Rezension: System Shock (Xbox Series X)

Ein Hacker versucht in System Shock, die wahnsinnige KI Shodan aufzuhalten und von der Citadel-Raumstation zu entkommen.

Ursprünglich 1994 erschienen, hat System Shock damals nicht nur das First-Person-Shooter-Genre, sondern Videospiele allgemein mit kreativen Gameplay-Mechaniken und Erzählweisen der Geschichte beeinflusst. Nightdive hat dem Klassiker im Mai 2023 ein Remake für den PC spendiert. Ein Jahr später folgen die Konsolen-Versionen. System Shock setzt auf ein Science-Fiction-Cyberpunk-Setting und schickt uns als Hacker oder Hackerin auf die Citadel-Raumstation. Diese wurde von der KI Shodan übernommen. Shodan plant, alles Leben zu vernichten und mit Technologie und einem Virus zu verändern. Es ist an uns, die wahnsinnige KI aufzuhalten. Inhaltlich wie spielerisch ist das Remake dem Original sehr nah. Das ist gleichzeitig Stärke und Schwäche.

Klaustrophobische Raumstation

Nach einer kurzen Einstiegsszene wachen wir in System Shock auf der Citadel-Raumstation des Unternehmens TriOptimum auf. Weshalb wir hier sind oder was unsere Aufgabe ist, erfahren wir über einen Funkspruch. Eine Überlebende kontaktiert uns. Von ihr erfahren wir, dass die KI Shodan die Kontrolle über die Citadel-Raumstation übernommen hat und bittet uns um Hilfe. Fortan ist es unser Ziel einen Fluchtweg zu finden und gleichzeitig Shodan aufzuhalten. Dabei präsentiert sich System Shock im Kern als klassischer First-Person-Shooter. Entsprechend erkunden wir die Raumstation aus der First-Person-Perspektive und kämpfen mit allerlei Schuss- und Nahkampfwaffen gegen mutierte Menschen, Cyborgs, Roboter und Drohnen. Das Waffenarsenal reicht dabei von Pistolen über Schrotflinte und Sturmgewehr bis zu Magnetpulsgewehr und Laserrapier. Zudem können wir die Waffen mit gefundenen Mods verbessern.

Die Citadel-Raumstation steht uns mit der Zeit immer mehr offen. So können und müssen wir mit Aufzügen zwischen den verschiedenen Ebenen der Raumstation wechseln. Oft erledigen wir erst eine Aufgabe auf einer Ebene, nur um in einem anderen Bereich weiterzukommen. Daraus ergibt sich zwar reichlich Backtracking, wirklich störend fällt das jedoch nur manchmal auf. Schließlich haben wir fast immer das Gefühl von Fortschritt und die Rückkehr in bereits besuchte Gebiete der Raumstation gestaltet sich fast immer als sinnvoll. Hier zeigt sich bereits, dass System Shock Spiele wie BioShock, Prey und Dishonored maßgeblich beeinflusst hat. Bedauerlich ist allerdings, dass nicht immer eindeutig ist, was als nächstes von uns erwartet wird. Immer wieder sind wir in den engen Gängen und Räumen der Citadel auf der Suche nach Fortschritt herumgeirrt.

Selbstständige Orientierung

Auffällig ist ebenfalls, dass wir viele Lösungen und Hinweise selbst erkennen müssen. Besonders die häufig benötigten Sicherheitscodes für Türen gilt es in gefundenen Audio-Logs, die System Shock einst etabliert hat, und Textnachrichten zu erkennen und sich zu merken. Allerdings kann es auch vorkommen, dass ein Code auf einem Bildschirm der Raumstation steht. Die Zahl ist dann zwar sehr präsent, doch es ist nicht eindeutig, wofür wir sie benötigen oder dass wir sie überhaupt brauchen. Entsprechend ärgerlich und frustrierend kann es sein, wenn wir umherirren, obwohl wir den benötigten Code bereits gesehen haben. Diese Schwächen galten im Original teilweise als revolutionär, sind heutzutage aber veraltet. Ein zumindest optionaler Missionslog und optionale eine Liste der gefundenen Sicherheitscodes hätten wir begrüßt. Doch nicht falsch verstehen, diese Schwächen ändern nichts daran, dass System Shock viel Spielspaß bietet und das Gameplay enorm fesselt. Gerade die Erkundung der Raumstation und der erarbeitete Fortschritt tragen viel zur Faszination des Shooters bei. Dennoch wären ein paar Quality-of-Life-Funktionen sinnvoll.

Ebenfalls überzeugen kann System Shock beim Kern-Gameplay. Die Waffen fühlen sich angenehm unterschiedlich an und das Gunplay weiß durchaus zu überzeugen. Etwas Verbesserungswürdig sind jedoch Treffer- und Schadensfeedback. Zwar ist es durchaus ersichtlich, wenn Feinde getroffen werden oder wir Schaden erleiden, etwas genauer könnte es aber trotzdem sein. Das ist aber Meckern auf hohem Niveau und schränkt weder Spielspaß noch Spielbarkeit des Shooters ein. Die eher wenigen Gegner-Typen und die etwas stumpfe künstliche Intelligenz der Feinde, fällt im Vergleich etwas negativer auf. Etwas frustrierend kann zudem sein, dass wir manchmal sehr schnell das Zeitliche segnen, ohne direkt zu wissen, was passiert ist. Glücklicherweise sind solche Momente eher selten. Von Vorteil ist dabei, dass wir den Schwierigkeitsgrad individuell in den Kategorien Kampf, Mission, Cyber und Rätsel in mehreren Stufen anpassen dürfen. Allerdings ist das nur zu Spielstart möglich. Später lässt sich der Schwierigkeitsgrad leider nicht mehr anpassen.

Frustrierender Cyberspace

Regelmäßig müssen wir in System Shock Abschnitte im Cyberspace absolvieren. An entsprechenden Schnittstellen verbinden wir uns mit dem System der Raumstation, um Sperren zu öffnen oder andere Einschränkungen aufzuheben. Der Cyberspace spielt sich dabei wie ein klassischer Science-Fiction-Flugsimulator. Dadurch fühlt sich die Bewegung ganz anders und etwas schwammiger an. Zudem können wir uns um dreihundertsechzig Grad drehen und fliegen frei durch den Cyberspace. Ziel ist es, Datenknoten zu zerstören. Allerdings versuchen uns verschiedene Gegner daran zu hindern. So gelungen die Cyberspace-Abschnitte sind, so frustrierend können sie sein. Manchmal fühlen sich einzelne Teile sogar unfair an und nach Trial & Error an, da wir unmöglich wissen können, was uns als nächstes erwartet und ein Überleben kaum möglich ist. Noch ärgerlicher ist dann, dass wir beim Scheitern im Cyberspace wieder von vorne beginnen müssen. Auf dem höchsten Cyberspace-Schweirigkeitsgrad sterben wir sogar komplett. Gerade aufgrund der Notwendigkeit der Cyberspace-Abschnitte ist das ärgerlich und kann den Spielspaß spürbar beeinflussen. Haben wir die Abwechslung anfangs gerne angenommen, hat uns der Cyberspace mit der Zeit nur noch genervt.

Trotz aller berechtigter Kritik bleibt System Shock ein herausragender First-Person-Shooter. Das Remake des Genre-Klassikers überzeugt genauso wie das Original mit einer spannenden, abwechslungsreichen Geschichte, Shodan als grandioser Antagonistin und packendem Gameplay inklusive kniffliger Rätsel und erstklassiger Atmosphäre. Umso wichtiger ist es, dass die Optik passt und die Technik absolut sauber und flüssig läuft. Der Grafikstil ist sehr individuell, unerwartet farbenfroh und mischt Realismus mit einem leicht comichaften Eindruck. Dabei wirken die Umgebungen angemessen detailliert, ohne übertrieben zu sein und fangen den Retro-Science-Fiction-Stil perfekt ein. Ähnlich stimmungsvoll ist der hervorragende Soundtrack, der sich dynamisch der Situation anpasst. Leider ist System Shock nicht vollvertont. Das mag bei E-Mails und gefundenen Notizen durchaus Sinn ergeben, dadurch ist der Shooter allerdings auch sehr leselastig. Die vorhandene englische Synchronisation von Audio-Logs oder Funksprüchen ist dafür wirklich gelungen. Besonders Shodan weiß als wahnsinnige KI zu überzeugen. Auf eine deutsche Vertonung wurde leider verzichtet, dafür sind die Texte in deutsch gehalten.

Individuelle Anpassungen

Zum Abschluss sei noch erwähnt, dass uns System Shock einige Einstellungsmöglichkeiten bietet. Neben den bereits erwähnten Schwierigkeitsgrad-Anpassungen, dürfen wir auch einige Gameplay-Funktionen wie das automatische Nachladen von Waffen oder das Drehen der Minimap aktivieren oder deaktivieren. Zusätzlich lässt sich etwa das Sichtfeld einstellen, Bewegungsunschärfe ein- und ausschalten. Besonders gefallen haben uns die Möglichkeiten zur Individualisierung der Benutzeroberfläche. So dürfen wir zwischen verschiedenen Farbschemata wählen, die HUD-Krümmung sowie -Transparenz festlegen. Entsprechend gut lässt sich System Shock an unsere eigenen Wünsche anpassen.

Fazit

Da ich das originale System Shock nie gespielt habe, ist das Remake eine hervorragende Gelegenheit, den First-Person-Shooter-Klassiker nachzuholen. Zwar ist System Shock keineswegs perfekt und hält aufgrund der Nähe zum Original an einigen unnötigen Schwächen fest, wirklich negativ wirkt sich das Meiste aber nicht aus. Zumal Steuerung, Interface und andere Faktoren sinnvoll modernisiert wurden. Umso ärgerlicher ist es, dass einige Quality-of-Life-Funktionen nicht enthalten sind. Das ist allerdings meckern auf hohem Niveau, da sich System Shock trotz der vorhandenen Schwächen wirklich gut spielt und packenden Spielspaß bietet. Gerade das Erkunden der Raumstation, die enorm dichte Atmosphäre, die spannende Geschichte und Shodan als erstklassige Antagonistin, haben mich immer wieder aufs Neue an den Controller gefesselt. Selbst wenn mich frustrierende Stellen geärgert und zur Verzweiflung getrieben haben. Dazu gesellen sich die schicke Grafik und der stimmungsvolle Soundtrack, die viel zum erstklassigen Spielgefühl beitragen. Perfekt mag das Remake von System Shock nicht sein, ein herausragender Shooter-Klassiker in neuem Gewand wird aber trotzdem geboten. Hoffentlich haben die Nightdive Studios die Möglichkeit auch ein Remake von System Shock 2 umzusetzen.

Kurzfazit: Trotz alter und neuer Schwächen, erstklassiges Remake eines herausragenden Shooter-Klassikers, der mit atmosphärischer Geschichte, toller Antagonistin und spaßigem Gameplay fesselt.

Vielen Dank an Plaion, Prime Matter und Nightdive Studios für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von System Shock!

Details
Titel: System Shock
Genre: First-Person-Shooter
Publisher: Prime Matter
Entwickler: Nightdive Studios (Remake), Looking Glass Technologies (Original)
Spieler: 1
Syteme: Xbox Series X|S (getestet), Xbox One, PlayStation 5, PlayStation 4, PC
Altersfreigabe: ab 16
Erscheinungsdatum (Konsolen): 21. Mai 2024
Erscheinungsdatum (PC): 30. Mai 2023

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