Rezension: Chained Echoes (PC/Switch)

Eine bunt gemischte Gruppe stellt sich im 16-Bit-Rollenspiel Chained Echoes den Wirren von Krieg, Intrigen und unbekannten Mächten.

Chrono Trigger, Final Fantasy VI, Breath of Fire, Dragon Quest – die Liste an JRPG-Klassikern, an die uns Chained Echoes von der ersten Minute an erinnert, ist lang. Allerdings ist das in 16-Bit-Grafik gehaltene Rollenspiel von Matthias Linda viel mehr als nur eine moderne Hommage an die Genre-Vertreter aus SNES- und zum Teil PlayStation-1-Zeiten. Basierend auf den Grundkonzepten alter japanischer Rollenspiele nutzt Chained Echoes bekannte Elemente und stattet das Gameplay zugleich mit sinnvollen Neuerungen und eigenen Ideen auf. Dadurch fühlt sich das Indie-Spiel überaus frisch an. Zugleich gelingt es Chained Echoes mit seinem spaßigen Gameplay und der wendungsreichen und spannenden Geschichte zu fesseln. Damit ist Matthias Lindas Werk einer der besten Genrevertreter der vergangenen Jahre.

Huldigung des Genres

Angesiedelt ist Chained Echoes auf dem Kontinent Valandis. Seit über hundertfünfzig Jahren führen die dominierenden Nationen Taryn, Garvos und Escanya Krieg gegeneinander. Als Teil der Söldnergruppe Eiserne Bullen, soll Glenn mit einer Luftschiffflotte und den als Himmelsrüstungen bekannten Mecha-Kampfanzügen, die kürzlich von Taryn eroberte Gravos-Stadt Wyrnshire zurückerobern. Allerdings verläuft nicht alles wie geplant und nach einem längeren Kampf, zerstört Glenn im Zuge seiner Mission einen vermeintlich als Machtquelle der Taryn-Armee dienenden Edelstein. Dadurch kommt es zu einer riesigen Explosion, die Kilometer weit fast alles zerstört. Anschließend schlüpfen wir nacheinander in die Rollen verschiedener weiterer Figuren. Die tarynischen Prinzessin Lenne und ihr adeliger Begleiter Robb dienen nach dem durch die Katastrophe eingeleiteten Ende des Krieges unerkannt als Stadtwachen im escanyanischen Farnsport. Victor hingegen ist ein berühmter Autor, der aufgrund der Festlichkeiten in Farnsport ist. Bei Sienna handelt es sich um eine legendäre Diebin und Betrügerin, die den Trubel der Hafenstadt nutzen möchte, um sich zu bereichern.

Natürlich treffen die unterschiedlichen Charaktere nach und nach aufeinander, die Ereignisse überschlagen sich und eine bunt zusammengewürfelte Gruppe aus Söldnern, Inkognito-Adeligen, Ritter und Diebin entsteht. Bis es soweit ist, beweist Chained Echoes jedoch bereits ein Händchen für eine hervorragende Erzählweise inklusive spannender Wendungen, gut geschriebener Charaktere und zahlreicher Geheimnisse und Fragen. Leicht verlieren wir uns in der lebendigen Welt von Chained Echoes, die im weiteren Verlauf der Handlung noch weiter ausgearbeitet wird und uns mit reichlich unerwarteten, spannenden und abwechslungsreichen Situationen immer wieder aufs neue begeistert. Das Rollenspiel erzählt ein Abenteuer voller Krieg, Göttern und Magie sowie einer grandiosen Hauptfiguren-Gruppe. Einfach großartig und nicht die einzige Stärke des 16-Bit-JRPGs.

Taktische Kämpfe

Während unseres Abenteuers erkunden wir unterschiedliche Gebiete, die nicht nur abwechslungsreich und schön gestaltet sind, sondern auch oft mit ihrer Weitläufigkeit zum Erkunden einladen. Schauen wir uns ausführlich um, winken Truhen, Materialien und mehr als Belohnung. Dadurch sind wir nur noch mehr motiviert, wirklich jeden Winkel der Welt zu entdecken. Natürlich treffen wir dabei auf zahlreiche Gegner. Wie in klassischen JRPGs finden die Auseinandersetzungen in rundenbasierten Kämpfen statt. Auf den ersten Blick wirkt das Kampfsystem recht genre-typisch. Nacheinander wählen wir aus, ob wir angreifen, ein Talent verwenden, ein Item einsetzen oder verteidigen. Allerdings füllt jede Aktion und jeder Treffer von Gegnern unsere Overdrive-Anzeige. Solange wir diese im grünen Bereich halten, sind wir stärker und die Talentpunkte-Kosten für Fähigkeiten sind geringer. Rutscht der Zeiger jedoch in den roten Bereich, steigen die TP-Kosten und wir nehmen deutlich mehr Schaden. Entsprechend bemüht sollten wir sein, die Oerdrive-Leiste nicht zu überladen. Dafür müssen wir verteidigen oder die richtigen Talente verwenden. Welche Talentart den Overdrive wieder senkt, wird uns neben der Leiste angezeigt und ändert sich nach ein paar Runden. Hier gilt es, aufmerksam und überlegt zu handeln.

Doch auch unsere Talentpunkte sollten wir mit Bedacht einsetzen, da sie schnell aufgebraucht sind. Zusätzlich gilt es auf die Stärken und Schwächen von Gegnern zu achten, um viel Schaden anzurichten. Jedem Charakter unserer vierköpfigen Kampfgruppe dürfen wir einen Partner zur Seite stellen. Die beiden Figuren bilden dadurch ein Tag Team und können jederzeit, wenn der aktive Charakter an der Reihe ist, auf Knopfdruck und ohne Verlust des Zuges gewechselt werden. Auf diese Weise können wir schnell auf jegliche Situation reagieren und beispielweise von negativen Statuseffekten belastete Charaktere erst einmal aus dem Kampf nehmen. Das geht allerdings nur, solange die Lebenspunkte eines Gruppenmitglieds noch nicht aufgebraucht sind. Also sollten wir auch hier auf rechtzeitigen Wechsel achten. Da nach jedem Kampf Lebens- und Talentpunkt aufgefrischt werden, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen, angeschlagen in eine Auseinandersetzung zu gehen. Aber keine Sorge, die Kämpfe sind trotzdem angenehm anspruchsvoll und verlangen von uns, taktisch und überlegt vorzugehen.

Erweiterte Charaktere

Dazu zählt auch angemessene Vorbereitung. Genre-typisch finden wir regelmäßig neue Waffen, Rüstungen und Accessoires, mit denen wir unsere Charaktere ausrüsten und so ihre Statuswerte beeinflussen können. Ein besserer Speer für Lenne erhöht wenig überraschend den Angriff, während ein neuer Umhang für Victor die Abwehr verbessert. Allerdings sind das nicht alle Anpassungsmöglichkeiten. Auf Erfahrungspunkte und Levelaufstiege verzichtet Chained Echoes. Stattdessen erhalten wir nach jedem der oftmals grandiosen Bosskämpfe einen Grimoiresplitter. Dieser gilt für jeden Charakter als Talentpunkt und kann in neue aktive und passive Fähigkeiten investiert werden. Dadurch lernen wir nicht nur neue Talente für den Kampf, sondern erhöhen beispielsweise auch unsere Attribute, Lebens- oder Talentpunkte. Welche Möglichkeiten wir haben, hängt vom jeweiligen Charakter ab.

Das sind aber nicht alle Anpassungsmöglichkeiten. Beten wir an einer der eher seltenen Heldenstatuen, erhalten wir ein Klassenwappen. Dieses kann einer unserer Charaktere als Ausrüstungsgegenstand tragen. Dadurch werden vom jeweiligen Wappen abhängig nicht nur unsere Attribute verbessert, sondern der Charakter erhält auch noch jeweils zwei aktive und passive Fähigkeiten. Diese bleiben solange erhalten wie das Klassenwappen getragen wird. Es sei denn, unser Gruppenmitglied meistert die Talente. Dann können diese auch unabhängig vom Wappen ausgerüstet werden. Ein wirklich gelungenes System, dass es uns ermöglicht, unsere Charaktere weiter zu individualisieren und ihre Ausrichtung zu beeinflussen.

Verbesserte Ausrüstung

Relativ früh im Spiel dürfen wir auch erstmals einen Schmied aufsuchen, um unsere Ausrüstung zu verbessern. Vorausgesetzt wir haben das notwendige Geld und die benötigten Materialienwerten wir auf diese Weise Waffen und Rüstungen bis zu zweimal auf, wodurch sich die Werte des Gegenstandes erhöhen. Sinnvoll und unbedingt erforderlich, wenn wir eine Chance im Kampf haben wollen. Allerdings hat das Verbessern von Ausrüstung einen Effekt. Abhängig vom Gegenstand und der Verbesserungsstufe erhalten Waffen und Rüstungen Kristallslots. In diese dürfen wir Kristalle einfügen, um weitere passive Effekte wie beispielsweise erhöhte Lebenspunkte zu erhalten. Kristalle finden wir an den unterschiedlichsten Orten in Valandis. Allerdings können sie erst ab Stufe drei Ausrüstung hinzugefügt werden. Wir müssen also erst Kristalle miteinander kombinieren, um sie aufzuwerten. Dadurch verbessern sie sich und die passiven Effekte natürlich auch. Wie bei unserer Ausrüstung, sollten wir regelmäßig und überlegt unsere Kristalle aufwerten und in Waffen und Rüstungen einsetzen, um unsere Gruppe zu stärken. Ein wirklich tolles System, das genug Tiefe zeigt, ohne kompliziert zu sein.

Ebenfalls wichtig in Chained Echoes sind die sogenannten Himmelsrüstungen. Bereits im Prolog des JRPGs dürfen wir für kurze Zeit in einen der Mecha ähnlichen Anzüge schlüpfen und gegen Feinde kämpfen. Da überrascht es nicht, dass wir später erneut auf Himmelsrüstungen zurückgreifen dürfen, zumal ein Punkt im Menü bereits früh darauf hindeutet. Die mächtigen Kampfmaschinen sind eine tolle Bereicherung. Ähnliches gilt für das praktische Nebenmissionen-System. Statt unsinnig zu Auftraggebern rennen zu müssen, dürfen wir über eine Belohungstafel einfach Herausforderungen erfüllen und erhalten so Geld und Materialien. Hier zeigt sich erneut, dass Chained Echoes auf allerlei JRPG-Standards verzichtet und sich stattdessen auf die größten Stärken des Genres wie eine spannende Geschichte, spaßige Kämpfe und tiefgründige Charakterverbesserungen ohne unnötige Komplexität konzentriert. Gerade deshalb richtet sich das Rollenspiel auch an all jene, die aufgrund des oftmals riesigen JRPG-Balasts Abstand vom Genre nehmen.

Audiovisuelle Brillanz

Dank der wunderschönen 16-Bit-Pixelgrafik werden natürlich auch Retro- und Pixelart-Fans angesprochen. Chained Echoes weiß optisch restlos zu überzeugen und begeistert immer wieder aufs Neue mit malerischen Landschaften, putzigen und witzigen Gegnerdesigns und individuellen Charakteren. Außerdem trumpft das JRPG mit ansehnlichen Effekten, einem stimmungsvollen, fantastischen Soundtrack und meist sehr gut geschriebenen deutschen Texten auf. Kleinere Tippfehler oder fehlende Übersetzungen fallen zwar auf, beeinflussen den Spielspaß aber genauso wenig wie die fehlende Sprachausgabe. Die Atmosphäre von Chained Echoes ist zu dicht, die Geschichte zu spannend und das Gameplay zu spaßig, um von solchen Kleinigkeiten beeinflusst zu werden. Ein wahres JRPG-Meisterwerk und eine Genre-Perle, die sich kein Fan entgehen lassen sollte.

Fazit

Schon ein Screenshot von Chained Echoes hat gereicht, um mein Interesse an dem von Solo-Entwickler Matthias Linda umgesetzten JRPG zu wecken. Fast genauso schnell hat mich das Rollenspiel endgültig in seinen Bann gezogen. Neben der wunderschönen 16-Bit-Pixel-Grafik ist es besonders die spannende Geschichte, die mich gefesselt hat. Stunde um Stunde bin ich in der Fantasy-Welt versunken und habe mit Glenn, Lenne, Kylian, Sienna und den anderen zahlreiche taktische, anspruchsvolle Rundenkämpfe bestritten. Zu keiner Zeit wird Chained Echoes langweilig, zieht sich oder belastet mit unnötig komplexen Spielmechaniken den Spielspaß. Hier zeigt sich, dass Matthias Linda genau die richtigen Quality-of-Life-Funktionen eingebaut und auf so manchen Genre-Standard gekonnt verzichtet hat. Egal ob Charakterverbesserungen, Rüstungsaufwertungen oder Handel, alles wirkt angenehm zugänglich. Das sorgt dafür, dass sich Chained Echoes zu jederzeit erfrischend anfühlt und auch all jene, die JRPGs bisher gemieden haben, gefallen dürfte. Doch besonders Genre-Fans sollten sich das packende Rollenspiel nicht entgehen lassen. Chained Echoes ist eines der besten JRPGs der letzten Jahre.

Kurzfazit: Abwechslungsreiches Japan-Rollenspiel-Highlight, das mit einer spannenden Geschichte, vielschichtigen Figuren und spaßigem Gameplay fesselt.

Vielen Dank an Deck13 Spotlight & Matthias Linda für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Chained Echoes!