Rezension: Tales of Arise (Xbox Series X)

Eine ungleiche Gruppe begibt sich im japanischen Rollenspiel Tales of Arise auf die Reise, um tyrannische Unterdrücker zu bekämpfen.

Nach fünf Jahren kehrt Bandai Namcos langlebige Tales-of-Reihe mit dem siebzehnten Teil zurück. Tales of Arise brilliert beim Debüt auf den neuen Konsolen von Microsoft und Sony nicht nur optisch, sondern hat auch spielerisch und erzählerisch einiges zu bieten. Wie die meisten Spiele der Reihe ist Tales of Arise ein komplett eigenständiges Abenteuer in einer neuen Welt mit neuen Charakteren, eigener Historie und Geschichte. Allerdings setzt das JRPG auf bekannte Themen der Vorgänger. So bekommen wir es erneut mit gesellschaftlichen, politischen und sozialen Verwicklungen; Unterdrückung und Rebellion sowie dem Kampf für die eigene Zukunft, Befreiung, Selbsterfüllung oder Hoffnung zu tun. Das alles setzt sich zusammen zu einer fesselnden, mitreißenden und durchaus bewegenden und emotionalen Geschichte. Zwar braucht Tales of Arise etwas, um wirklich Fahrt aufzunehmen, bringen wir aber den trotzdem gelungenen Start hinter uns, erwartet uns ein wahrhaft grandioses Rollenspiel-Erlebnis.

Unterdrückung, Tyrannei, Rebellion

In der Welt von Tales of Arise wurde Dahna vor dreihundert Jahren von den Bewohnern des deutlich am Himmel sichtbaren Mondes Rena erobert. Seitdem fristen die Dahnäer ein Leben in Sklaverei und gnadenloser Unterdrückung. Wir schlüpfen in die Rolle eines dahnäischen Sklaven, der sämtliche Erinnerungen an seine Vergangenheit verloren hat. Entsprechend, weiß er nur, was er im vergangenen Jahr erlebt und gelernt hat. Da sein Kopf von einer nicht abnehmbaren Eisenmaske umgeben ist, wird er genauso genannt: Eisenmaske. Zudem empfindet er keine Schmerzen, weshalb er bereit ist, sich zwischen andere Sklaven und die Schläge der renäischen Wachen zu stellen. Allerdings bemerkt er seine Verletzungen nicht. Ein großer Nachteil, da er ohne es zu ahnen, verbluten könnte. Das Leben von Eisenmaske ändert sich, als er die vor renäischen Soldaten flüchtende Renäerin Shionne trifft und anschließend von rebellierenden Dahnäern gefangen genommen wird. Eisenmaskes Schmerzimmunität ermöglicht es ihm nicht nur, die unter einem für andere schmerzhaften Fluch leidende Shionne zu berühren, sondern auch das in ihr schlummernde Flammenschwert zu führen. Gemeinsam schließen sie sich den Rebellen an und begeben sich auf eine Reise, um die tyrannischen renäischen Lords, die über Dahna herrschen, zu stürzen. Welche Ziele Shionne dabei verfolgt, bleiben lange im Dunkeln.

Allgemein profitiert Tales of Arise maßgeblich von dem ungleichen, wunderbar miteinander harmonierenden Protagonisten-Duo. Eisenmaske, dessen echter Name Alphen vergleichsweise früh verraten wird, und Shionne sind weitaus vielschichtiger als es zu Beginn vielleicht wirkt. Genauso wie die vier anderen Gruppenmitglieder, die sich den beiden mit der Zeit anschließen, entwickeln sich Alphen und Shionne weiter, verändern sich und wirken dadurch überaus lebendig und glaubhaft. Sicher, Tales of Arise verzichtet nicht auf Klischees und Genre-Standards, doch meist werden sie hervorragend in die Geschichte eingeflochten und stellen nur einen kleinen Teil der gut geschriebenen Figuren dar. Lediglich mancher Bösewicht ist nicht viel mehr als ein finsterer Fiesling. Das gilt besonders für die ersten beiden Lords. Anschließend bricht Tales of Arise aber sowohl bei der Geschichte als auch den Antagonisten ein wenig mit dem zuvor eingeführten Konzept und schafft es immer wieder, zu überraschen. Zu verdanken ist das neben der ausgezeichnet erzählten Handlung auch unerwarteten Wendungen sowie nicht immer klar definierten Gut-Böse-Bildern. Tales of Arise zeigt, dass selbst Unterdrückte und Herrschende nicht immer eindeutig zu betrachten sind. Genau das braucht das japanische Rollenspiel, um eine noch glaubhaftere, spannendere und bewegendere Geschichte zu erzählen. Da stört es dann auch nicht, dass die Kern-Handlung einige übliche Pfade beschreitet. Schließlich gibt es genug Abwechslung von den bekannten Reihen- und Genre-Mustern.

Glaubhafte Spannung

Bei Tales of Arise sollte übrigens keine offene Welt erwartet werden. Stattdessen setzt das Rollenspiel auf teils weitläufige, teils schlauchartige aneinandergrenzende Gebiete, die dennoch das Gefühl einer großen, zusammenhängenden Welt entstehen lassen. Zu verdanken ist das besonders der konsequenten Umgebungsgestaltung. In jedem Reich wirken Landschaft, Dörfer, Ruinen und dergleichen mehr wie aus einem Guss. Zudem wird der Übergang von einem ins nächste Reich, was beim erstmaligen Betreten mehr oder weniger als Beginn eines neuen Kapitels gewertet werden kann, stets wunderbar inszeniert und mit schönen Kontrasten hervorgehoben. Jedes neue Land unterscheidet sich maßgeblich vom vorherigen und bietet uns ein völlig neues Bild, wodurch auch die Abwechslung erhalten bleibt. Wenn wir erstmals das von Felsen und Feuer bestimmte Calaglia verlassen, ist das ein wahres Erlebnis. Eine noch stärkere Wirkung hat aber aufgrund der auch storyrelevanten Veränderungen der Wechsel vom zweiten ins dritte Reich. Dennoch sind wir stets begeistert, wenn wir neue Gebiete oder sogar Reiche kennenlernen dürfen.

Doch abseits von Geschichte, Charakteren und Welt steht natürlich das Gameplay im Mittelpunkt eines jeden Spiels. Tales of Arise lässt uns, wie gewohnt, aus der dritten Person die schönen Landschaften, Höhlen, Minen, Ruinen und dergleichen mehr erkunden. Unterwegs sammeln wir allerlei Materialien und Zutaten fürs Kochen oder rasten an Lagerfeuern, an denen wir auch Essen zubereiten dürfen. Hier sprechen wir auch mit unseren Gruppenmitgliedern und festigen unsere Bindung zu ihnen. Zusätzliche Gespräche abseits der Zwischensequenzen können wir bei Einblendung eines Symbols per Schultertaste auslösen. Die schön inszenierten Unterhaltungen sind immer eine wahre Bereicherung, bringen uns die Charaktere näher oder gehen genauer auf vergangene Ereignisse ein. Deshalb ist es uns wichtig, möglichst viele der Gespräche zu bemerken. Schwer macht es uns Tales of Arise nicht, da wir relativ lange Zeit haben, diese auszulösen und mit einem Ton daraufhin gewiesen werden. Etwas anders ist es mit im laufenden Spiel stattfindenden Unterhaltungen. Hier müssen wir rechtzeitig am linken unteren Bildschirmrand mitlesen oder der wahlweise englisch oder japanischen Sprachausgabe, die beide hervorragend sind, lauschen.

Actionreiche Konfrontationen

Kern eines jeden Rollenspiels sind aber die Kämpfe und die sind auch in Tales of Arise überaus präsent. Treffen wir in der Umgebung auf Monster oder andere Gegner, wechselt das Geschehen in einen abgegrenzten Kampfbereich. Hier dürfen wir uns frei bewegen und wie für die Reihe typisch, in actionreichen Gefechten gegen unsere Feinde antreten. Dabei setzen wir neben einfachen Angriffen, auf die als Artes bezeichneten Fähigkeiten. Anfangs dürfen wir bis zu drei normale und drei für Angriffe aus der Luft ausrüsten; später können wir sogar ein zweites Set mit nochmal jeweils drei Artes einstellen. Wichtig ist, dass wir das selbe Arte nicht direkt hintereinander ausführen, da es so an Durchschlagskraft verliert. Wir sind also gezwungen, auf abwechslungsreiche Kombo-Angriffe zu setzen. Zudem lassen sich Artes nicht unbegrenzt einsetzen. Jede Aktion verbraucht eine bestimmte Punktzahl, sind diese aufgebraucht, müssen wir mit normalen Angriffen vorlieb nehmen. Doch auch diese sind in ihrer Anzahl begrenzt. Haben wir das Kampfsystem erst einmal verstanden, reihen wir trotzdem Attacke an Attacke und lassen im besten Fall nahtlose Kombos aus normalen Angriffen und Artes vom Stapel. Das fühlt sich derart befriedigend an, dass die Kämpfe schon nach kurzer Zeit unglaublich spaßig sind. Selbst die wirklich volle Steuerung, bei der fast jeder Knopf des Controller doppelt belegt ist, geht nach einiger Zeit in Fleisch und Blut über und intuitiv steuern wir unsere Charaktere über das Schlachtfeld.

Wichtig dabei ist, dass stets maximal vier Charaktere am Kampf teilnehmen. Die beiden anderen sind, sobald wir eine vollständige Gruppe haben, unterstützend tätig. Das bedeutet nicht nur, dass sie bei Duo-Spezialangriffen ebenfalls agieren, sondern auch, dass wir ihre Boost-Angriffe einsetzen können. Wenn wir möchten, dürfen wir sogar fließend einen aktiven Kampfgefährten gegen einen unterstützendes Gruppenmitglied austauschen. Selbst den aktiv gesteuerten Charakter können wir mitten im Geschehen wechseln. Dadurch entsteht ein überaus fließendes Spielgefühl und wir können auf jede Gelegenheit angemessen reagieren. Schließlich haben manche Gruppenmitglieder bestimmte Vorteile gegenüber einigen Angriffen. Shionne kann beispielsweise mit ihrem Boost-Angriff fliegende Feinde vom Himmel holen, während Rinwell Zauber von Gegnern unterbricht. Zusätzlich wechseln wir bei entsprechender Aufladung in einen verstärkten Modus, in dem wir unbegrenzt mit normalen Attacken und Artes angreifen dürfen und sogar eine besonderes starke Spezialaktion ausführen können. Dass sich auch noch jedes Gruppenmitglied unterschiedlich spielt, rundet das gelungene Kampfsystem zusätzlich mit der interessanten HP-Idee wunderbar ab. Letzteres bedeutet, dass sich die Gruppe eine HP-Punktzahl teilt. Damit sind nicht die Lebenspunkte der Charaktere gemeint, sondern die sogenannten Health Points. Diese werden benötigt, um Heilmagie einzusetzen. Entsprechend müssen wir gerade bei den teils knackigen Bosskämpfen darauf achten, dass unsere HP nicht ausgehen, da uns sonst Shionne und andere Figuren nicht mehr heilen oder wiederbeleben können. Natürlich können wir alternativ auch Items einsetzen und auch die HP mit Gegenständen wieder füllen. Wie unsere Gruppe in Kämpfen agiert, können wir strategisch recht umfangreich festlegen. So können nicht von uns gesteuerte Charaktere beispielsweise gemäßigt kämpfen, sich aufs Heilen konzentrieren oder aggressiv agieren. Wir dürfen sogar festlegen, welche Artes die jeweiligen Gruppenmitglieder einsetzen dürfen und welche nicht.

Konsequente Gestaltung

Neue Fähigkeiten, wie Artes oder passive Eigenschaften, erlernen die Charaktere über kleine, jeweils fünf freischaltbare Fertigkeiten umfassende, Matrixen. Bevor wir jedoch Zugriff auf diese haben, müssen wir sie erst freischalten. Das geschieht über Titel, die unsere Gruppenmitglieder durch bestimmte Aktionen erlernen können. Etwa, wenn eine bestimmte Aktion oft genug eingesetzt wurde oder, wenn jemand einige Mahlzeiten zubereitet hat. Manche Titel erhalten wir auch im Verlauf der Geschichte oder durch die zahlreichen Nebenquests. Letztere sind optional und können jederzeit angegangen werden. Helfen wir den Bewohnern Dahnas, gewährt uns das nicht nur Erfahrungspunkte und Belohnungen, sondern oft auch kleine, feine Geschichten. Da stört es dann auch nicht, dass die Aufgaben oft eher simpel ausfallen. Zusätzlich finden wir in der Spielwelt zahlreiche Eulen. Jede gewährt uns ein neues Outfit-Accessoire. Diese sind rein optisch und eher witzig gemeinte kleine Zusätze wie Sonnebrillen, Tierohren, Flügel oder Ähnliches. Allerdings erhalten wir auch für eine bestimmte Anzahl an gefundenen Eulen zusätzliche weitaus wertvollere Belohnungen. Eine schöne Nebenbeschäftigung, die zeigt, dass sich Tales of Arise trotz der ernsten, beklemmenden und düsteren Geschichte und Atmosphäre nicht immer ernst nimmt. Allgemein schafft es das Rollenspiel wunderbar, die gut erzählte Geschichte mit der richtigen Note Witz und Leichtigkeit zu versehen, ohne dass die epische Stimmung darunter leidet. Das zeigt noch mehr, wie abwechslungsreich, vielschichtig und großartig umgesetzt Tales of Arise ist.

Wie bereits erwähnt, überzeugt Tales of Arise auch optisch. Zu verdanken ist das neben der erstmals in einem Tales-of-Spiel verwendeten Unreal Engine dem schönen Anime-Cel-Shading-Stil, der einige kleinere Unzulänglichkeiten locker kaschiert. Zudem trumpft das japanische Rollenspiel mit einem kohärenten Welt- und Charakterdesign auf. Die Verbindung von Fantasy und Science-Fiction wirkt überaus natürlich und greift stets perfekt ineinander, so dass alles einen glaubhaften und lebendigen Eindruck inklusive klar erkennbarer Historie und kultureller Unterschiede hinterlässt. Das geht auch in die großartige japanische und englische Vertonung sowie den stimmungsvollen, stets passenden und das Spiel wunderbar untermalenden Soundtrack über. Spätestens die audiovisuelle Brillianz unterstreicht, dass Tales of Arise nicht nur einer der besten Teile der Reihe, sondern auch eines der besten japanischen Rollenspiele der vergangenen Jahre ist. Damit ist das Abenteuer von Alphen, Shionne und den anderen ein heißer Anwärter auf den Titel des besten JRPGs des Jahres und eines der besten Spiele 2021.

Fazit

Seit ich Tales of Symphonia auf dem Nintendo GameCube gespielt habe, gehört die Tales-of-Reihe zu meinen großen Favoriten im JRPG-Genre. Entsprechend groß war meine Vorfreude auf Tales of Arise, schließlich sind seit Tales of Beseria mittlerweile fünf Jahre vergangen. Dass Tales of Arise erstmals nicht mehr für die PlayStation 3 erscheint und grafisch neue Maßstäbe in der Reihe setzen soll, haben schon die ersten Trailer verraten. Optisch kann sich das japanische Rollenspiel wirklich sehen lassen. Schöne Landschaften, detailreiche Charaktermodelle und ein stimmungsvoller Anime-Cel-Shading-Stil lassen kleinere Schwächen schnell in den Hintergrund treten. Zudem bietet Tales of Arise ein grandioses Action-Kampfsystem, das zu den besten der Reihe und im Genre gehört. Aber nicht nur beim Gameplay weiß der mittlerweile siebzehnte Teil der Reihe zu überzeugen, auch bei Welt, Charakteren und Geschichte präsentiert sich Tales of Arise als ausgezeichnetes Rollenspiel und einer der besten Genre-Vertreter der letzten Jahre. Trotz des vielleicht etwas einfachen, aber trotzdem motivierenden Spielbeginns, hat mich Alphens und Shionnes Abenteuer von Anfang an in seinen Bann gezogen. Anfängliche Schwächen werden vom Gameplay und dem sympathischen Hauptfiguren-Duo locker wett gemacht. Später zieht Tales of Arise dermaßen an, dass sowohl bei Geschichte als auch Spielwelt und Charakteren einfach nur ein herausragendes Erlebnis geboten wird. Ob Tales of Arise nun der beste Teil der Reihe ist, will ich aufgrund der teilweise großen Unterschiede nicht beurteilen. Zu meinen persönlichen Favoriten gehört das Rollenspiel aber definitiv – und das auch im Genre selbst. Damit hat Bandai Namco nach Scarlet Nexus ein weiteres erstklassiges JRPG in diesem Jahr veröffentlicht und erneut einen Anwärter auf die Genre-Krone sowie den Titel als eines der besten Spiele 2021. Fans japanischer Rollenspiele und der Tales-of-Reihe sollten sich Tales of Arise auf keinen Fall entgehen lassen.

Kurzfazit: Grandioses japanisches Rollenspiel das sowohl bei Geschichte, Charakteren und Spielwelt als auch Gameplay und Kampfsystem zum Besten des Genres zählt. Eindeutiger Anwärter als bestes JRPG 2021 und Spiel des Jahres.

Vielen Dank an Bandai Namco für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Tales of Arise!

© Tales of Arise™&©BANDAI NAMCO Entertainment Inc.