Rezension: Clair Obscur: Expedition 33 (PS5)

Eine Expedition versucht in Clair Obscur: Expedition 33 den jährlichen Tod zahlreicher Menschen durch die Bestimmung der Malerin zu beenden.

Schon in ersten Trailern hat Clair Obscur: Expedition 33 mit einer faszinierenden Welt, die vom Frankreich um die Jahrtausendwende zum Jahr neunzehnhundert inspiriert ist, und mit einem stark an japanische Rollenspiele angelehnten Spielprinzip Interesse geweckt. Mit einem Team von weniger als vierzig Personen, hat das französische Studio Sandfall Interactive das Rollenspiel umgesetzt und beweist eindrucksvoll, dass sich Clair Obscur: Expedition 33 nicht vor großen Produktionen zu verstecken braucht. Eine mitreißende, abwechslungsreiche Geschichte mit großartig geschriebenen Charakteren, melancholischer Atmosphäre, ernsten und philosophischen Ansätzen weiß für weit mehr als die dreißig Stunden der Story zu fesseln. Die surreale Welt und das taktische sowie individuelle Kampfsystem sorgen zudem dafür, dass Clair Obscur: Expedition 33 bis zum Ende immer wieder aufs Neue motiviert und fasziniert.

Belastete Menschheit

Angesiedelt ist Clair Obscur: Expedition 33 in einer Welt, die nach dem sogenannten Bruch zerbrochen ist. Schwebende Inseln und Felsen sowie unnatürlich wirkende Landschaften unterstreichen den surrealen Eindruck. Die überlebenden Menschen haben sich in den Ruinen der Stadt Lumiere niedergelassen und sind einer als Malerin bekannten Gottheit ausgeliefert. Diese ist bei einem riesigen Monolithen am Horizont zu sehen. Einmal im Jahr erwacht die Malerin und ändert die auf dem Monolithen stehende Zahl. Diese bedeutet, dass sich alle Menschen, die das genannte Alter überschritten haben, auflösen.

Clair Obscur: Expedition 33 beginnt an dem Tag, der als Gommage bekannt ist. Dadurch wird direkt gezeigt, wie die Menschen in Lumiere mit dem bevorstehenden Ereignis umgehen, wie die Malerin die Zahl um eins senkt und schließlich alle Personen, die älter als dreiunddreißig sind, sich auflösen. Darunter auch Sophie, die Freundin von Gustave, einem der Protagonisten des Rollenspiels. Gustave selbst gehört zur namensgebenden Expedition 33, die am nächsten Tag zum Kontinent aufbricht, um die Geheimnisse um die Malerin aufzuklären und der Gommage ein Ende zu bereiten.

Melancholische Geschichte

Erzählt wird die Geschichte in eindrucksvollen und aufwendigen Zwischensequenzen, denen nicht anzumerken ist, dass das Rollenspiel lediglich von einem kleinen Team entwickelt wurde. Genauso begeistern die Inszenierung und Erzählweise. Clair Obscur: Expedition 33 erzählt in drei Akten eine gefühlvolle und philosophische Geschichte, die zwar eine klassische Abenteuer-Reise umfasst, aber auch ernste Themen wie den Tod, Trauer oder Suizid anspricht. Hier zeigt sich die Schwermütigkeit und Melancholie der Welt sehr gut, doch dank des gut genutzten Humors auch, wie fröhlich und leichtgängig das Leben der Menschen trotzdem sein kann.

Zu verdanken ist das den sehr gut geschriebenen Charakteren, die alle ihre Eigenheiten und persönlichen Hintergrundgeschichten haben. Mit letzterer weiß das Rollenspiel teilweise zusätzlich aufzuwühlen und zu begeistern. Die hochwertige französische und englische Vertonungen sorgen zudem dafür, dass den Charakteren zusätzliches Leben eingehaucht wird. Zumindest die englischsprachige Fassung ist mit Sprechern wie Daredevil-Darsteller Charlie Cox als Gustave, der aus Baldur’s Gate 3 bekannten Jennifer English als dessen siebzehnjähriger Ziehtochter Maelle sowie Gollum-Schauspieler Andy Serkis prominent besetzt.

Surreale Welt

Aufgebaut ist die Spielwelt in lineare Bereiche beziehungsweise Level, die aus der Third-Person-Perspektive erkundet werden, sowie einer aus der isometrischen Perspektive dargestellten Oberwelt. Gerade letzteres erinnert an klassische japanische Rollenspiele. Sowohl in den Gebieten als auch auf der Oberwelt warten die als Nevrons bezeichneten Monster und verwickeln Gustave und die anderen in Kämpfe. Außerdem lassen sich Geheimnisse wie versteckte Items oder Nebenquests finden. Die optionalen Aufgaben sind zwar oft eher simpel gehalten und erfordern lediglich das Finden bestimmter Gegenstände oder Besiegen von Gegnern, bringen aber trotzdem ein wenig Abwechslung. Ein Quest-Tagebuch und damit eine Übersicht über die bereits erhaltenen Aufgaben, fehlt jedoch.

Für die Erkundung der Oberwelt werden im Verlauf des Abenteuers neue Möglichkeiten freigeschaltet. Dadurch können auch zuvor unzugängliche Orte erreicht werden, was wiederum den Zugang zu neuen Gebieten der Welt und somit weiteren Levels ermöglicht. Dabei fasziniert Clair Obscur: Expedition 33 durchgehend mit der surrealen Welt, die auf einige interessante Landschaften setzt. So erkundet die Gruppe ein Unterwassergebiet zu Fuß und ohne Atemprobleme, erreichen einen blutroten Wald oder Höhlen voll schwebender Objekte. Zudem lassen sich überall die Spuren vorheriger Expeditionen entdecken. Wirklich viel Freiheit bieten die Levels zwar nicht, manche Abzweigung gewährt aber kleine versteckte Geheimnisse und optionale Sammelobjekte wie Outfits für die Charaktere.

Klassisch-moderne Kämpfe

Weitaus präsenter als die Erkundung ist in Clair Obscur: Expedition 33 das Kämpfen. Genau betrachtet nehmen die Auseinandersetzungen mit den Nevrons den Großteil der Aktivitäten ein. Lediglich die erwähnten Nebenquests und ein paar eher belanglose Minispiele bringen Abwechslung. Gegner sind in den Leveln und der Oberwelt immer zu sehen, auf Zufallskämpfe haben die Entwickler verzichtet. Dadurch ist es möglich, mit einer gut platzierten Attacke einen Vorteil zu Beginn des Kampfes zu erringen. Das ist sogar relativ einfach und kann in mancher Auseinandersetzung einen großen Vorteil bedeuten.

Die Kämpfe sind rundenbasiert und werden mit einer dreier Gruppe, die frei aus den insgesamt sechs spielbaren Charakteren zusammengestellt werden darf, bestritten. Ist Gustave zu Beginn alleine unterwegs, wächst die Gruppe mit der Zeit immer weiter an. Das bringt neue Möglichkeiten im Kampf, da sich jeder Charakter ein wenig anders spielt. Grundlegend können alle Figuren, wenn sie am Zug sind, mit ihrer Waffe angreifen, limitierte Aktionspunkte verwenden, um Fähigkeiten einzusetzen oder Gegenstände einsetzen. Zusätzlich kann eine Fernkampfwaffe gezückt und auf Schwachpunkte von Gegnern gezielt werden. Das verbraucht ebenfalls Aktionspunkte, kostet aber nicht die Runde und kann wichtige Vorteile bringen.

Aktives Handeln

Wird im Kampf eine Fähigkeit eingesetzt, gilt es ein Quick-Time-Event zu absolvieren. Hier muss im richtigen Moment ein Button gedrückt werden, damit der Angriff im besten Fall noch stärker wird. Misslingt das, trifft die Attacke im schlimmsten Fall nicht. Gerade bei Bosskämpfen oder in kritischen Situationen ist das nicht nur ärgerlich, sondern mitunter Kampfentscheidend. Noch wichtiger sind die Echtzeit-Elemente der Kämpfe. Greifen die Gegner an, wird auf Knopfdruck ausgewichen oder pariert. Das ist essentiell, um Schaden zu vermeiden, zumal es keine Möglichkeit gibt zu blocken. Allerdings handelt es sich bei Ausweichen und Parieren nicht um Quick-Time-Events. Stattdessen müssen die Angriffe der Gegner genau beobachtet werden, um im richtigen Moment zu reagieren. Gelingt das, nimmt der jeweilige Charakter keinen Schaden und kann im besten Fall mächtige Konter auslösen.

Andererseits steckt die Gruppe bereits auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad hohen Schaden ein, wenn die Charaktere getroffen werden. Diese aktive Komponente der Kämpfe sorgt für zusätzliche Motivation, verlangt genaues Beobachten der gegnerischen Angriffe und sorgt dafür, dass sich die Auseinandersetzungen bis zum Ende nicht abnutzen. Zusätzliche Abwechslung garantieren die surreal gestalteten Nevrons, die jeweils eigene Angriffe und Anfälligkeiten haben. Gerade gegen feindliche Gruppen ist taktisches Vorgehen wichtig.

Charakterliche Besonderheiten

Wie bereits erwähnt, verfügt jeder Charakter im Kampf über eine Besonderheit, die für unterschiedliche Spielgefühle sorgt. So laden Angriffe von Gustave seine Armprothese auf. Die Aufladungen können schließlich mit einer Fähigkeit in eine mächtige Attacke umgewandelt werden. Magierin Lune hingegen sammelt je nach Fähigkeit unterschiedliche Elementarpigmente. Diese wiederum verstärken andere Fertigkeiten und sorgen bei überlegter Nutzung für spürbare Vorteile im Kampf. Ähnliches gilt für Maelles Haltungen. Je nach eingesetzter Fähigkeit wechselt die Siebzehnjährige in eine andere Kampfhaltung, die unterschiedliche Effekte hat. So erleidet sie in der Verteidigungshaltung weniger Schaden und erhält für Parieren und Ausweichen einen Aktionspunkt. In der Angriffshaltung wiederum verursacht sie mehr Schaden, muss aber auch höhere Treffer einstecken. Zudem haben die Haltungen Auswirkungen auf Fähigkeiten und können diese zusätzlich erhöhen.

Taktische Überlegungen können hier zu mächtigen Kombos über mehrere Runden führen. Besonders, wenn es gelingt, Gegner zu brechen, wodurch sie kurzzeitig Handlungsunfähig sind, können die Besonderheiten der Charaktere große Wirkung zeigen. Entscheidend für so manche Auseinandersetzung, gerade gegen Bosse, sind sie in jedem Fall. Später werden außerdem noch individuelle Spezialattacken der Charaktere freigeschaltet. Diese können zwar nur selten eingesetzt werden, sind dafür aber umso mächtiger.

Erfahrene Entwicklung

Bei der Charakterentwicklung setzt Clair Obscur: Expedition 33 auf klassische Erfahrungspunkte und Levelaufstiege. Diese gewähren jedes Mal drei Attributspunkte, die frei in die fünf Charakterwerte investiert werden dürfen. Dabei sollte die Wechselwirkung mit der aktuell ausgerüsteten Waffe zumindest teilweise berücksichtigt werden. Zudem erhalten die Charaktere Fähigkeitenpunkte, die in den individuellen Fertigkeitenbäumen in neue Fähigkeiten investiert werden können. Hier bleibt das Rollenspiel weitgehend genre-typisch, bietet aber zahlreiche Möglichkeiten, zumal jeder Charakter nur sechs Fertigkeiten ausgerüstet haben kann. Es ist also wichtig gut zu überlegen, was sinnvoll ist und die Fertigkeiten an die Gegner des aktuellen Gebiets anzupassen.

Noch wichtiger sind jedoch die Pictos. Dabei handelt es sich um die einzigen weiteren Ausrüstungsgegenstände neben den Waffen. Jeweils drei Pictos kann ein Charakter tragen und erhält dadurch passive Effekte. Nach vier mit einem Pictos absolvierten Kämpfen, werden die Effekte freigeschaltet und können auch unabhängig von den Pictos ausgerüstet werden. Allerdings kosten sie sogenannte Lumina-Punkte. Diese steigen mit der Zeit und können mit bestimmten Materialien zusätzlich erhöht werden, trotzdem ist eine gute Planung und Anpassung an den jeweiligen Charakter sinnvoll. Zusätzlich können die Waffen der Charaktere verbessert und somit passive Effekte freigeschaltet werden. Bei Nutzung aller Möglichkeiten, ist es je nach Schwierigkeitsgrad durchaus möglich, dass die Charaktere sehr mächtig werden, was die Herausforderung der Rollenspiels beeinflusst.

Faszinierende Präsentation

Audiovisuell begeistert Clair Obscur: Expedition 33 fast vollständig. Die surreale und faszinierende Welt ist eindrucksvoll gestaltet und oft wirkt das Rollenspiel wie eine riesige Produktion. Dadurch wird es noch beeindruckender, dass ein kleines Team wie Sandfall Interactive bereits bei ihrem Debüt so eine optische Opulenz bieten kann. Dennoch zeigen sich kleinere Schwächen. Manchen Gebieten fehlt es an Abwechslung, was die Übersicht erschwert und auch die Einzigartigkeit der Welt nutzt sich im späteren Spielverlauf ein wenig ab. Zudem fallen bei der Erkundung manchmal etwas grobere Grafiken und eher zweckmäßige Animationen auf. Die Kämpfe sind hingegen durchweg atemberaubend und effektreich gestaltet. Ähnliches gilt für die sehr individuellen Charaktere und Gegner.

Neben der hochwertigen französischen und englischen Vertonung, begeistert das Rollenspiel mit einem stimmungsvollen Soundtrack, der viel Abwechslung bietet und mit instrumentalen Stücken sowie Gesang die Atmosphäre perfekt unterstreicht. Ein Manko ist hingegen die manchmal zu ungenaue Steuerung außerhalb der Kämpfe. Gerade Sprungabschnitte spielen sich nicht gut. Am beeindruckenden Gesamteindruck und der hohen Qualität von Clair Obscur: Expedition 33 und schon gar nicht am Spielspaß ändert das etwas. Das Rollenspiel fesselt für die rund dreißig Stunden dauernde Geschichte und auch die Endgame-Inhalte und Nebenbeschäftigungen, durch die die Spielzeit auf rund sechzig Stunden steigt, stets. Anschließend steht die Möglichkeit zur Verfügung mit New Game Plus einen neuen Durchgang zu starten

Fazit

Clair Obscur: Expedition 33 hat mich schon mit den ersten Spielszenen fasziniert. Die surreale Welt, die gefühlvolle und melancholische Stimmung, die vielschichtige Geschichte und die großartig geschriebenen Charaktere sorgen dafür, dass sich daran bis zum Ende nichts ändert. Genauso motiviert mich das rundenbasierte Kampfsystem mit einigen kreativen neuen Ideen, die sich gerne so manch anderer Genre-Vertreter abschauen darf. Zwar gibt es auch kleinere Macken wie die Steuerung bei der Erkundung und besonders bei Sprüngen, doch das kann den Spielspaß nicht mindern. Zumal Clair Obscur: Expedition 33 vor allem von der spannenden und wendungsreichen Geschichte lebt. Damit gehört das Rollenspiel von Sandfall Interactive zu den besten Rollenspielen nach japanischer Machart, die ich in den letzten Jahren gespielt habe. Für mich ist Clair Obscur: Expedition 33 das, was ich mir schon seit längerem von Reihen wie Final Fantasy wünsche. Kein Genre-Fan sollte sich das Rollenspiel entgehen lassen. Für mich ein eindeutiger Anwärter für das Spiel des Jahres.

Kurzfazit: Faszinierendes Rollenspiel, das mit einer fesselnden Geschichte, einer atemberaubenden Welt, großartigen Charakteren und motivierendem Gameplay begeistert. Ein Spiel-des-Jahres-2025-Anwärter!

Details
Titel: Clair Obscur: Expedition 33
Genre: Rollenspiel
Publisher: Kepler Interactive
Entwickler: Sandfall Interactive
Spieler: 1
Syteme: PlayStation 5 (getestet), Xbox Series X|S, PC
Altersfreigabe: ab 16
Erscheinungsdatum: 24. April 2025

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