Rezension: The Chant (PS5)

Beim Besuch einer spirituellen Gemeinschaft wird Jess in The Chant mit schattenhaften Wesen und mörderischen Kultisten konfrontiert.

Spirituelle Leeren, ein Guru, eine abgelegene Insel und gefährliche Rituale – The Chant zeigt schon früh, welche Richtung das Survival-Horror-Action-Adventure einschlägt. Dabei orientiert sich das Team beim Studio Brass Token an einigen üblichen Genre-Gepflogenheiten und verknüpft diese mit reichlich Sektenatmosphäre, lovecraftschen Gefahren und einer kurzweiligen, seichten, aber unterhaltsamen Geschichte. Hauptfigur in The Chant ist Jess. Seit sie in ihrer Kindheit ihre kleine Schwester Angie verloren hat, wird die junge Frau von Schuldgefühlen, Ängsten und Selbstzweifeln heimgesucht. Um diese in den Griff zu bekommen, folgt sie einer Einladung ihrer Freundin Kim nach Glory Island. Dort soll sie am Prismic Spiritual Retreat von Guru Tyler teilnehmen und durch die Prismawissenschaften ihre negativen Gefühle und Energien loswerden. Hier setzt The Chant auf reichlich Klischees bezüglich Kommunen und spiritueller Selbsthilfeprogramme, verbindet diese aber gekonnt mit einer übernatürlichen Heimsuchung und ungeahnten Gefahren.

Spirituelle Selbstfindung

Im Mittelpunkt von The Chant steht immer wieder die Prismawissenschaft. So bekommen wir als Jess kurz nach unserer Ankunft auf Glory Island eine Prismakette. Diese ist eng mit dem Gameplay des Horror-Action-Adventures verbunden und auch für die Handlung wichtig. Bevor es richtig losgeht, lernen wir die anderen Teilnehmer des Retreats kennen und bekommen ein grobes Gefühl für ihre Gründe, auf der Insel zu sein. Erst mit der Zeit erfahren wir mehr über sie und ihre Vergangenheit. Hier mag The Chant keine wirklich neuen Ideen aufwerfen, doch jede Figur funktioniert und bringt einen eigenen Aspekt in die Geschichte ein. Gerade die daraus entstehende Abwechslung trägt viel zur Kurzweiligkeit der Handlung bei. Daran ändert auch die manchmal etwas simple Art von Geschichte und Charaktere nichts. Vielmehr wird das B-Movie-Horror-Gefühl sogar noch etwas verstärkt und verleiht The Chant zusätzlichen Charme.

Genre-Fans wird es nicht überraschen, dass kurz nach unserer Ankunft etwas schief geht. Ein nächtliches Ritual wird jäh unterbrochen, Nebel, in dem gefährliche Kreaturen hausen, sucht die Insel heim und mörderische Kultisten treten auf den Plan. Dabei ist es unser Ziel, nur irgendwie zu überleben und alles wieder in Ordnung zu bringen. Um das zu erreichen, muss Jess die Insel in linearer Reihenfolge erkunden und den Storypfaden folgen. Wirkliche Freiheiten haben wir hier nicht – und das obwohl wir uns auf der eher aus engen Wegen und kleinen Gebieten bestehenden Insel relativ frei bewegen können. Sogar ein Schnellreisesystem ist vorhanden. Genutzt haben wir das jedoch kaum, da es nur wenige Gründe gibt, vorherige Orte erneut aufzusuchen.

Prismatische Spiritualität

Stattdessen folgen wir der durchaus spannend erzählten Geschichte und stellen uns den Kreaturen im Nebel. Hier kommen auch die Prismen zum Einsatz. Mit der Zeit erhalten wir mehrere davon. Jedes hat eine eigene Farbe und steht in Verbindung mit dem gleichfarbigen Nebel. So können wir grünen Nebel nur durchqueren, wenn wir das grüne Prisma haben. Ansonsten hält uns eine Barriere auf. Eine gute Möglichkeit, um uns auf bestimmten Pfaden durch die Geschichte zu führen. Zusätzlich birgt jedes Prisma eine eigene übernatürliche Fähigkeit, die wir im Kampf gut gebrauchen können. Schließlich hat Jess keine Pistole oder Vergleichbares. Stattdessen setzen wir uns mit Salbeifackel, Feuerpeitsche und Hexenstab ausschließlich im Nahkampf zur Wehr. Zusätzlich dürfen wir mit Salz, Feueröl oder ätherischem Öl werfen sowie diese als Fall vor uns streuen. Mit gefundenen Materialien stellen wir unsere Waffen jederzeit selbst her.

Obwohl das Kampfsystem nicht unbedingt zu den größten Stärken von The Chant gehört, gehen die Auseinandersetzungen mit Nebelkreaturen, Kultisten und anderen Bedrohungen nach einer Eingewöhnungszeit recht locker von der Hand. Wir setzen auf starke und leichte Angriffe, die je nachdem wie stark wir den rechten Trigger des DualSense-Controllers ausgeführt haben, ausfallen. Dabei konzentriert sich Jess selbstständig auf den nächsten Gegner, eine richtige Anvisier-Funktion fehlt allerdings. Zusätzlich dürfen wir Feinde von uns stoßen oder ausweichen. Gerade letzteres ist etwas behäbig. Daran zeigt sich, dass sie keine Kämpferin, sondern eine normale junge Frau ist. Allgemein inszeniert The Chant recht gut Jess’ Umgang mit der ungewöhnlichen Situation und achtet auch auf solche kleinen Details.

Spirituelle Energien

Neben unserer Lebensenergie, die in der Körperanzeige dargestellt wird, müssen wir auch auf unsere Geist- und Psycheanzeige achten. Besonders letztere ist wichtig, da Jess eine Panikattacke hat, sollte unsere Psyche komplett aufgebraucht sein. Entsprechend wichtig ist es, unseren Verstand mit Lavendel und Meditationen aufrechtzuerhalten. Meditieren wir, kostet das allerdings Geistenergie, die wir ebenfalls zum Einsatz der Prismafähigkeiten benötigen. Mit Prisma-Kristallen, die wir entweder finden oder durch das Steigern unserer Körper-, Geist- oder Psycheenergie mittels verschiedener Aktionen erhalten, dürfen wir in einem kleinen Fähigkeitenbaum Jess ein wenig anpassen. Hier können wir beispielsweise die Energieanzeigen vergrößern, unseren erlittenen Schaden reduzieren oder die maximale Anzahl an Lavendel, Geistpilzen und Ingwer, die wir jeweils zur Heilung benötigen, erhöhen.

Ob Psyche, Geist oder Kraft zunehmen, hängt von unserem Verhalten ab. So haben Antworten in Gesprächen genauso Einfluss darauf wie Gegner die wir bekämpfen oder das Lesen von Dokumenten. Entsprechend wichtig ist es, dass wir uns den Gegebenheiten anpassen, wenn wir bestimmte Bereiche des Fähigkeitenbaumes freischalten wollen. Das ist jedoch nicht alles, da die jeweiligen Werte bei Psyche, Geist und Kraft Auswirkungen auf das Ende haben. Wie Jess’ Geschichte endet, ist also von unserer Spielweise abhängig. Insgesamt können wir in The Chant drei unterschiedliche Enden erreichen.

Dass es sich bei The Chant um keine Triple-A-Produktion handelt, fällt schon zu Beginn des Action-Adventures auf. Doch trotz kleinerer grafischer Schwächen, etwa bei den Animationen der Gesichter, weiß das Horror-Spiel optisch zu gefallen. Stimmungsvolle und düstere Umgebungen sorgen dafür, dass wir mit Leichtigkeit in die gruselige Atmosphäre eintauchen können. Dabei mag The Chant nicht so schaurig sein wie manch anderer Genre-Vertreter, dafür kann das Spiel mit der gelungenen Grundstimmung angenehme Horror-Gefühle wecken. Zu verdanken ist das auch der gelungenen Sound- und Musikuntermalung sowie der ordentlichen, wenn auch nicht perfekten deutschen Synchronisation. Dadurch wird The Chant schön abgerundet und letztlich präsentiert sich das Horror-Action-Adventure als unterhaltsamer, kurzweiliger Genre-Vertreter, der mit einer Spielzeit von sechs bis sieben Stunden perfekt für ein, zwei Abende Gruselspaß geeignet ist.

Fazit

The Chant ist sicherlich nicht perfekt und erlaubt sich einige kleine Schwächen. Angefangen von grafischen Macken über ein etwas gewöhnungsbedürftiges, aber funktionales Kampfsystem bis hin zur klischeebehafteten Geschichte ließe sich viel aufzählen. Doch all das trägt auch zum Charme des Horror-Action-Adventures bei. Recht schnell hat mich The Chant gefesselt und habe einfach immer weitergespielt und hatte dabei wirklich viel Spaß. Es ist einfach unterhaltsam, mit Jess Glory Island zu erkunden, der Geschichte zu folgen und mehr über die geheimnisvollen Ereignisse zu erfahren. Dabei trägt auch das auf spirituelle Sekten und Gruppierungen setzende Szenario viel zur Stimmung und Geschichte bei. Damit ist The Chant ein vielleicht nicht überragender, aber spaßiger Genre-Geheimtipp, den Horror-Fans unbedingt genauer anschauen sollten.

Kurzfazit: Charmantes und kurzweiliges Horror-Action-Adventure, das trotz Schwächen leichtgängigen Grusel-Spielspaß bietet.

Vielen Dank an Plaion und Prime Matter und NIS America für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von The Chant!

Details
Titel: The Chant
Genre: Horror, Action-Adventure
Publisher: Prime Matter
Entwickler: Brass Token
Spieler: 1
Syteme: PlayStation 5 (getestet), Xbox Series X|S, PC
Altersfreigabe: ab 16
Erscheinungsdatum: 03. November 2022

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