Virtual Boy – Nintendos größter Flop
Der größte Flop in der Firmengeschichte von Nintendo dürfte bis heute der Virtual Boy sein. Gestern wurde der Vorfahre des 3DS und moderner VR-Brillen 20 Jahre alt.
Juli 1995, Nintendo veröffentlichte in Japan ein neues System, das im November zuvor erst exklusiv in der New York Times und einen Tag später allgemein angekündigt wurde: den Virtual Boy. Bereits im August 1995 erschien das namentlich dem Game Boy rechte nahe Stück Hardware auch in den USA. Aufgrund des mangelnden Erfolges und der schlechten Annahme bei Spielern und Kritikern, strich Nintendo den geplanten Release für Europa und stellte schließlich Anfang 1996 die Produktion ein.
Doch was war der Virtual Boy? Der Name lässt auf eine Art Handheld- oder Mobile-Plattform schließen, doch durch seine Beschaffenheit war der Virtual Boy nicht für das Spielen unterwegs geeignet. Die große rot-schwarze Brille war zu schwer und unhandlich und musste mittels eines Ständers auf einem Tisch fixiert werden. Die verwendete Technik war allerdings revolutionär. Mittels zwei vertikalen LED-Leisten – für jedes Auge eine – und durch oszillierende Spiegel, entstand ein 3D-Effekt in 384 x 224 Pixeln. Dabei bewegte sich das Licht der LED-Leisten durch die Spiegel so schnell, dass der Eindruck eines 3D-Bildes entstand. Nintendo verwendete ausschließlich rote LEDs, wodurch lediglich drei Rottöne auf schwarzem Hintergrund wiedergegeben werden konnten.
Dafür konnte sich die Bildwiederholungsrate mit 50 Hz durchaus sehen lassen. Die Soundausgabe erfolgte über zwei integrierte Stereolautsprecher und zur Stromversorgung waren sechs AA-Batterien nötig. Damit waren etwa fünf Stunden Spielzeit möglich. Zur Steuerung der Spiele lieferte Nintendo den Advanced Grip Controller mit. Dieser erinnert etwas an das spätere N64-Pad, hatte aber statt eines Analog-Sticks zwei Steuerkreuze sowie sechs Aktionsknöpfe.
Die größten Probleme des Virtual Boy dürften klar die gesundheitlichen Probleme sein. So gab es zahlreiche Gesundheitshinweise. Kinder unter sieben Jahren sollten beispielsweise nicht mit dem Virtual Boy spielen, um Augenschäden zu vermeiden. Allgemein klagten viele Spieler über Übelkeit und Schwindelanfälle, was auf zu große Anstrengung der Augen zurückzuführen war. Um dies zu vermeiden verfügte der Virtual Boy über eine automatische Pausenfunktion, die bei Aktivierung alle halbe Stunde das Spiel pausierte. Dazu kam eine nicht allzu gesunde Haltung, die nötig war, um den Virtual Boy richtig bedienen zu können. Da das Gerät mittels Ständer auf einem Tisch oder einer anderen Oberfläche fixiert werden musste, war es notwendig dauerhaft vorgebeugt und in einer nicht unbedingt natürlichen Haltung zu spielen.
Dazu gesellte sich ein eher schwaches Spieleangebot. So wussten die Dritthersteller mit der Technik nichts anzufangen und veröffentlichten eher simple Spiele. Aber auch Nintendo glänzte nicht unbedingt und schaffte es nicht auch nur einen Systemseller für den Virtual Boy anzubieten. Lediglich Wario Land konnte bei Kritikern positiv abschneiden, während andere Spiele wie Mario Tennis oder Mario Clash an fehlenden Features oder nicht überzeugenden Spielkonzepten krankten. Des weiteren wurde eine ursprünglich angekündigte Mehrspieler-Funktion, bei der zwei Virtual Boys miteinander verbunden werden konnten, nie integriert.
Auch die aktuelle Marktsituation und die Erwartungen der Kundschaft machten dem Virtual Boy zu schaffen. So hatten viele Spieler ein tragbares System erwartet. Dazu kam, dass der Virtual Boy durch seinen Releasezeitraum in direkter Konkurrenz zu Segas Saturn und Sonys erster Playstation stand. Dass Nintendo zusätzlich bereits den Nachfolger des Super Nintendo Entertainment System, den Nintendo 64, groß ankündigte und bewarb, dürfte dem Virtual Boy zusätzlich geschadet haben. Schließlich erschien die dritte Heimkonsole von Nintendo nicht einmal ein Jahr nach dem Virtual Boy in Japan.
Letztlich konnte sich der Virtual Boy im ersten Halbjahr nach seiner Veröffentlichung nur rund 770.000 Mal verkaufen. Nintendo hatte eigentlich mit 3 Millionen Exemplaren gerechnet und 25 Millionen US-Dollar in eine Marketingkampagne investiert, während die Presse auf Messen Demos des Virtual Boy vorgeführt bekam. Unterm Strich blieb der Virtual Boy ein großer Flop, der die Spieler nicht überzeugen konnte.
Dennoch lebt das Erbe des Virtual Boy bis heute weiter. So lernte Nintendo aus der Entwicklung des Virtual Boys und verwendete später für den 2011 erschienenen 3DS eine ähnliche Technologie, die dem Betrachter optische Tiefe vorspielt. Zugleich darf der Virtual Boy in gewisser Weise als Vorreiter im Bereich der Virtual-Reality-Brillen bezeichnet werden, da Oculus Rift, Project Morpheus usw. im Grunde Nachfahren von Nintendos System sind. Auch wenn sich die Technik bis heute deutlich weiterentwickelt hat.