Rezension: Crystar (Switch)

Um ihre kleine Schwester zu retten, schließt Rei in Crystar einen Pakt mit Dämonen und jagt im Fegefeuer gefährliche Seelen.

Bereits 2018 beziehungsweise 2019 erschien Crystar erstmals für PlayStation 4 und den PC, bevor Entwicklerstudio Gemdrops das japanische Action-Rollenspiel auf die Nintendo Switch portiert hat. Dabei handelt es sich bei dem von NIS America und FuRyu veröffentlichten Rollenspiel um einen klassischen Dungeon Crawler. Als Rei und ihren sich im Laufe der linearen Geschichte anschließenden Mitstreiterinnen, durchstreifen wir überschaubare und enge Umgebungen, schnetzeln uns durch Gegner und erreichen die klar vorgegebenen Zielpunkte. Besonderheit erhält Crystar durch die melancholische Geschichte, die auf zahlreiche ernste Themen wie Mord, Selbstmord, belastete Beziehungen, Selbstverleugnung, Einsamkeit setzt.

Düster-depressive Erzählung

Crystar beginnt direkt in einem der erwähnten Dungeons. Allerdings bewegen wir uns hier noch als Schmetterling durch die düsteren Gänge. Als Seele, die ihre Selbstwahrnehmung verloren hat, wissen wir nicht mehr, wer wir sind, wie wir hierhin gekommen sind und was überhaupt vor sich geht. Langsam erlangen wir jedoch unser Bewusstsein zurück und nehmen wieder menschliche Gestalt an. Selbiges gilt für unsere kleine Schwester Mirai, die sich ebenfalls in Gestalt eines Schmetterlings an unsere und somit Reis Fersen geheftet hat. Allerdings überschlagen sich die Ereignisse bald, Rei und Mirai werden getrennt, wir begegnen Anamnesis, einer finsteren Seele, die alles daran setzt wieder ins Leben zurückzukehren, und schließlich stirbt Mirai. Um sie ins Leben zurückzuholen, schließt Rei einen Pakt mit Mephis und Phelis, den dämonischen Verwalterinnen der düsteren Nachwelt, dem Purgatory (auf deutsch Fegefeuer). Als Henkerin der beiden soll Rei sogenannte Revenants wie Anamensis eine ist, aufhalten und beseitigen, da diese die Ordnung im Purgatory durcheinanderbringen und für ihre Rückkehr ins Leben andere Seelen verspeisen.

Hier findet sich auch der Gameplay-Ansatz wieder. Von Reis Zimmer, das in Menüform als unsere Basis zwischen den Dungeons dient, besuchen wir nacheinander die unterschiedlichen Level, genannt Ordeals (deutsch: Tortur, Qual oder Martyrium), um die Revenants und die weniger mächtigen Specters zu jagen und zu bekämpfen, und zugleich Mirais Seele auf dem Weg zum Ort der Wiedergeburt als neue Person zu finden. Wirklich große Abwechslung bietet der Spielablauf dabei nicht. Ähnlich aufgebaute und trotzdem dank ihrer optischen Gestaltung ausreichend individuelle Dungeons und actionreiche Kämpfe in denen wir normale Angriffe und Spezialangriffe aneinanderreihen, mögen zwar mit der Zeit repetitiv wirken, wissen aber dennoch zu motivieren. Tatsächlich entwickelt sich sogar ein überaus unterhaltsamer Gameplay-Flow, der uns oft wesentlich länger an die Switch gefesselt hat, als wir erwartet haben.

Melancholische Atmosphäre

Zu verdanken hat Crystar das jedoch nicht nur dem durchaus gelungenen, aber eben doch abwechslungsarmen Gameplay. Weitaus wichtiger für die Motivationsspirale des japanischen Action-Rollenspiels sind die Geschichte und die Atmosphäre. Beides ist düster, melancholisch und bringt oft eine depressive Stimmung mit sich. Entsprechend schwierig zu verdauen sind die Ereignisse von Crystar – und seien es nur Reis Verzweiflung und Selbstzweifel, die im Laufe der Handlung immer größer werden. Crystar widmet sich eindeutig der Charakterstudie einiger zutiefst verletzter Menschen mit großem Trauma. So erfahren wir recht früh, dass Rei bereits seit längerer Zeit ihr Zimmer nicht mehr verlässt und die Schule nicht mehr besucht. Andere Handlungsbögen drehen sich um Schwangerschaften in jungen Jahren, den Verlust von nahestehenden Menschen oder dem Hass über die eigenen Schwächen. Selbstverleugnung, -hass und Erkenntnis sind genauso präsent wie die Ablehnung der eigenen Schuld oder die mangelnde Akzeptanz der eigenen Vergangenheit.

Damit ist Crystar thematisch sicherlich nicht leicht zu verdauen und wir haben gerade zu Beginn etwas gebraucht, um uns in das Spiel einzufühlen. Gerade die gut geschriebenen englischen Texte und die hervorragende japanische Synchronisation tragen viel zur Stimmung bei. Das gilt zumindest zum Teil auch für die englische Sprachausgabe, die jedoch gerade bei den Emotionen der Figuren nicht an das japanische Original heranreicht. Leider bleibt die grafische Präsentation in Zwischensequenzen ein wenig auf der Strecke. Zwar sieht Crystar allgemein nicht schlecht aus und der Stil passt sehr gut zu Geschichte und Stimmung des Spiels, doch gerade in Gesprächen fallen die schwache Mimik und Gestik der Figuren auf. Zum Glück werden in diesen Fällen auch immer aufwendige und schön gezeichnete Charakterporträts verwendet, die die Gefühle der Figuren zumindest etwas besser transportieren können.

Insgesamt ist die Präsentation von Crystar aber gelungen. Das gilt besonders für den fantastischen Soundtrack, der die düster-melancholische Atmosphäre stets gekonnt untermalt und mitträgt. Gerade den emotionalen Momenten kommt das sehr zu Gute und unterstreicht zusätzlich die Ausrichtung von Crystar, die in jeder Pore des japanischen Action-Rollenspiels zu spüren ist. Sogar Gegner haben hier eine Bedeutung, da wir ihr Bedauern einsammeln und so mehr über ihre tragischen Geschichten, die Rei auch belasten, erfahren können. Zumindest, wenn wir uns in Reis Zimmer zwischen den Dungeons die entsprechenden Texte durchlesen und das Bedauern nicht nur nutzen, um an neue oder bessere Ausrüstung zu gelangen.

Fazit

Crystar hat mich vor allem aufgrund des meiner Meinung nach durchaus schicken Grafikstils angesprochen. Zwar ist das japanische Action-Rollenspiel – wie viele Spiele dieser Art – technisch nicht auf der Höhe, doch das Design setzt sich hier wieder einmal von rein moderner Optik ab. Als ich mit Reis Geschichte angefangen habe, war ich überrascht wie melancholisch und emotional die Handlung und düster und manchmal fast depressiv die Stimmung ist. Doch je mehr Zeit ich mit Rei und ihren Mitstreiterinnen verbracht habe, umso mehr hat mich die Geschichte gefesselt. Sogar das repetitive Gameplay hat mich in den Bann gezogen, doch vor allem wollte ich wissen, wie Crystar endet, was auf Rei noch zukommt. Die ernsten Themen verleihen dem japanischen Action-Rollenspiel dabei eine eigene Identität durch die sich Crystar gekonnt von anderen Genre-Vertretern oder FuRyu-Titeln absetzt. Wer sich auf Crystar einlässt, erhält ein storystarkes und atmosphärisches Rollenspiel, sollte sich aber der harten Themen, die angesprochen werden bewusst sein. Empfehlen kann ich jedem gewillten Genre-Fan Crystar aber definitiv – und das trotz des auf Dauer abwechslungsarmen Spielablaufs.

Kurzfazit: Melancholisches japanisches Action-Rollenspiel, dessen repetitives Gameplay von der vor ernsten Themen überlaufenden Geschichte, vielschichtigen Charakteren und einer düster-depressiven Geschichte ausgeglichen wird.

Vielen Dank an Koch Media und NIS America für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Crystar!

Details
Titel: Crystar
Genre: Action-Rollenspiel
Publisher: NIS America, FuRyu
Entwickler: Gemdrops, FuRyu
Spieler: 1
Syteme: Switch
Altersfreigabe: ab 16
Erscheinungsdatum: 01. April 2022