

Vernetzt

Als Serial Experiments Lain erstmals im Sommer 1998 im japanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, war die Science-Fiction-Drama-Serie mit Cyberpunk-Elementen ihrer Zeit voraus. Auf verworrenen Pfaden wird die Geschichte von Lain Iwakura und ihren anfänglichen Berührungspunkten mit der vernetzten Welt erzählt. Zumindest beginnt die Handlung damit. Schnell teilt sich der rote Faden, verliert sich, knüpft ohne erkennbare Hintergründe an anderer Stelle wieder an. Das kann verwirrend sein. Der Zuschauer wird absichtlich mit unvollständigen oder unterbrochenen Handlungssträngen allein gelassen; soll sich selbst Gedanken zum Gesehenen machen. Bereits hierbei zeigt sich der künstlerische und philosophische Ansatz, der Serial Experiments Lain auszeichnet. Einfach ist es nicht, den Geschehnissen der Serie zu folgen und dabei alles zu verstehen. Zeitweise könnte die Geschichte sogar als anstrengend, statt komplex und tiefgründig wahrgenommen werden. Dennoch sorgen die Thematiken zum Nachdenken. Gerade aus heutiger Sicht.

Das Werk von production 2nd, hinter dem Yoshitoshi Abe und Chiaki J. Konaka stecken, beschäftigt sich maßgeblich mit der digitalen Welt und den Auswirkungen, die eine flächendeckende Vernetzung mit sich bringen kann. Wo fängt die virtuelle Welt an und wo hört sie auf? Welche Grenzen gibt es zwischen Realität und der Wired? Gerade für Protagonistin Lain verwischt die Linie zwischen den beiden Welten immer mehr und es wird schwieriger, die Realität zu erkennen. Das wiederum hat Einfluss auf die Wahrnehmung des Zuschauers, da die Geschichte verworrener, kryptischer, seltsamer wird und nicht immer klar ist, was man gerade gesehen hat. Untersetzt ist das zusätzlich mit Fragen nach der Identität eines Lebewesens. Was zeichnet einen Menschen aus? Was macht Leben aus? Oder aber: Wie wird ein Gott definiert? Dabei geht es weniger um den Sinn des Lebens, sondern viel mehr um die Frage nach der Wahrheit und wie wichtig diese für das eigene Glück ist.

Surrealer Psycho-Trip

Im Mittelpunkt der dreizehn Episoden steht fast ausschließlich Lain. Andere Figuren nehmen nur vereinzelt wichtige Funktionen ein, gehören aber dennoch zum Gesamtbild. So etwa das etwas seltsame, unterkühlte Familienleben von Lain, ihren Eltern und ihrer älteren Schwester. Auch wird durch andere junge Charaktere, im Alter von etwa dreizehn oder vierzehn, ein Blick auf das Dasein der Jugend, insbesondere in einer immer stärker vernetzen Welt, geworfen. Hier spielen auch Lains Freundinnen, allen voran Alice, zentrale Rollen. Sie bringen Lain in wichtige Situationen oder sind sogar relevante Auslöser an wichtigen Punkten der Geschichte. Obwohl die wenigsten Charaktere eine richtige Vorstellung und Einführung erfahren, sind ihre Persönlichkeiten und Eigenheiten gut ausgearbeitet. Hier zeigt sich, dass trotz der teils verwirrenden Geschichte, genügend Anknüpfpunkte vorhanden sind, um ein Gesamtbild zu erfassen. Zudem gipfelt Serial Experiments Lain in ein gelungenes Finale, das überraschend rund ausfällt und trotzdem nicht alle Fragen beantwortet und somit ebenfalls erneut zum Nachdenken anregt.

Serial Experiments Lain ist das Alter von fast 20 Jahren bereits auf den ersten Blick anzusehen. Angefangen beim 4:3-Bildformat über das nicht mehr zeitgemäße Design und die veralteten Animationen. Dennoch kann die Serie optisch überzeugen. Die surrealen Bilder haben maßgeblichen Anteil an der Geschichte, fügen sich oft perfekt ein, wirken psychedelisch und verstärken den Eindruck eines Psycho-Trips auf dem man Lain begleitet. Dadurch entsteht eine packende Atmosphäre, die trotz der teils anstrengenden und damit schleppenden Geschichte vor den Fernseher fesseln kann. Leider schadet die Soundseite diesem positiven Eindruck. Einige Soundeffekte wirken unschön und setzen verzögert ein. Das ist bedauerlich. Auch die deutsche Synchronisation kann nur teilweise überzeugen. Zwar gewöhnt man sich schnell an die Sprecher, die den wichtigsten Figuren ordentlich Leben einhauchen, vereinzelt aber nicht passend wirken. Außerdem stimmen Lippenbewegung und Dialoge regelmäßig nicht überein. Immerhin kann man sich damit arrangieren, so dass solche Szenen nicht jedes Mal sofort ins Auge stechen.

Fazit

Obwohl Serial Experiments Lain schon lange auf meiner Liste der Anime-Serien, die ich noch nachholen möchte, stand, habe ich mich anfangs überaus schwer getan mit der komplexen Geschichte. Zu verwirrend ist die mit absichtlich unterbrochenen oder nicht zu Ende geführten Handlungssträngen arbeitende Erzählweise. Zu schnell wirft die Serie Fragen und Themen auf, bei denen ich anfangs unsicher war, in welche Richtung sich Lains Erlebnisse bewegen sollen. Dennoch konnte mich Serial Experiments Lain im Nachhinein überzeugen. Man muss sich auf die Serie einlassen, versuchen der komplexen Handlung zu folgen, die philosopischen Fragen und wichtigen Thematiken erfassen; sich Gedanken machen. Damit ist die Serie nicht einfach, teilweise sogar anstrengend oder ermüdend, trotzdem zeigen die Macher hinter dem Projekt einen spannenden Blick auf eine vernetzte Welt und die weichen Grenzen zur Realität – und das bereits 1998. Bedingungslos empfehlen kann ich Serial Experiments Lain trotzdem nicht. Die Serie verzichtet auf größere Action, Humor und andere Elemente, die in vielen Anime als Auflockerung enthalten sind. Die Konzentration liegt auf der kryptischen, surrealen Seite. Das erinnert an Werke von Satoshi Kon oder David Lynch. Nur wer bereit ist, sich darauf einzulassen, kann Serial Experiments Lain auch etwas abgewinnen. Doch auch all jene, die nur vage interessiert sind, sollten es wagen und der Serie eine Chance geben. Vielleicht werdet ihr positiv überrascht und zum Nachdenken angeregt.

Kurzfazit: Surreal-psychedelischer Cyber-Trip, der durch die verworrene Erzählweise verwirrend und anstrengend sein kann, aber zugleich zum Nachdenken anregt. Für Fans komplexer Geschichte.

Vielen Dank an Nipponart für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Serial Experiments Lain – Gesamtausgabe!

Details
Titel: Serial Experiments Lain
Originaltitel: Serial Experiments Lain
Genre: Drama, Science-Fiction, Mystery, Cyberpunk
Regie: Ryutaro Nakamura
Studio: Triangle Staff
Produktionsjahr: 1998
Laufzeit: ca. 325 Minuten
Sprachen: Deutsch (DTS-HD MA 5.1), Japanisch (PCM 2.0)
Untertitel: Deutsch
Extras: Poster, Sticker
Herkunftsland: Japan
Altersfreigabe: ab 12
Erscheinungstermin: 13. Oktober 2017
Herstellerseite: Serial Experiments Lain – Gesamtausgabe bei Nipponart

Bilder © 1998 Triangle Staff/Pioneer LDC.