Rezension: Spider-Gwen Band 1: Drahtseilakt (Comic)

spider-gwen-band-1-coverGwen Stacy ist Spider-Woman. Zumindest in einem der zahlreichen Marvel-Universen schwingt sie durch New York und hat als Fan-Liebling eine eigene Reihe erhalten.

Gwen Stacy ist Marvel-Fans als große Liebe und Freundin von Spider-Man Peter Parker bekannt. Auf Erde-65 ist dem jedoch nicht so. In dieser Variante des Marvel-Universums wurde sie von einer radioaktiv verseuchten Spinne gebissen und schwingt seither als Spider-Woman durch New York. Ihr Nachbar und Freund Peter Parker wollte der Heldin nacheifern, was ihn das Leben kostete. Gejagt von ihren Schuldgefühlen und der Polizei versucht Gwen irgendwie ihr Leben nach dem Spider-Man-Megaevent Spiderverse, bei dem sie gemeinsam mit Spider-Mens und -Womens anderer Universen gekämpft hat, in den Griff zu bekommen. Doch sie sieht sich einigen Gefahren gegenüber. Der obsessive Polizist Frank Castle übernimmt den Fall, während zugleich der Geier als Bedrohung für die Stadt auftaucht. Auch der Kingpin und sein Handlanger Matt Murdock sowie Black Cat mischen mit und bringen Gwens Privatleben und Dasein als Spider-Woman durcheinander.

Alternative Heldin

Geschaffen wurde Gwen Stacy als Spider-Woman von Jason Latour und Robbi Rodriguez für das Großevent Spiderverse. Aufgrund der überragenden Fan-Reaktionen spendierte Marvel der als Spider-Gwen bezeichneten Heldin eine eigene Reihe mit ihren Schöpfern als Autor und Zeichner. Obwohl der erste Sammelband, der die ersten fünf US-Hefte enthält, an das Spiderverse-Event anschließt und Gwen nach ihrer Rückkehr in ihr eigenes Universum zeigt, sind Vorkenntnisse nicht zwingend erforderlich. Sowohl Vorwort als auch eine einseitige Einleitung im Comic selbst bieten genügend Informationen über die Grundlage, um einen guten Einstieg in die Abenteuer von Spider-Gwen zu ermöglichen.

Interessant ist dabei der Ansatz den Autor Jason Latour mit seiner Heldin verfolgt. Gezeichnet von ihren Erlebnissen und noch immer von Schuldgefühlen wegen des Todes ihres Nachbarn und Freundes Peter Parker gezeichnet, fällt es ihr schwer ihr Leben einfach fortzuführen. Damit präsentiert Latour eine tiefgründige Charakterstudie, die Einblicke in Gwens Psyche und ihre Gedanken bietet. Zentraler Mittelpunkt ist dabei stets der Tod von Peter Parker für den Spider-Woman verantwortlich gemacht und deshalb gejagt wird. Doch nicht nur ihr Dasein als Heldin wird von Gwens Schuldgefühlen und angeschlagener Gemütslage beeinflusst. Auch ihre Rolle als Drummerin der Band The Mary Janes ist in Gefahr. Zudem ist die Beziehung zu ihrem Vater etwas angespannt und sie versucht den Kontakt zu Peters Tante und Onkel zu vermeiden.

Ungewöhnliche Rollen

Es ist die Art der Erzählung, die Spider-Gwen einen ganz eigenen Charakter geben. Jason Latour versteht es Gwen Stacy als Spider-Woman Eigenständigkeit zu verleihen und sie somit von bisherigen Varianten der Spider-Helden abzugrenzen. Gleichzeitig weist sie aber genügend Gemeinsamkeiten auf, um die Rolle der netzschwingenden Heldin perfekt auszufüllen. Das liegt auch an den lockeren Sprüchen, die Gwen mindestens so gut beherrscht wie Peter Parker in seinen besten Jahren. Zugleich sorgen zahlreiche bekannte Figuren für ein angenehmes Marvel-Gefühl, tragen aber auch zum starken Alternativ-Charakter bei. So sieht sich Gwen mit dem Geier konfrontiert, der als klassischer Spider-Man-Gegner seine alte Rolle besetzt.

Anders ist das bei weiteren Figuren. Der Punisher Frank Castle ist Polizist und übernimmt den Fall rund um Spider-Woman. Seine obsessive Jagd auf die vermeintlich Schuldige am Tod von Peter Parker bringt Gwen in Gefahr. Vor dieser versucht sie auch ihr Vater zu retten. Der wie immer als Polizist tätige George Stacy weiß um das Geheimnis seiner Tochter, was der Beziehung der beiden einen gänzlich neuen Charakter gibt. Doch nicht nur Frank Castle tritt abseits seiner bekannten Rolle auf. Eine fast noch größere Überraschung ist Matt Murdock. Der als Dardevil bekannte Superheld arbeitet auf der Erde-65 als Anwalt für seinen Erzfeind Kingpin. Gleichzeitig führt er die Befehle seines kriminellen Bosses aus. Das schließt auch Morde mit ein. Für Kenner des Marvel-Universums sind es diese Änderungen, die der spannenden und fesselnden Geschichte um Gwen Stacy eine besondere Würze verleihen.

Eigener Stil

Bereits das Cover des ersten Spider-Gwen-Sammelbandes weist nicht nur auf das einzigartige Kostümdesign der Heldin hin, sondern ist in einem gänzlich eigenen Stil gehalten. Dieser entspricht zwar nicht den Zeichnungen im Innern, dennoch wird schnell klar das Zeichner Robbi Rodriguez den Spider-Gwen-Comics mit seinem kantigen, düsteren Stil einen ganz eigenen Anstrich verleiht. Die kantigen Charaktere und häufig durch die Farbgebung von Rico Renzi noch weiter in den Hintergrund tretenden Umgebungen passen hervorragend zur erzählten Geschichte. Die gelegentlich etwas seltsam wirkenden Gesichter stören dabei nicht, da sie klar dem Stil von Rodriguez entsprechen und Teil des besonderen Stils von Spider-Gwen sind.

Fazit

Spider-Gwen Band 1 hat mich überrascht. Neugierig auf die alternative Version von Gwen Stacy habe ich ohne Vorkenntnisse des Spiderverse-Events zu dem Sammelband gegriffen und mit das erste Abenteuer von Gwen als Spider-Woman zu Gemüte geführt. Bereits nach wenigen Seiten kann Spider-Gwen durch ihre eigene Art und die angenehme Andersartigkeit ihres Universums überzeugen. Der Ansatz von Autor Jason Latour ist überaus reizvoll und wird von den Zeichnungen perfekt unterstützt. Dabei entsteht eine packende, teils düstere Atmosphäre, die von der ersten bis zur letzten Seite an den Comic fesselt. Für Marvel-Kenner sind die abweichenden Rollen bekannter Charaktere besonders interessant und zum Teil auch amüsant. Neben Frank Castle und Matt Murdock ist es Mary Jane Watson als herrische Band-Leaderin und Freundin von Gwen, die immer wird für kleinere Überraschungen sorgt. Es ist diese Einbindung bekannter Figuren ohne dabei zu nah am Haupt-Marvel-Universum zu sein, die Latour perfekt gelingen. Damit präsentiert der Autor gemeinsam mit Zeichner Robbi Rodriguez eine der interessantesten Alternativ-Versionen mit einer einzigartigen, spannenden Heldin. Die Vorfreude und Neugier auf Band 2 ist mehr als geweckt.

Kurzfazit: Spannende Geschichte, fesselnde Atmosphäre, interessante Charakternutzung, tiefgründige Heldin – Spider-Gwen überzeugt auf ganzer Linie!

Details
Titel: Spider-Gwen Band 1: Drahtseilakt
Genre: Action, Superhelden
Verlag: Panini
Autor: Jason Latour
Zeichner: Robbi Rodriguez
Seiten: 116
Preis: 14,99 €
Verlagsseite: Spider-Gwen Band 1: Drahtseilakt bei Panini Comics
Erscheinungsdatum: 24. November 2015