Rezension: Age of Wonders 4 + Dragon Dawn + Empire & Ashes (PC)

Verschiedene Godir streben in Age of Wonders 4 und den Erweiterungen Dragon Dawn und Empires & Ashes nach der Herrschaft über das Astralmeer.

Knapp dreieinhalb Jahre nach dem Science-Fiction-Ableger Age of Wonders: Planetfall und über neun Jahre nach Age of Wonders 3, kehrt der niederländische Entwickler Triumph Studios mit Age of Wonders 4 zum Fantasy-Szenario zurück. Das sechste Spiel der Reihe setzt auf das bekannte Rundenstrategie-Gameplay der Vorgänger, verknüpft dieses aber mit einigen interessanten Neuerungen. Dafür orientiert sich Age of Wonders 4 offensichtlich an anderen Strategietiteln. Nicht nur die Gemeinsamkeiten mit Heroes of Might & Magic sind weiterhin offensichtlich, sondern auch Crusader Kings 3, Stellaris und Civilization dienten als Inspiration. Für diesen Test haben wir uns als unterschiedliche Godir in die Reiche des Astralmeers begeben und das Hauptspiel inklusive der beiden bereits erschienenen Erweiterungen Dragon Dawn und Empires & Ashes ausführlich gespielt.

Motivierende Strategie

Im Kern bleibt Age of Wonders 4 der Reihe treu. Entsprechend zeigen sich beim Gameplay vor allem Gemeinsamkeiten mit der Heroes-of-Might-&-Magic-Reihe, aber auch mit den Civilization-Spielen. Als sogenannter Godir, ein Zaubererkönig beziehungsweise zur Gottheit aufgestiegener Herrscher, lenken wir das Schicksal der von uns gewählten Fraktion. Dafür errichten wir Städte, bauen Armeen aus bis zu sechs Einheiten aus, setzen gezielt unsere Helden als Kommandanten ein und erobern Provinzen, um unser Reich zu vergrößern. Außerdem bauen wir in unseren Städten Gebäude, um unsere Einnahmen an Gold, Magie, Forschung und Imperium zu erhöhen. Mit der Zeit erforschen wir neue Zauber, die auch unsere Einheiten verbessern oder verleihen unserem Reich unserer Ausrichtung entsprechend neue Eigenschaften und Vorteile. Treffen wir auf andere Godir, widmen wir uns der Diplomatie oder führen Kriege. Soweit so klassisch. Allerdings müssen wir auch regelmäßig Entscheidungen treffen. Das beginnt bereits bei einer Kriegserklärung. Ist diese nicht durch Konflikte, abweichende Gesinnungen oder etwas anderes zu begründen, schadet es unserem Ansehen. Allerdings ist das abhängig von der Persönlichkeit der verschiedenen Anführer.

Einige Godir bevorzugen es sogar, wenn wir Kriege führen und Abkommen brechen. Zu anderen wiederum können wir die Beziehung stärken, indem wir friedlich agieren, viele Verbündete haben und Kriege vermeiden. Da unsere Entscheidungen auch unsere Ausrichtung in Gut oder Böse lenken, kann es auch vorkommen, dass uns ein anders gesinnter Herrscher den Krieg erklärt, weil beispielsweise ein strahlend guter Godir unsere bösen Machenschaften nicht länger dulden will. Zusätzlich kommt es immer wieder zu zufälligen Story-Events, die uns nicht nur Entscheidungen fällen lassen, sondern auch zusätzliche Ziele abseits der Siegbedingungen geben. Das motiviert ungemein. Gemeinsam mit den verschiedenen Fraktionen und Godir, den sich daraus ergebenden abweichenden Spielstilen und den prozedural erzeugten Karten, bei denen wir zahlreiche Einstellungen vornehmen dürfen, wird hier auch viel Wiederspielwert geboten.

Taktische Schlachten

Allerdings hört unsere strategische Planung nicht auf der Weltkarte auf. Kümmern wir uns dort um unsere Städte und ziehen unsere Armeen über Länder und Meere, dürfen wir uns bei einem Kampf selbst um die Positionierung unserer Einheiten kümmern. Trifft eine unserer Armeen auf einen Gegner, haben wir die Wahl, ob wir manuell kämpfen oder die Schlacht automatisch berechnen lassen wollen. Eine Prognose zeigt uns an, wie schwer die Auseinandersetzung wird. Ein wichtiger Indikator, der uns nicht nur verrät, ob wir uns überhaupt dem Feind stellen sollten, sondern auch ungefähr wie wahrscheinlich ein automatisch generierter Sieg ist.

Entscheiden wir uns für einen manuellen Kampf, wechselt das Geschehen auf das Schlachtfeld. Hier dürfen wir rundenbasiert die Einheiten unserer am Kampf beteiligten Armeen bewegen und in die Konfrontation mit Gegnern schicken. Stehen zu Schlachtbeginn andere Armeen in der Nähe, nehmen auch diese an der Schlacht teil. Eine kluge Positionierung auf der Weltkarte kann uns entsprechende Vorteile bringen. Die Kämpfe selbst erfordern taktisches Vorgehen und einen überlegten Einsatz der verschiedenen Truppenarten. Pikeniere greifen direkt an, während Bogenschützen oder Magier aus der zweiten Reihe den Feind unter Beschuss nehmen. Hierbei gilt jedoch zu beachten, dass Entfernung und Position Einfluss darauf haben, wie wahrscheinlich Fernkampfangriffe treffen. Im schlimmsten Fall gehen diese komplett vorbei und können unsere eigenen Soldaten auf einem benachbarten Feld treffen. Ebenfalls wichtig ist es, Feinde möglichst zu flankieren, da wir so zusätzlichen Schaden austeilen. Praktische Zauber bringen uns Vorteile wie Heilung, bessere Verteidigung oder höhere Moral. Ist letztere aufgrund des Schlachtverlaufs zu weit gesunken, kann es dazu kommen, dass Einheiten fliehen. Ob manuelle oder automatische Kämpfe sinnvoller sind, ist eine persönliche Entscheidung. Wer mit den Schlachten Probleme hat, erhält hier aber eine gute Möglichkeit trotzdem Age of Wonders 4 zu genießen.

Einfache Geschichte

Das ist aber noch nicht alles. Age of Wonders 4 bietet neben den einfachen Partien und Story-Reichen, in denen wir die Geschichte rund um den Kampf der Godir erleben. Die erzählte Handlung mag nicht sonderlich aufwändig inszeniert sein, versteht es aber zu motivieren und veranlasst uns dazu, die verschiedenen vorgegebenen Karten zu spielen. Die Erweiterung Empires & Ashes fügt dem Hauptspiel zudem ein weiteres Story-Reich hinzu. Wie bereits erwähnt, dürfen wir zusätzlich eigene Reiche mit zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten erschaffen. Neben der Größe und den Gegnern legen wir etwa auch die Beschaffenheit der Karte oder das Verhalten der freien Städte fest. Dadurch ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, wie wir Age of Wonders 4 erleben können und theoretisch wird immer ausreichend Abwechslung geboten.

Zumal wir daran interessiert sind, mit mehreren Herrschern den Sieg zu erringen, da diese anschließend in unser Pantheon aufgenommen werden. Auf diese Weise verdienen wir Punkte, die wir in Pantheon-Belohnungen investieren dürfen. Darunter finden sich beispielsweise neue Varianten von Reichen, Objekte zur Herstellung im Gebäude Arkana Schmiede oder aber neue Gegenstände, die wir beim Erstellen unseres eigenen Volkes und Godirs verwenden dürfen.

Individuelle Fraktionen

Das Erschaffen einer eigenen Fraktion ermöglicht es uns, mit einem Volk zu spielen, das unseren persönlichen Ansprüchen entspricht. Dabei dürfen wir zahlreiche Anpassungen vornehmen. So entscheiden wir uns anfangs für ein Volk wie Mensch, Elfenwesen, Orkoide, Katzenhafte oder die in den Erweiterungen neuen Echsenvolk und Vogelwesen. Jedes Volk hat einige grundsätzliche Eigenschaften, die wir ebenfalls verändern dürfen. Dadurch erschaffen wir beispielsweise starke, robuste Sumpfelfen.

Auch die Kultur hat Einfluss auf die Art unserer Fraktion. Ob wir uns nun für eine Hochkultur, Räuber oder ein mystisches Volk entscheiden, beeinflusst ebenfalls die Eigenschaften der Fraktion und zusätzlich die Affinitäten und das Aussehen. Ähnliches gilt für die zwei Gesellschaftseigenschaften, die wir ihnen verleihen. Das gewählte Zauberbuch entscheidet über unsere Ausgangsmagie und die ersten Forschungen, die wir tätigen können. Zudem entscheiden wir uns, ob unser Herrscher ein Champion, ein Zauberer-König oder dank der Erweiterung Dragon Dawn und Drachenfürst ist. Bei letzterem handelt es sich, wie der Name erahnen lässt, um einen Drachen, während wir bei den anderen Varianten in einem Charaktereditor unseren Godir bearbeiten und letztlich Titel, Namen und Volksbezeichnung festlegen. Die Freiheit hier ist enorm und es ist unglaublich spaßig eigene Fraktionen zu erstellen und mit diesen die Reiche des Astralmeeres zu erobern.

Atmosphärische Präsentation

Abseits des Einzelspieler-Modus können wir auch im Online-Mehrspielermodus antreten. Außerdem ist es möglich, Karten mit mehreren menschlichen Spielern zu erschaffen. Entsprechend können wir auch mit Freunden oder Familie um die Reiche kämpfen. Die Erweiterungen Dragon Dawn und Empires & Ashes bringen mit neuen Karten, Fraktionen und Völkern genau die richtigen zusätzlichen Inhalte, um den Umfang sinnvoll zu erweitern und die Spielzeit zu erhöhen. Entsprechend freuen wir uns auf die bereits angekündigten Erweiterungen Primal Fury und Eldritch Realms, die im ersten beziehungsweise zweiten Quartal 2024 erscheinen sollen und wie die ersten DLCs im Expansion Pass enthalten sind.

Optisch versteht es Age of Wonders 4 mit einem schicken Stil sowie tollen Charakter- und Einheitendesigns zu gefallen. Die detailreichen Karten unterstreichen zudem, dass Age of Wonders 4 eines der hübschesten Strategiespiele der letzten Jahre ist. Zudem überzeugen Sound- und Musikuntermalung, die perfekt zur Stimmung passen und die Atmosphäre genauso wie die gelegentliche englische Sprachausgabe gekonnt unterstützen. Abgesehen von ein paar kleineren, verschmerzbaren Fehlern in den deutschen Texten, sind uns lediglich die manchmal etwas zu dunklen Abschnitte, negativ aufgefallen. Dem hohen Spielspaß und der Motivation von Age of Wonders 4 schadet das aber nicht. Damit ist Age of Wonders 4 nicht nur das beste Rundenstrategiespiel, das wir in den letzten Jahren gespielt haben, sondern auch eines der besten Spiele des Jahres 2023.

Fazit

Noch in keinem Teil der Age-of-Wonders-Reihe habe ich mich so verloren wie in Age of Wonders 4. Teil drei und Age of Wonders: Planetfall sind spaßig, aber haben keine so große Langzeitmotivation wie das neueste Werk von Triumph Studios. Age of Wonders 4 versteht es, das taktische Rundenstrategie-Gameplay sinnvoll mit Rollenspielelementen, Story-Events und zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten zu verbinden. Besonders der Fraktionseditor hat mich viel beschäftigt und ich habe zahlreiche neue Völker und Godir erschaffen, mir Geschichten zu ihnen ausgedacht und sie in mein persönliches Pantheon geführt. Die beiden Erweiterungen Dragon Dawn und Empires & Ashes verändern zwar nichts am Kern-Gameplay, erweitern dieses aber sinnvoll und viel mehr habe ich auch nicht erwartet und benötigt es auch nicht. Echsenmenschen und Vogelwesen als neue Völker sind genauso großartig wie der Drachenfürst als dritte Godir-Art. Für mich ist Age of Wonders 4 eines der besten Strategiespiele, die ich seit langem gespielt habe. Genre-Fans sollten unbedingt zugreifen.

Kurzfazit: Überaus motivierendes und umfangreiches Rundenstrategiespiel, das mit spaßigem Gameplay zahlreiche Stunden fesselt und zu den besten Genre-Vertreter der letzten Jahre gehört.

Vielen Dank an Chucklefish & Robotality für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Age of Wonders 4 + Dragon Dawn + Empire & Ashes!

Details
Titel: Age of Wonders 4 / Age of Wonders 4: Dragon Dawn / Age of Wonders 4: Empire & Ashes
Genre: Strategie
Publisher: Paradox Interactive
Entwickler: Triumph Studios
Spieler: 1-8
Syteme: PC (getestet), PlayStation 5, Xbox Series X|S
Altersfreigabe: ab 12
Erscheinungsdatum: 02. Mai 2023
Erscheinungsdatum (Dragon Dawn): 20. Juni 2023
Erscheinungsdatum (Empires & Ashes): 07. November 2023