Rezension: Keeper (Xbox Series X)

Ein Leuchtturm wandert in Keeper begleitet von einem grünen Vogel durch eine surreale Welt.

Double Fine hat in der Vergangenheit schon oft einen Hang zu ungewöhnlichen Spielen bewiesen. Schon Psychonauts, das Erstlingswerk des Studios von Tim Schafer, einem der Köpfe hinter den legendären LucasArts-Adventuren wie Monkey Island, hat das bewiesen. Surreale Welten, ungewöhnliche Protagonisten, abgedrehte Geschichten oder einfach viel Humor, Double Fine hat mit fast jedem Projekt etwas einzigartiges präsentiert. Für das neue Werk des Studios gilt das besonders. Keeper ist nicht nur einzigartig, sondern eigenwillig. Mehr erlebter Stop-Motion-Film als Spiel. Das wirkliche Gameplay fällt recht dünn aus, dafür fasziniert die surreale von Salvador Dali und Max Ernst inspirierte Welt – und das ungewöhnliche Hauptfiguren-Duo. Schließlich spielt ihr in Keeper einen Leuchtturm auf Rankenbeinen der von einem grünen, fantasievollen Vogel begleitet wird. Die Geschichte wird zudem komplett wortlos erzählt. Lediglich die Beschreibungstexte einiger Erfolge geben kleinere zusätzliche Hinweise zu den Hintergründen der Welt, die ihr durchwandert.

Bizarre Odyssee

Schon die ersten Spielszenen zeigen eine verlassene, postapokalyptische Umgebung. Im Schatten eines Berges steht ein einsamer, verlassener und teilweise verfallener Leuchtturm. Ein Schwarm von Vögeln wird von seltsamen Wesen verfolgt. Als eines der gefiederten grünen Wesen auf dem Leuchtturm Zuflucht sucht, vertreibt dieser mit seinem Licht die nahenden Feinde. Kurz darauf fällt der Leuchtturm um, wird von Ranken vereinnahmt und erhält dadurch vier krebsartige Beine. Anfangs noch unsicher, stolpert und stürzt der Leuchtturm ein paar Mal, bis das Laufen besser funktioniert. Das spielt ihr ebenfalls selbst und gehört zum Erlebnis von Keeper. Anschließend heißt es als Leuchtturm und in Begleitung eures neuen Freundes, des grünen Vogels, die sehr abwechslungsreich gestaltete und surreale Welt zu durchstreifen.

Der Weg führt von den zerklüfteten Klippen am Meer durch finstere Höhlen mit leuchtenden Pflanzen, von fantasievollen Wesen bewohnten Dörfer bis hin zu bizarren Feldern und Bergen. Immer wieder präsentiert Keeper neue optische Ideen und fasziniert mit dem Einfallsreichtum von Double Fine. Das Erleben der Welt ist eine der größten Motivationen der Odyssee des Leuchtturms und seines gefiederten Begleiters. Wirkliche Abzweigungen gibt es dabei nicht. Abgesehen von kleineren Geheimnissen für Erfolge inklusive zusätzlicher Hintergründe zur Geschichte, folgt ihr einem linearen Weg. Das gilt auch in minimal weitläufigeren Abschnitten. Diese bieten zumindest etwas mehr Gameplay.

Faszinierend surreal

Allgemein betrachtet ist Keeper spielerisch jedoch recht dünn. Meistens geht es nur darum, dem Weg zu folgen, die Welt zu entdecken und gelegentlich kleine, oft herzerwärmende Momente mit dem Leuchtturm und dem Vogel zu erleben. Verbunden ist das manchmal mit kleineren Rätseln, die aber nicht wirklich fordern. Dazu trägt bereits die Gestaltung der Welt bei, da die Lösung stets direkt vor euch liegt. Mit der Zeit kann der Leuchtturm zwar kurz auch etwas schneller laufen, um Hindernisse zu zerstören oder in bestimmten Bereichen springen, wirklich viel mehr Gameplay-Tiefe bringt das aber auch nicht. Immerhin wird dadurch etwas Abwechslung geboten. Wenn ihr als Leuchtturm plötzlich kleinere Geschicklichkeitsaufgaben erfüllt oder eine Reihe von Zeiträtseln löst, kommt dadurch ein wenig zusätzliche Motivation auf.

Wie bereits mehrfach erwähnt, lebt Keeper von der surrealen Welt. Diese ist in einem wunderschönen Grafikstil, der an Stop-Motion-Filme erinnert, gehalten. Realismus ist hier fehl am Platz, dafür strotzt Keeper mit viel Fantasie und Kreativität. Es ist wirklich faszinierend, immer wieder neue Abschnitte der Welt zu entdecken und mitzuerleben, wie viel Einfallsreichtum Double Fine und Creative Lead Lee Petty in das ungewöhnliche Spiel haben fließen lassen. Das einzigartige Erlebnis wird von einem vielschichtigen, stets passenden und stimmungsvollen Soundtrack begleitet. Die mal düstere, mal verspielt, mal dramatische Musik trägt gemeinsam mit der wunderschönen Optik viel zur dichten Atmosphäre bei. Keeper lebt von der Faszination für die Welt und die wortlose erzählte, durchaus schöne Geschichte. Darauf müsst ihr euch einlassen, um mit Keeper Spaß zu haben. Die relativ kurze Spielzeit von unter fünf Stunden erleichtert das etwas.

Fazit

Keeper ist selbst für Double Fine ein ungewöhnliches Spiel. Die Odyssee des Leuchtturms und des grünen Vogels hat mich besonders mit der surrealen Welt fasziniert. Immer wieder haben mich die bizarren Ideen und der Einfallsreichtum dazu motiviert weiterzuspielen – selbst dann, wenn mich das eher marginale Gameplay ernüchtert hat. Schließlich wollte ich wissen, welche Orte der Leuchtturm und sein gefiederter Freund noch entdecken. Ebenso trägt die wortlos erzählte Geschichte ihren Teil zur Wirkung der Welt bei. Hier hätte ich mir nur eine weniger kryptische und etwas direktere Erzählweise gewünscht. Das ist aber meckern auf hohem Niveau und ändert nichts an der grundsätzlichen Faszination von Keeper, die von der wunderschönen Stop-Motion-Optik, dem stimmungsvollen Soundtrack und der dichten Atmosphäre perfekt unterstützt wird. Allerdings ist Keeper so ungewöhnlich, dass es mir schwerfällt, das Spiel zu empfehlen. Ihr müsst selbst überlegen, ob euch die Faszination für Welt und Geschichte ausreicht, um das dünne Gameplay auszugleichen. Zudem ist das Ende in unter fünf Stunden erreicht. Gerade diese kurze Spielzeit sorgt aber dafür, dass die Motivation nicht nachlässt und die vorhandenen Gameplay-Mechaniken nicht zu gering sind.

Kurzfazit: Keeper ist ein ungewöhnliches, surreales Erlebnis, dessen dünnes Gameplay von einer faszinierenden Welt und Geschichte, der schönen Stop-Motion-Optik, der dichten Atmosphäre und dem liebenswerten Hauptfiguren-Duo ausgeglichen wird, aber nicht allen gefallen wird.

Vielen Dank an Microsoft für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Keeper!

Details
Titel: Keeper
Genre: Adventure
Publisher: Xbox Game Studios
Entwickler: Double Fine Productions
Spieler: 1
Syteme: Xbox Series X|S (getestet), PC
Altersfreigabe: ab 12
Erscheinungsdatum: 17. Oktober 2024