Rezension: Chrono Cross: The Radical Dreamers Edition (Xbox One)

Serge wird in Chrono Cross: The Radical Dreamers Edition in ein Dimensionen übergreifendes Abenteuer gezogen.

Als Nachfolger von Chrono Trigger, erschien Chrono Cross 1999 beziehungsweise 2000 in Japan und Nordamerika, während europäische Rollenspielfans leer ausgingen. Dank der Neuauflage des Genre-Klassikers, kann Chrono Cross erstmals als Chrono Cross: The Radical Dreamers Edition auf deutsch erlebt werden. Square Enix hat dem japanischen Rollenspiel ein technisch leider wenig überzeugendes Remaster spendiert und es um das namensgebende Textadventure Radical Dreamers beziehungsweise Radikale Träumer erweitert.

Dimensionsreisen

Protagonist von Chrono Cross ist Serge, dessen Namen wir wie bei allen anderen spielbaren Charakteren auch ändern dürfen. Aufgewachsen in einem kleinen, abgelegenen Fischerdorf blickt er auf eine ereignislose Zukunft mit seiner Freundin Leena voraus. Als er sich jedoch mit ihr am Strand trifft, wird Serge plötzlich in eine andere Dimension gezogen. In dieser ist er bereits vor zehn Jahren gestorben und niemand erinnert sich mehr an ihn. Als wäre das nicht genug, wollen ihn einige Soldaten auch noch festnehmen, da er ein Geist sein soll. Hilfe erhält er von der Diebin Kid. Ob sich diese Serge sofort anschließt oder nicht, ist uns überlassen. Allgemein dürfen wir regelmäßig Entscheidungen oder unterschiedliche Wege wählen und somit entscheiden wie sich die Geschichte entwickelt und wer sich unserer Gruppe anschließt. Insgesamt treffen wir auf dutzende Figuren, die uns je nach Verlauf der Handlung begleiten können. Es ist allerdings unmöglich, alle Charaktere in einem Spieldurchgang in die Gruppe zu bekommen. Erst im New-Game-Plus können wir das mit Tricks schaffen.

Alleine das motiviert uns dazu, Chrono Cross, nachdem wir das Ende der etwa fünfunddreißig bis fünfzig stündigen Geschichte erreicht haben, direkt von vorne zu beginnen. Schließlich verfügt jeder spielbare Charakter über eine ausgearbeitete Hintergrundgeschichte, eigene Persönlichkeit und weitere Besonderheiten, die dafür sorgen, dass sie komplett individuell sind. Doch nicht nur deshalb, sondern auch aufgrund der spannenden, wendungsreichen Erzählung, gehört die Geschichte von Chrono Cross zu den besten Stories die jemals in einem japanischen Rollenspiel erzählt wurde. Zusätzlich finden sich Verweise auf Chrono Trigger, die unterstreichen, dass es sich bei Chrono Cross tatsächlich um einen Nachfolger handelt. Kenntnisse zum 1995 für SNES und später auf zahlreiche andere Systeme portierten Rollenspiel sind aber nicht erforderlich.

Taktisches Kämpfen

Wie in so gut wie jedem japanischen Rollenspiel sind Kämpfe ein wichtiger Teil des Gameplays. In den zahlreichen Dungeons, bei denen es sich um Riffs, Höhlen, Wälder, Schluchten, Villen, Ruinen und alles mögliche andere handeln kann, treffen wir auf zahlreiche Feinde. Diese sind direkt in der Spielwelt zu sehen, so dass wir ihnen theoretisch ausweichen können. Oftmals verhindern die recht engen Levelstrukturen das jedoch. Hier unterstützt das Remaster kampfunwillige Spieler, die vielleicht nur schnell zum nächsten Ziel wollen. Per Tasteneingabe, können wir die Auseinandersetzungen jederzeit deaktivieren, wodurch bei Berührung mit Gegnern gar nichts passiert. Ansonsten führt eine direkte Begegnung zum Wechsel in eine genre-typische Kampfansicht. Hier dürfen wir, sobald unsere Charaktere an der Reihe sind, verschiedene Aktionen ausführen.

Chrono Cross setzt jedoch auf ein eher ungewöhnliches Kampfsystem. Greifen wir die Gegner an, reihen wir leicht, mittlere und starke Angriffe aneinander. Ob diese treffen, hängt vom angegebenen Prozentwert, der mit jedem ausgeführten Angriff steigt, ab. Planen wir gut, können wir in einem Zug, der solange dauert wie unsere Ausdauer ausreicht, mehrere Attacken aneinanderreihen. Bestenfalls nutzen wir zum Abschluss ein Element, wie die Spezialaktionen in Chrono Cross heißen. Welches Element wir einsetzen können, legen wir zuvor fest, da wir diese aktiv ausrüsten müssen. Zu beachten ist dabei, dass jede Aktion – egal ob Feuerball, Steinwurf oder Arznei – einer Farbe und somit einem Element zugeordnet ist. Selbiges gilt für unsere Gruppe und die Gegner. Setzen wir beispielsweise einen Feuerball ein, dann verändert sich eines der Feldeffekt-Felder, die wir oben links sehen und nimmt die rote Farbe ein. Sind alle drei Feldeffekt-Felder in einer Farbe, erhalten Charaktere und Aktionen mit dieser Farbe einen Bonus. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, bestenfalls Elementangriffe zu nutzen, die dem Gegenteil der gegnerischen Farbe entsprechen, um höheren Schaden zu erzielen.

So gewöhnungsbedürftig die Kämpfe auf den ersten Blick wirken, so schnell haben wir sie verinnerlicht. Eine Auto-Kampf-Funktion sowie die Möglichkeit die Spielgeschwindigkeit jederzeit zu verdoppeln, helfen uns zusätzlich, um nervige Standardauseinandersetzungen schnell abzuschließen. Außer Materialien und Geld bringen uns Kämpfe jedoch nur bedingt etwas, da Chrono Cross auf klassische Erfahrungspunkte verzichtet. Stattdessen erhalten wir nach dem Sieg über einen Bossgegner einen Bonus auf unsere Attributwerte und auch im Anschluss können diese nach normalen Kämpfen kurzzeitig noch steigen. Ein interessanter Ansatz, der lästiges Levelgrinden verhindert und gerade Genre-Neulingen zu Gute kommt. Allerdings dürfte nicht jeder Rollenspiel-Fan hierbei zufrieden sein, da das Erfolgserlebnis von Levelaufstiegen leider verloren geht. Der grundsätzliche Motivation schadet das aber nicht, da Chrono Cross mit der fantastischen Geschichte und den individuell geschriebenen Charakteren ausreichend zu überzeugen weiß.

Meisterlich und durchwachsen

Zumindest teilweise gilt das auch für die audiovisuelle Präsentation. Obwohl Chrono Cross nicht verbergen kann, dass es sich um ein bereits über zwanzig Jahre altes Rollenspiel handelt, versprüht es auch heute noch reichlich Charme. Die Entwickler bei Square Enix haben den Stil gerade ausreichend bearbeitet, um das Retro-Gefühl beizubehalten und dennoch dafür zu sorgen, dass die PlayStation-Grafik auch auf modernen Fernsehern gut aussieht. Die Entscheidung, das Bild nicht aufs Breitbildformat zu strecken, ist ebenfalls lobenswert. Bedauerlicherweise ist die technische Umsetzung des Remasters weit weniger gelungen. Chrono Cross: The Radical Dreamers Edition leistet sich einige enorme Framerateeinbrüche und ruckelt besonders in Kämpfen stark. Das geht soweit, dass unsere Eingaben verzögert sind und Angriffe falsch oder spät ausgewählt werden. Zwar lässt sich das Rollenspiel trotzdem durchaus spielen, aber mehr feinschliff ist hier unbedingt notwendig. In diesem Zustand hätte Chrono Cross nicht erscheinen dürfen. Es ist übrigens egal, ob wir das Rollenspiel auf der Xbox One oder Xbox Series X spielen, die technischen Probleme bleiben identisch.

Immerhin kann Chrono Cross dafür mit einem fantastischen und stimmungsvollen Soundtrack begeistern. Auch hier gehört das Rollenspiel zu den besten die jemals erschienen sind. Abgerundet wird die Chrono Cross: The Radical Dreamers Edition von dem bereits erwähnten titelgebenden Textadventure Radical Dreamers. Dieses wurde in den 1990er-Jahre über das Sattelaview-System des SNES veröffentlicht. Wie schon die Genre-Bezeichnung erahnen lässt, müssen wir in Radical Dreamers alles lesen und auch Kämpfe laufen textbasiert ab. Doch das lohnt sich, da die erzählte Geschichte genauso spannend und hochwertig ist wie Chrono Cross selbst. Zudem erfahren wir eine alternative Version eines Handlungsabschnitts aus Serges Geschichte – und das inklusive Entscheidungen und unterschiedlichen Enden. Dadurch lohnt es sich das vier bis fünf Stunden dauernde Textadventure mehrmals abzuschließen. Genauso wie Chrono Cross, ist Radical Dreamers schön ins Deutsche übersetzt worden, was das Remaster des Klassikerpakets wunderbar abrundet.

Fazit

Bevor Square Enix das Remaster Chrono Cross: The Radical Dreamers Edition angekündigt hat, habe ich mich kaum mit dem japanischen Rollenspiel beschäftigt. Schließlich war der PlayStation-Klassiker nicht in Europa erhältlich. Umso gespannter war ich auf die Neuauflage. Spätestens diese unterstreicht, dass es unverständlich ist, weshalb Square Enix europäischen Genre-Fans diese Rollenspiel-Perle so lange vorenthalten konnte. Chrono Cross ist eines der besten JRPGs, die ich kenne und das vor allem aufgrund der Geschichte und Charaktere. Das Kampfsystem ist innovativ und taktisch und die ergänzten Remaster-Optionen erleichtern mir das Spiel mit ein paar Quality-of-Life-Funktionen. Schade ist allerdings, dass Chrono Cross keine angemessene technische Umsetzung erhalten hat. Dass das über zwanzig Jahre alte Rollenspiel auf Xbox Series X und Xbox One ruckelt, ist für mich unverständlich. Zwar ändert das nichts an der grundsätzlichen Qualität von Chrono Cross, eine angenehmere Spielbarkeit wäre aber definitiv wünschenswert und auch ein Muss. Square Enix muss hier einfach mit einem Patch nachhelfen. Dennoch sollten sich JRPG-Fans, die sich mit den technischen Problemen arrangieren können, Chrono Cross nicht entgehen lassen und auch Radical Dreamers unbedingt eine Chance geben. Ansonsten verpasst ihr nicht nur einen Genre-Klassiker und -Meilenstein, sondern vielleicht eines der besten japanischen Rollenspiele, die dieses Jahr erscheinen.

Kurzfazit: Erzählerisches JRPG-Meisterwerk das mit individuellen, gut geschriebenen Charakteren, taktischen Kämpfen und Textadventure-Zusatz brilliert, aber unter unverständlichen Technischen Schwächen leidet.

Vielen Dank an Square Enix für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Chrono Cross: The Radical Dreamers Edition!

Details
Titel: Chrono Cross: The Radical Dreamers Edition
Genre: Rollenspiel
Publisher: Square Enix
Entwickler: Square Enix
Spieler: 1
Syteme: Xbox One (getestet), PlayStation 4, Switch, PC
Altersfreigabe: ab 12
Erscheinungsdatum: 07. April 2022